Psychologie und Wirtschaftspsychologie
Wirtschaft und Management
Warum eine gute Fehlerkultur in Unternehmen wichtig ist
von Melanie Hahn, am 14.01.2019
Psychologie und Wirtschaftspsychologie
Wirtschaft und Management
von Melanie Hahn, am 14.01.2019
In vielen klassischen Unternehmen gelten Fehler als Karrierekiller. Ganz anders sieht der Trend in Start-ups aus. Hier lautet das Motto „Start many, try cheap, fail early“. Das heißt, junge Unternehmen probieren viele Dinge aus, kalkulieren das Scheitern mit ein und können Fehler damit frühzeitig, ohne hohe Kosten eliminieren. Was Unternehmen für eine erfolgreiche Fehlerkultur beachten sollten, erklärt Prof. Dr. Gudrun Glowalla, Psychologieprofessorin und Studiengangsleiterin Change Management & Decision Making (M.A.) von onlineplus, dem Fernstudium der Hochschule Fresenius, im Interview.
Es ist den meisten Menschen unangenehm, Fehler zuzugeben. Wir möchten gerne von uns und anderen positiv wahrgenommen werden. Wenn wir Fehler machen, dann erleben wir das schnell als Bedrohung unseres positiven Images.
Die Analyse von Fehlerursachen ist notwendig, wenn wir aus Fehlern lernen wollen. Wir analysieren, warum ein Fehler aufgetreten ist und was man in Zukunft tun kann, um ihn zu verhindern. Jedoch sind unsere liebsten Analyseobjekte die Fehler der anderen. Unsere Bereitschaft, die eigenen Fehler zu analysieren, mag durchaus vorhanden sein, aber wie sieht es mit der Bereitschaft aus, unsere Fehler von anderen analysieren zu lassen und uns dann noch gut gemeinte Ratschläge anzuhören? Wer also im Unternehmen eine positive Fehlerkultur und ein effektives Fehlermanagement aufbauen möchte, sollte zunächst einmal bei sich anfangen. Jeder muss lernen, dass auch eigene Fehler Gegenstand von Analysen und lehrreichen Fallbeispielen werden können. Das kratzt manchmal am Ego, aber das geht allen anderen genauso.
Ja, wir können lernen, Fehler zu akzeptieren, wenn wir es schaffen, darin auch etwas Positives zu sehen. Hilfreich ist es, sich zu überlegen, was wir hätten anders machen können, und uns das dann für die Zukunft zu merken. Wenn wir sehr unter einem Fehler leiden, sollten wir versuchen, uns klar zu machen, was wir alles richtiggemacht haben. Denn ein ärgerlicher Fehler wird meist zu hoch gehängt, d.h. wir denken darüber viel zu lange und intensiv nach. Erfolgreiche Problemlösungen hingegen nehmen wir zufrieden wahr und denken meist nicht so lange darüber nach wie über unsere Fehler. Unsere Wahrnehmung ist somit häufig fehlerlastig, insbesondere dann, wenn wir uns gerade bei einem Fehler erwischt haben. Wenn wir unsere Fehler analysieren, kann es sehr hilfreich sein, sich zu überlegen, in welcher vergleichbaren Situation wir richtig gehandelt haben. Wir vergleichen dabei die Rahmenbedingung erfolgreichen und fehlerhaften Verhaltens. So fokussieren wir nicht nur auf das Negative: den Fehler.
Je mehr Aufgaben und Handlungsalternativen wir haben, desto mehr potenzielle Fehlerquellen gibt es. Da bei vielen Berufstätigen das Handlungsspektrum immer größer wird, erhöht sich also auch die Zahl der Fehlermöglichkeiten. Salopp gesagt: Bei steigenden Anforderungen steigt auch das Fehlerpotenzial.
Bisher haben wir uns auf Fehler konzentriert, deren Verursacher das einzelne Individuum oder auch ein Team ist. Fehler entstehen beispielsweise, weil wir eine Situation falsch einschätzen, unter sozialem oder unter Zeitdruck stehen, uns nicht ausreichend informiert haben oder zu sorglos sind. Bei Teamentscheidung kann beispielsweise Konformitätsdruck zu Fehlern führen, weil der einzelne keine abweichende Meinung äußern möchte, um als Gruppenmitglied auch weiterhin anerkannt zu bleiben.
In unserer hoch technisierten Welt gibt es aber auch Rahmenbedingungen, die fehlerhaftes Verhalten begünstigen. Stellen Sie sich einmal vor, Sie sind für die Erfassung von Daten zuständig, die im weiteren Verlauf einer Produktion erforderlich sind. Wenn die Erfassung der Daten oder aber die Weiterverarbeitung der Daten fehlerhaft ist, bemerken wir das ggf. erst am Ende des Produktionsprozesses. Wir müssen also auch die Rahmenbedingungen sorgfältig in unsere Fehleranalyse einbeziehen. Gibt es Systemkomponenten, die das Auftreten von fehlerhaften Handlungen begünstigen? Mit diesen Fragen beschäftigt man sich beispielsweise bei der Luftfahrtsicherheit, wo Fehler zu katastrophalen Konsequenzen führen können.
Um einen produktiven Umgang mit Fehlern zu implementieren, müssen wir uns zunächst die aktuelle Fehlerkultur und das Fehlermanagement ansehen. Wir analysieren also den IST-Zustand. Dann setzen wir ein Change-Projekt auf, mit dem Ziel, ein zum Unternehmen passendes Fehlermanagement aufzubauen, das wir klar definieren müssen. Hier gibt es mindesten zwei Komponenten: das Etablieren einer Fehlerkultur und den Aufbau eines Fehlermanagements.
Unter Fehlerkultur versteht man ein Klima, in dem Fehler akzeptiert und als Lernchance begriffen werden. Ganz wichtig dabei ist, dass die Fehlerkultur für alle Unternehmensbereiche und alle Hierarchieebenen gilt, also auch das mittlere und höhere Management.
Bei der positiven Sicht auf Fehler darf man nicht über das Ziel hinausschießen. Nicht jeder Fehler ist eine Lernchance. Manchmal passieren Fehler aus Sorglosigkeit, Ignoranz oder dem Nicht-Einhalten von Regeln. Das sollte man dann auch nicht schönreden. Wir müssen also definieren, wie im Unternehmen mit welcher Art von Fehlern umgegangen wird.
Beim Fehlermanagement geht es darum, wie wir den Umgang mit Fehlern in klare Prozesse überführen. Beispielsweise können wir aus den lehrreichen Fehlern Best-Practice-Beispiele zum Umgang mit den Fehlern und zu ihrer Vermeidung entwickeln, die über ein Wissensmanagementsystem bereitgestellt werden. Wir schauen uns auch die Prozesse an und prüfen, ob es systemseitige Bedingungen gibt, die ein hohes Fehlerpotential aufweisen. Wer ein Fehlermanagement implementieren will, sollte sich zudem über entsprechende Software-Lösungen informieren, die im Qualitätsmanagement bereits im Einsatz sind bzw. dort eingesetzt werden können.
Melanie Hahn
Melanie Hahn ist Teil der adhibeo-Redaktion und arbeitet als Pressesprecherin für die Fachbereiche Wirtschaft & Medien und onlineplus der Hochschule Fresenius.
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