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Psychologie und Wirtschaftspsychologie

Künstliche Intelligenz im Handel: Über KI-gesteuertes, mulitsensorisches In-Storemarketing zur Love Brand

Auch Lebensmittel kann man online bestellen. So entfällt der Gang in den Supermarkt. Foto: Designed by Freepik

von Melanie Hahn, am 03.11.2023

Der Handel ist im Zeitalter der Digitalisierung in einem dramatischen Umbruch begriffen. Verstärkt durch die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie verliert der stationäre Einzelhandel an Bedeutung, während der Onlinehandel starke Zuwächse aufweist. Dort haben Kunden zwar eine beinahe unendliche Auswahl, allerdings werden die Produkte austauschbarer und Markenwelten verlieren an Bedeutung. Ein weiteres Problem des stationären Handels ist das sogenannte Showrooming, bei dem Kunden in Geschäften beraten lassen, aber online kaufen. Von daher steht besonders der Premium- und Luxusmode-Einzelhandel vor der Aufgabe, Kunden maßgeschneiderte Markenerlebnisse zu bieten, um Aufmerksamkeit zu erregen, analoge Kaufanreize zu schaffen und langfristige Kundenbeziehungen zu den Stores aufzubauen.

An dieser Stelle kann multisensorisches In- Store-Marketing helfen, das auf verschiedene Sinne des Kunden abzielt, um intensivere Kundenerlebnisse zu schaffen. Ein übergeordnetes Ziel des multisensorischen Marketings ist dabei, Marken in sogenannte Love Brands zu verwandeln, die starke emotionale Bindungen zu Kunden aufbauen.

Im Rahmen des Studiengangs “Digitale Psychologie” unter Betreuung von Prof. Dr. Stefan Gröner wurde in einer empirische Studie von Paulina Stamp untersucht, inwieweit multisensorisches In-Store-Marketing mit dem Zukunftsthema Künstliche Intelligenz (KI) verbunden werden kann, um durch eine bessere Individualisierung das Einkaufserlebnis beim Kunden im Store zu verbessern. Konkret wurde erhoben, inwiefern eine mit Hilfe von KI identifizierte Markenpersönlichkeit dazu beitragen kann, den Kaufprozess im stationären Einzelhandel positiv zu beeinflussen, indem ein zu dieser Markenpersönlichkeit passender Duft ausgespielt wird.

In dem zweistufigen Forschungsansatz wurde im ersten Schritt in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen Mnemonic AI mit Hilfe eines bereits im Markt etablierten KI-Tool die Markenpersönlichkeit einer ausgewählten Premium-Kleidungsmarke ermittelt. Das Ergebnis war, dass die Marke starke Ausprägungen in den Faktoren „Erregung/Spannung“ nach dem Markenpersönlichkeitskonstrukts von Aaker (1997) aufweist. Durch Literaturrecherche und anschließendem Clustering konnten dieser Ausprägung orientalische Duftnoten zugeordnet werden.

Für das im zweiten Schritt durchgeführte, randomisierte Feldexperiment wurde entsprechend ein Mix von orientalischen Duftnote verwendet. Hierbei wurde an Beobachtungstagen in einem abgetrennten Bereich eines Ladens ein In-Store-Konzept mit der ausgewählten Marke entwickelt. Mit Hilfe von fernsteuerbaren Aroma-Diffusern wurde der Duft ausgespielt, sobald die Kunden den Bereich betraten und ihre Verweildauer sowie ihr (Kauf-)Verhalten protokolliert. An den Kontrolltagen wurde kein Duft ausgespielt und lediglich das Verhalten im ausgewählten Bereich im Einzelhandel beobachtet. Im Anschluss an den Besuch wurden die Teilnehmer aus der Kontroll- als auch denen aus der Experimentalgruppe gebeten, einen Online-Fragebogen auszufüllen, bei der zum einen die Wahrnehmung des Duftes, aber auch Aspekte der Kundenpersönlichkeit abgefragt wurden.

Deutliche Verbesserung der Verweildauer im Store durch zur Marke passende Düfte Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass die Experimentalgruppe fast doppelt so lange im In-Store-Bereich der Marke verweilte als die Kontrollgruppe. Die Mehrzahl der Befragten nahm den Geruch im Bereich als angenehm oder neutral wahr (Angenehm: 74%, Neutral: 22%). Dadurch können zum einen Aussagen von Studien gestützt werden, dass Duft unterbewusst zu positiven Auswirkungen im Kundenverhalten führt. Erhöhung des individuellen Brand-Fits durch KI Die im Online-Fragebogen gemessene Kundenpersönlichkeit zeigen darüber hinaus, dass die Käufer der Marke die höchste Ausprägung im Persönlichkeitsmerkmal „Extraversion“ haben, welches mit der höchsten Ausprägung der Marke im Markenpersönlichkeitsmerkmal „Erregung/Spannung“ gleichgesetzt werden kann. Dies kann einen Hinweis darauf geben, dass Personen eher kaufen, wenn die Sensorik einer Marke ihre Persönlichkeit widerspiegelt und damit die Erfolgsaussichten von KI-gesteuerter In-Store- Multisensorik belegen.

Insgesamt zeigen die Ergebnisse dieser Arbeit, dass das KI-gesteuerte, sensorische In- Store- Marketing positive Auswirkungen auf das Konsumentenverhalten haben kann. Des Weiteren legen diese nahe, dass Unternehmen das Potenzial von KI und multisensorischem Marketing nutzen sollten, um nicht nur die Aufmerksamkeit der Kunden zu erregen, sondern auch die Verweildauer und Kaufbereitschaft zu verlängern, was ein wichtiger erster Schritt zum Aufbau von langfristigen Bindungen und besserer Kundenloyalität ist.

Über den Autor

Melanie Hahn
Melanie Hahn ist Teil der adhibeo-Redaktion und arbeitet als Pressesprecherin für die Fachbereiche Wirtschaft & Medien und onlineplus der Hochschule Fresenius.