Gesundheit, Therapie und Soziales

Wirtschaft und Management

„Die neuen Gesundheitsberufe stellen eine Möglichkeit dar, dem Versorgungsauftrag auch zukünftig nachzukommen“

von Redaktion, am 11.02.2014

Die Hochschule Fresenius beruft sich darauf, mit dem Fachbereich Gesundheit & Soziales, als eine der ersten Hochschulen Deutschlands den Schritt in Richtung Professionalisierung durch Akademisierung der Gesundheitsberufe gewagt zu haben. Mit neuen, innovativen und an die Bedingungen des Arbeitsmarktes angepassten Studiengängen will sie diesen Weg konsequent weitergehen und den Wandel im Gesundheitswesen aktiv mitgestalten. Dass es eines solchen Wandels bedarf, beweist der unlängst veröffentlichte AOK-Krankenhausreport.
Liegt die Gefahr neuer Studienprogramme aber nicht darin, dass junge Menschen für Berufe ausgebildet werden, die sich dann möglicherweise nicht etablieren? Eine Befragung derjenigen, die im Gesundheitsbereich beschäftigt sind, könnte Aufschluss darüber geben, woran es fehlt, was nötig ist und letztlich auch darüber, was einen Studiengang nachhaltig macht. So geschehen im Fachbereich Gesundheit & Soziales, der sich der Verantwortung seinen Studierenden gegenüber bewusst ist. Daniela Hog, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Dekanat des Fachbereichs, fragt: „Brauchen wir neue Jobs?“ und untersucht mit der Studie: „Fachkräftemangel in deutschen Krankenhäusern“ den Bedarf an und die Akzeptanz von neuen Gesundheitsberufen.

Beschreiben Sie uns doch bitte kurz, was das Ziel der Studie war und welcher Methodik Sie sich bedient haben.

Das vordergründige Ziel der Studie war es, ein Stimmungsbild der verschiedenen Akteure im stationären Sektor zu gewinnen. Dabei lag der Fokus der befragten Zielgruppe auf einer ganzheitlichen Perspektive: es wurden diejenigen befragt, die mit den neuen Gesundheitsberufen zusammenarbeiten werden, aber auch diejenigen, die für eine Anstellung zuständig sind. In diesen kaufmännischen sowie medizinisch-pflegerischen Bereichen einer Klinik sollten die Vor- und Nachteile von neuen Gesundheitsberufen und deren Chancen und Risiken eingeschätzt werden. Wir haben uns der Methodik eines Online-Fragebogens mit wenigen und gezielten Fragen bedient, um uns auf die Zielgruppe, insbesondere der Ärzte, insofern einzustellen, dass der Berufsalltag der Klinikangestellten zeitlich knapp bemessen ist. Wir haben aber dennoch viele Einschätzungen erhalten.

Worin unterscheidet sich Ihre Studie von anderen zum Thema Fachkräftemangel?

Bisherige Untersuchungen ermitteln vorrangig, ob es überhaupt einen Fachkräftemangel geben und welche Auswirkungen dieser dann auf die Zukunft haben wird. Aufgrund der Masse vorhandener Studien zu diesem Thema setzen wir diese These insoweit als bestätigt voraus, da hier einheitliche Ergebnisse vorliegen. In welchem exakten Umfang oder zu welchem Zeitpunkt der Fachkräftemangel vermehrt auftreten wird, ist für unsere Forschungsfrage nicht relevant. Es geht vielmehr darum, neue Lösungsvorschläge zu formulieren, wie wir mit der Situation in Zukunft umgehen werden und nicht, ob sie eintritt oder nicht. Unsere Studie ist daher im Vergleich keine Prüfung von Tatsachen, sondern vielmehr eine Lösungsorientierung.

Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie aus den Ergebnissen der Studie?

Die drei thematisierten „neuen“ Berufe Chirurgisch-Technischer Assistent (CTA), Operationstechnischer Assistent (OTA) und Physician Assistant sind allen Befragten größtenteils bekannt und die Bereitschaft zu einer Zusammenarbeit besteht. Der entscheidende Punkt ist, ob die Befragten in diesen Berufen auch eine Chance sehen, den Fachkräftemangel einzudämmen und welche Hürden noch überwunden werden müssen. Hierbei stellte sich heraus, dass die Aufgabenbereiche der jeweiligen Berufe sauber definiert und abgegrenzt werden müssen, um diese etablieren zu können. Weitere Aspekte, die auf eine ganzheitliche Sichtweise hinweisen, sind Bezugnahmen auf die Qualität und die Effizienz der Versorgung. Der Patient, Kunde der Gesundheitsdienstleistung, steht im Mittelpunkt des Gesundheitswesens. Die neuen Gesundheitsberufe stellen eine Möglichkeit dar, dem Versorgungsauftrag auch zukünftig nachzukommen, selbst wenn es an anderen Fachkräften mangeln wird.

Ihre Studie ist bisher eine der wenigen in Deutschland, die die Akzeptanz dieser neuen Berufe untersucht. Was glauben Sie, warum dieser Aspekt bisher so wenig beleuchtet wurde?

Die Berufsstruktur im deutschen Gesundheitswesen hat sich in den letzten Jahren kaum verändert, die Abläufe und Strukturen sind gesetzt und bewährt. Zwar scheint sich der medizinische Fortschritt stetig weiterzuentwickeln, sich den Gegebenheiten und dem Bedarf der Bevölkerung anzupassen, jedoch fehlen innovative Ansätze zur Optimierung auf personeller Ebene. Gerade durch die Veränderung unserer Bevölkerungsstruktur muss sich etwas tun, um die Versorgung weiterhin in dieser Form aufrechterhalten zu können. Das deutsche Gesundheitssystem ist eines der leistungsfähigsten der Welt und das soll auch in Zukunft so bleiben. Wir müssen daher heute etwas verändern, um uns den Problemen von morgen stellen zu können.

Aus welchem Grund haben Sie Ihr Augenmerk auf diesen Aspekt gelegt?

Neue Herausforderungen bedürfen neuer Wege. Ein paar Zahlen vorab: 2001 arbeiteten 10,7 Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland im Gesundheitswesen, zehn Jahre später waren es schon zwölf Prozent, was einem Jahreswachstum von knapp 50 000 Menschen mehr im Gesundheitswesen entspricht. Wir werden immer mehr Menschen für das Gesundheitswesen gewinnen müssen, um die Versorgung weiterhin sicherstellen zu können. Aus heutigen Prognosen geht hervor, dass bis zum Jahre 2030 106 000 Ärzte und 575 000 Pflegekräfte in der Versorgung fehlen werden, dies entspricht 33 Prozent der notwendigen Ärztestellen und 48 Prozent der notwendigen Pflegekräftestellen.

Aus ökonomischer Sicht bestehen rund zwei Drittel der Krankenhausausgaben aus Personalkosten. Die Mittel für Gesundheitsausgaben werden tendenziell in den nächsten Jahren nicht unbedingt steigen. Wir werden daher mit einer Summe von Problemen konfrontiert werden, für die wir geeignete Maßnahmen finden müssen – und zwar heute. Da künftig neben den wirtschaftlichen und sozioökonomischen Kennzahlen auch qualitative Ansprüche der Patientenversorgung eine wichtige Rolle im Wettbewerb der Leistungsanbieter spielen, muss eine Schnittstelle gefunden werden, die auf allen Seiten eine Entlastung bringt und im besten Fall langfristig gesehen noch Kosten einspart. Diese Schnittstelle sind unserer Ansicht nach neue Berufe, die das Gesundheitswesen nachhaltig weiterentwickeln und optimieren.

Hatte man vor der Erhebung einer solchen Studie bereits eine gewisse Erwartungshaltung an den Verlauf und das Ergebnis oder möchte man völlig neue Erkenntnisse gewinnen?

Bei einer qualitativen Umfrage dieser Form ist es eben auch das Ziel, neuen Input zu erhalten, eben völlig neue Erkenntnisse zu gewinnen. Diese Erkenntnisse können helfen, die bisher formulierten Lösungsansätze weiterzuentwickeln und an die Meinungen der zukünftigen Kollegen und Vorgesetzen anzupassen.

Erwartungen hatten wir natürlich. Diese wurden insofern übertroffen, als dass mehr Widerstände und vor allem Kritik an innovativen neuen Gesundheitsberufen erwartet wurden. Gerade seitens der Ärzteschaft gingen wir von einer vermehrten Ablehnung aus.

Was hat Sie zu dieser Annahme veranlasst?

Veränderung bedeutet immer erst einmal Chaos und Ablehnung. Mit dem Physician Assistant würde beispielsweise eine jahrzehntelange und bisher auch bewährte Trennung von Ärzteschaft und Pflege durchbrochen werden. Da erwartet man Kritik von beiden Seiten. Die Tonalität war jedoch eine andere. Die Probleme sind so offensichtlich, dass die Beteiligten den Bedarf an neuen Lösungsansätzen erkannt haben und auch einsehen, dass Umstrukturierungen notwendig sind – und dass zusätzlich die Möglichkeit besteht, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

Bestätigt das Ergebnis die Nachhaltigkeit Ihrer Lehre und die Entwicklung von Studienangeboten, wie etwa dem Studiengang Physician Assistant?

Neue Berufe und die dementsprechende Ausbildung zu diesen innovativen Tätigkeiten bergen einige Gefahren, die wir analysieren wollen, um unsere Studierenden darauf geeignet vorzubereiten. Die Ergebnisse der Studie trugen bei der Entwicklung der Studieninhalte bei, denn schließlich sind die Befragten im besten Fall einmal potenzielle Arbeitgeber. Dies bedeutet, dass wir vor der Einführung und Entwicklung neuer Studienangebote wie dem Bachelor-Studium zum Physician Assistant eine solche Studie voranstellen, um unsere Annahmen auch wissenschaftlich zu begründen und die Nachhaltigkeit sicherzustellen.

Über den Autor

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Die adhibeo-Redaktion veröffentlicht regelmäßig Artikel zu verschiedensten Themen der Angewandten Wissenschaften, die an der Hochschule Fresenius stattfinden.

2 Kommentare
  1. Daniela Hog sagte:

    Hallo Frau Becker,
    danke für Ihre Rückmeldung und die von Ihnen genannten Punkte!

    Die Fokussierung auf den stationären Sektor begründet sich darin, dass die erwähnten „neuen“ Gesundheitsberufe vermehrt in diesem Sektor auftreten. Betrachten wir neben dem OTA, CTA und PA noch weitere Gesundheitsberufe, die sich ausschließlich auf den ambulanten Sektor beziehen, wie beispielsweise die VERAH in der Arztpraxis, dann schließe ich mich Ihren an, dass es notwendig ist, den Stellenwert bzw. die Akzeptanz dieser innovativen Berufe zu untersuchen. Ein Nachteil läge darin, dass sich die Befragungszielgruppe deutlich reduziere, da wir im Sinne einer Basisversorgung und entsprechender ambulanter Einrichtungen, wie der Arztpraxis, keine markanten Unterschiede zwischen Kollegium, Vorgesetzen und Unternehmensführung aufzeigen können. In den meisten Fällen ist der niedergelassene Arzt auch der Praxisinhaber. Hierbei wäre zu untersuchen, inwieweit die Meinung des Arztes die „allgemeine“ Stimmung der Akteure des Gesundheitswesens hinsichtlich einer Akzeptanz widerspiegelt.

    Eine Untersuchung auf intersektoraler Ebene erscheint höchst interessant und sicherlich „ideal“, jedoch schwierig abbildbar. Die Berufsbilder, die sich aus Ihren erwähnten Abteilungen ergeben, wie der Versorgungs- /Netzwerkmanager oder Case-Manager beziehen sich im Gegensatz zu den in der Studie untersuchten Berufen weniger auf die eigentliche Behandlung als vielmehr um die Betreuung des Patienten, die natürlich zur Sicherstellung des Versorgungsauftrages beiträgt, sich aber in diesem Punkt unterscheidet. Die Frage stellt sich, wer im Falle der von Ihnen vorgeschlagenen Gesundheitsberufen Auskünfte über die berufliche Akzeptanz geben kann?

    Kammern oder Berufsverbände spielen hierbei eine große Rolle, da stimme ich Ihnen zu. Daher liegt es im Fall des Physician Assistant, der durch seinen Delegationsauftrag ärztlicher Tätigkeiten besonders von Ärztekammern beäugt wird, in unserem Interesse dies zu prüfen. Wir befinden wir uns bereits in entsprechenden Gesprächen. Die Thematisierung als solche sowie Diskussionen und Debatten über diese Berufsbilder tragen dazu bei, dass wir uns hinsichtlich der Probleme aber auch möglicher Chancen mit diesen neuen Professionen auseinandersetzen. Danke für Ihren Beitrag.

  2. Christine Becker sagte:

    Das ist sicher eine sinnvolle Fragestellung. Wie auch bei den Untersuchungen von Boston Consulting oder Roalnd Berger ist der Focus leider nur der stationäre Sektor.
    Alleine aus Gründen der Effizienz und der Kosteneinsparung, aber auch wegen der Sicherung der Basisversorgung der Bevölkerung sollte sich eine Studie über den ambulanten Sektor anschließen. Ideal wäre zudem die Untersuchung des Bedarfs und der notwendigen Qualifizierungen für die intersektorale und interprofessionelle Zusammenarbeit. Berufsbilder wie Praxismanagement, Netzmangement und „Casemangement“ werden da relevant.
    Da nichts ohne die Med. Fakutläten und ohne die ärztlichen und andere medizinische Fachverbände, die Kammern und die KV geht, wäre es gut deren Meinung zu kennen. Außerdem müssen die neuen Gesundheitsberufe in den Pflichtangeboten für Weiter- und Fortbildung thematisiert werden.

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