Wirtschaft und Management

Lebensmittel aus dem Internet

von Redaktion, am 03.01.2018

Kleidung, Bücher und Spielwaren lassen wir uns schon lange per Paket an die Haustür liefern. Doch auch für den Lebensmittelhandel wird der Online-Handel immer interessanter. So ist vor kurzem Amazon fresh in mehreren deutschen Städten in den Online-Lebensmitteleinzelhandel eingestiegen. In einigen Staaten der USA hat sich der Händler jedoch bereits wieder aus dem Markt zurückgezogen. Prof. Dr. rer. pol. Dominik Große Holtforth, Professor für Betriebswirtschaftslehre und Medienwirtschaft und Leiter des E-commerce Instituts an der Hochschule Fresenius Köln, Fachbereich Wirtschaft & Medien, erklärt, warum das so ist.

Einkaufen war bisher immer eine analoge und für viele auch soziale Angelegenheit. Man geht ins Geschäft oder auf den Markt, sucht Ware aus, befühlt Tomaten und Äpfel und unterhält sich am Ende mit der Kassiererin. Doch wie nahezu jedes Produkt sind Lebensmittel nun auch im Internet erhältlich und werden einem bis an die Haustür geliefert. Ist das die Zukunft oder nur ein Experiment? Der E-Commerce-Experte Dominik Große Holtforth hält die Umstände für nicht optimal: „Der Onlinehandel mit Lebensmitteln ist ein schwieriges Geschäft. Die Margen sind sehr gering, gleichzeitig erwartet der Kunde aber auch, dass er online günstiger einkaufen kann als im Laden. Online gibt es auch Einschränkungen bei der Verfügbarkeit von Lebensmitteln, da der Versand verderblicher Produkte zusätzliche Kosten für Logistik und Kühlkette verursacht. Viele Produkte sind einfach nur bedingt lagerfähig.“ Trotzdem ist Amazon fresh jetzt in Hamburg, Berlin und München in den Onlinehandel mit Lebensmitteln eingestiegen. Die Bedingungen dafür seien in Deutschland eher schlecht, meint Große Holtforth: „Wir haben sogar in ländlichen Gebieten eine gute Abdeckung mit Supermärkten, im Durchschnitt sind es nie mehr als 2,4 Kilometer bis zum nächsten Laden. Bei deutschen Kunden spielt darüber hinaus auch immer der Preis eine große Rolle. Wir sind das Land der Discounter und Schnäppchenjäger.“ Die Frage ist also: Warum bietet Amazon Lebensmittel online an?

Jeff Bezos Anspruch lautet: Alles, was handelbar ist, wird auch bei Amazon angeboten

Jeff Bezos, der Gründer von Amazon, hat den Anspruch, einen Laden für alles („The everything store“) zu bieten. Das wird auch in seiner Biografie geschildert. Bezos Anspruch bedeutet: Alles, was handelbar ist, wird auch bei Amazon angeboten. Sein Ziel ist es, Amazon zum kundenzentriertesten Unternehmen der Welt zu machen und alle für Kunden relevanten Produkte zugänglich machen. „Da gehören Lebensmittel natürlich dazu, denn diese bilden auch im echten Leben den größten Anteil im Warenkorb. Das entspricht der Gesamtstrategie des Unternehmens. So soll die Kundenbindung gefestigt werden“, erklärt Große Holtforth. Gleichzeitig werde so auch der sogenannte Customer Lifetime Value erhöht. Darunter versteht man einen durchschnittlichen Wert, den ein Kunde im Laufe der Jahre für ein Unternehmen hat – also die Deckungsbeiträge, die ein Kunde bei einem Unternehmen erzeugt. Auf den Punkt gebracht also der Wert der Kundenbindung. „Bei Zalando dauert die Treuephase im Schnitt etwa zwei Jahre. Danach muss grundsätzlich erneut Marketing betrieben werden, um den Kunden weiter zu erreichen“, erklärt Große Holtforth. Selbstverständlich gehe es Amazon aber nicht bloß um zufriedene Kunden: Wenn eine Beziehung erst einmal bestehe, würden auch alle verfügbaren Daten genutzt. Und je mehr der Kunde kaufe, desto mehr Daten gebe es. Der Handel mit Lebensmitteln passe optimal in diese Strategie, da man Lebensmittel viel öfter bestellen müsse, als zum Beispiel Kleidung oder Bücher.

Von den großen Supermärkten liefert bisher nur Rewe Lebensmittel nach Hause

Bisher gibt es in Deutschland nur wenige Firmen, bei denen man online alle Lebensmittel für den täglichen Bedarf kaufen kann. Von den vier großen Lebensmittelhändlern Rewe, Edeka, Aldi und Lidl liefert vor allem Rewe online getätigte Einkäufe nach Hause. Zudem gibt es noch Firmen wie „Hello Fresh“ und „Kochhaus“, die sogenannte Kochboxen bringen. Darin sind portionierte Lebensmittel und Rezepte für eine Woche. „Das ist ein anderes Geschäftsmodell, das sich an Menschen mit wenig Zeit zum Einkaufen richtet, die nicht wissen, was sie kochen sollen“, sagt Große Holtforth. In Deutschland sei der Marktanteil am Online-Lebensmittelhandel noch immer recht klein, ganz anders als zum Beispiel in Südkorea. „Das hat etwas mit der Siedlungs- und Handelsstruktur zu tun. Dagegen hat England in Europa eine Vorreiterrolle im Onlinehandel“, so Große Holtforth. Und weiter: „Das liegt an der sprachlichen und kulturellen Nähe zu den USA. Für viele Unternehmen aus den USA waren die britischen Inseln – zumindest vor dem Brexit – Brückenkopf nach Europa.

„Anbieter müssen echte Probleme lösen“

Was wären gute Voraussetzungen für den Onlinehandel mit Lebensmitteln in Deutschland? „Die Anbieter müssten echte Kundenprobleme lösen und die Lebensmittelversorgung noch besser machen, als sie schon ist. Mit dem Dash-Button liegt Amazon schon recht weit vorn. Den klebt man zum Beispiel auf die Waschmaschine und drückt ihn, wenn das Waschmittel leer ist. Neues wird dann automatisch nachbestellt. Ein besserer Service wäre also ein Argument, denn über den Preis wird es kaum gehen. Eine Idee wäre zum Beispiel, sich den immer gleichen Wocheneinkauf automatisch liefern zu lassen“, schlägt Große Holtforth vor.

Zum Weiterlesen:
John Rossmann: The Amazon Way: 14 Leadership Principles Behind the World’s Most Disruptive Company
John Rossmann: The Amazon Way on IoT: 10 Principles for Every Leader from the World’s Leading Internet of Things Strategies
Brad Stone: The everything store. Jeff Bezos and the Age of Amazon

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Redaktion
Die adhibeo-Redaktion veröffentlicht regelmäßig Artikel zu verschiedensten Themen der Angewandten Wissenschaften, die an der Hochschule Fresenius stattfinden.

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