Medien

Psychologie und Wirtschaftspsychologie

Der Seitensprung liegt manchmal nur einen „Swipe“ weit entfernt

von Redaktion, am 15.01.2016

Seit kurzem macht die Smartphone-Anwendung Tinder den großen Dating-Plattformen Konkurrenz. Doch was ist eigentlich das Erfolgsrezept der App? Und welche Absichten verfolgen ihre Nutzer? Eine an der Hochschule Fresenius Köln erschienene Studie gibt Antworten.

Das Internet hat die Partnersuche revolutioniert, so viel steht fest. Über Plattformen wie Parship, Elitepartner oder FriendScout24 wurden in den vergangenen Jahren vermutlich hunderttausende Beziehungen angebahnt. Glaubt man der Parship-Werbung, verliebt sich bei der Online-Partnervermittlung gar alle elf Minuten ein Single.

Doch längst haben es die großen Anbieter auf dem Online-Datingmarkt nicht mehr so leicht, wie noch in den Nullerjahren. Denn an die Stelle des klassischen Online-Datings, das man überwiegend zuhause am stationären PC ausübt, tritt mehr und mehr das Mobile-Dating: Mit der entsprechenden App ausgestattet kann man immer und überall nach einem passenden Flirtpartner suchen – und der hält sich dann bestenfalls auch noch ganz in der Nähe auf und ist zu einem Treffen bereit.

Tinder wird auch in Deutschland immer beliebter. Wissenschaftliche Untersuchungen zum Thema gibt es hierzulande bisher kaum.

Die App, die mit diesem Service derzeit mehr als erfolgreich ist, trägt den Namen Tinder. Schätzungen zufolge nutzen aktuell weltweit etwa 30 Millionen Menschen die Smartphone-Anwendung, die 2012 in den USA erstmals auf den Markt kam. In Deutschland geht man von rund zwei Millionen Nutzern aus – doch täglich kommen knapp 8000 hinzu. Zeit also, sich mit dem Phänomen Tinder auch im deutschsprachigen Raum wissenschaftlich auseinanderzusetzen. Prof. Dr. Wera Aretz, Psychologin an der Hochschule Fresenius Köln und Prodekanin des Fachbereichs Wirtschaft & Medien, hat hier einen Anfang gemacht. Seit einigen Tagen sind die Ergebnisse einer Untersuchung, die Aretz im Sommer 2015 durchführte, im Journal of Business and Media Psychology nachzulesen.

Der Text trägt den Titel „Match me if you can“ und spielt damit auf einen Erfolgsfaktor der App an: Nutzer erzielen dann ein „Match“, wenn sie sich aufgrund ihrer veröffentlichten Profilbilder und -informationen gegenseitig sympathisch finden und dies durch das sogenannte „swipen“ – das Wischen über das Smartphone-Display – nach rechts zum Ausdruck bringen. Erst wenn das auf beiden Seiten geschehen ist, können die Nutzer miteinander in Kontakt treten. Wischt dagegen einer der beiden konfrontierten Tindernutzer das Profil des anderen nach links, ist eine Kontaktaufnahme nicht möglich.

Diese „wechselseitige Attraktivitätsbekundung“ ist nach Aretz mitverantwortlich für die Beliebtheit der App, denn ein „Match“ gebe „den Akteuren zunächst eine gewisse Sicherheit in der Initiierung der Kommunikation“, schreibt sie in ihrem Artikel. „Zudem sind alle ‚Swipes‘ anonym, so dass eine Person, deren Foto präsentiert wird, niemals erfahren wird, ob und ggf. wie viele Tindernutzer das eigene Bild als weniger attraktiv beurteilt haben“, erklärt sie einen weiteren Grund für den Erfolg.

Männer und Frauen verfolgen unterschiedliche Ziele – lässt sich das evolutionspsychologisch erklären?

Sollte nun ein „Match“ erzielt worden sein, welche Absicht verfolgen die Nutzer dann? Viele Frauen geben sich an dieser Stelle schon zufrieden, wie aus der Befragung von über 400 männlichen und weiblichen Tindernutzern hervorgeht. „In unserer Studie konnten wir ganz konkret zeigen, dass Frauen in erster Linie ihre Bestätigung durch die Anzahl ihrer Matches und die Anzahl der Dates erlangen, Männer hingegen definieren sich hauptsächlich durch ihre Sexualkontakte, die aus der Tindernutzung resultieren“, kommentiert Aretz die Ergebnisse gegenüber adhibeo.

Diese geschlechtsspezifischen Unterschiede ließen sich evolutionspsychologisch gut erklären, schreibt sie in ihrem Artikel: „(…) während für Frauen die Fortpflanzung eine aufwändigere Angelegenheit ist (Schwangerschaft, Geburt, Sorge für Nachkommen), ist das Zeugen von Nachwuchs für Männer eher unkompliziert (…). Dies führt dazu, dass ‚Männer versuchen, sich möglichst zahlreich fortzupflanzen, während Frauen bemüht sind, sich klug fortzupflanzen‘, schließt Aretz mit einem Zitat des berühmten Evolutionsforschers Robert Hinde.

Für die Mehrheit der befragten männlichen Nutzer ist Tinder also tatsächlich die viel kolportierte „Sex-Börse“, von der in den Medien gerne die Rede ist. Auch ein weiteres Vorurteil scheint die Studie zu bestätigen: Tinder wird von vielen als Seitensprung-App verstanden. Von den 436 befragten Nutzern sind 42 Prozent liiert, 58 Prozent der Studienteilnehmer geben an, Single zu sein.

Tinder ist also nicht nur im Begriff, die Partnersuche weiter zu revolutionieren, sondern auch die Suche nach einer Affäre.

Über den Autor

Redaktion
Die adhibeo-Redaktion veröffentlicht regelmäßig Artikel zu verschiedensten Themen der Angewandten Wissenschaften, die an der Hochschule Fresenius stattfinden.

1 Antwort

Ihr Kommentar

Sie möchten Sich an der Diskussion beteiligen? Hinterlassen Sie uns Ihren Kommentar!
Bitte beachten Sie dabei unsere Netiquette. Vielen Dank.

Schreiben Sie einen Kommentar