Gesundheit, Therapie und Soziales

Harmlos oder gefährlich? Die Cannabis-Legalisierung kommt

Foto von Roberto Valdivia auf Unplash: Was ist Cannabis doch für ein hübsches, grünes Pflänzchen. Mit viel Fürsorge gedeiht das Hanfgewächs überall.

von Redaktion, am 06.02.2024

Am 1. April 2024 tritt ein Gesetz in Kraft, dessen Ziel es ist, Cannabis im Betäubungsmittelgesetz von der Liste der verbotenen Substanzen zu nehmen. Damit ist Cannabis zu Konsumzwecken in festgelegter Dosierung für Erwachsene in Deutschland erstmals erlaubt. 

Die Spurensuche zu Experten des brandheißen Themas führt geradewegs zu der Autorin Eva Hoch: „Cannabis“ heißt ihr neuestes und gerade im Druck befindliches Buch (Kosmos Verlag, München, April 2024). Die bekannte Suchtexpertinnen arbeitet als Psychotherapeutin und Leiterin des Instituts für Therapieforschung (IFT) in München. In ihrem Buch geht sie den Risiken, Mythen und dem Nutzen des Cannabis-Konsums nach. Alles was man über die Legalisierung von Cannabis wissen muss, findet man hier. Eva Hoch ist Professorin für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der universitätsgleichgestellten Charlotte Fresenius Hochschule am Standort in München. Sie berät u.a. das Bundesministerium für Gesundheit. Im Gespräch geht die renommierte Wissenschaftlerin auf die wesentlichen Faktoren der bevorstehenden Cannabis-Legalisierung ein.

„Ich will aufklären und informieren“,

beharrt sie. Es gehe ihr darum, Risiken ebenso zu benennen wie die Vorteile des neuen Gesetzes. Die vereinfachte Welt, das Denken in Schwarz-Weiß-Mustern, die Zuspitzung auf ein Entweder-Oder, lässt Eva Hoch nicht zu. Stattdessen geht es ihr um die Versachlichung. Da ist sie ganz die analytische Forscherin.

Legalisierung mit Gefahrenpotenzial

Natürlich gehöre zu den Risiken des neuen Gesetzes, dass Cannabis als Rauschdroge salonfähig werden könnte und sich schnell verbreitet, warnt Eva Hoch im Gespräch mit ADHIBEO. Die Zunahme von Abhängigkeiten kann demnach nicht ausgeschlossen werden. In den letzten zwanzig Jahren hätte sich die Behandlungszahl von Cannabis-bezogenen Störungen in der ambulanten Suchtkrankenhilfe Deutschlands geradezu vervierfacht. Der Konsum könnte etwa auch zum Risiko für psychische Störungen führen (z.B. Psychosen, Depressionen, Angststörungen) oder das Verkehrsgeschehen auf öffentlichen Straßen gefährden. Eine Zunahme dieser Folgen ist leider möglich.

Zu den Vorteilen des neuen Gesetzes gehöre hingegen, dass Menschen aus der kriminellen Stigmatisierung herausfallen. Voraussetzung: Geringe Mengen Cannabis (25 Gramm pro Person für den Eigenverbrauch) dürfen konsumiert werden; der nichtgewerbliche, private Eigenanbau ist strikt geregelt. Der Mensch trifft seine Entscheidungen in Eigenverantwortung. Verbotszonen von zweihundert Metern um Schulen und Kitas müssen eingehalten werden. Wie das allerdings zu kontrollieren ist, bleibt gleichwohl abzuwarten. Ursprünglich wollte die Bundesregierung den Cannabis-Verkauf über lizensierte Fachgeschäfte zum Verkauf anbieten lassen, doch das scheiterte am EU-Recht. Dem Bundesfinanzministerium hätte eine solche Regelung 4,3 Milliarden Euro an Steueraufkommen in die Kassen gespült.

Der menschliche Körper produziert eigenes Cannabis

Bei aller Abwägung in Pro und Contra einer Legalisierung in Deutschland könne man aber auch nicht so tun, als sei Cannabis ein kürzlich erfundenes Teufelszeug, gibt Eva Hoch zu verstehen. Denn Cannabis werde seit Jahrtausenden als Nutz- und Heilpflanze sowie als Droge eingesetzt. Doch erst in jüngerer Zeit versteht man die Wirkung sehr viel besser. In den 1990er Jahren hätten bereits verschiedene internationale Forschergruppen eine wichtige Entdeckung gemacht:  Der menschliche Körper verfügt demnach von Natur aus über ein „Cannabissystem“, das etwa das Schlaf-Wachsystem regelt oder das Knochenwachstum – um nur einige Beispiele zu nennen. Mit anderen Worten: Der Körper produziert eigenes Cannabis, sogenannte Cannabinoide, für sich selbst. Cannabinoide sind am gesunden Funktionieren des Körpers beteiligt – aber auch an der Entstehung von Erkrankungen.

„Hier werden in den nächsten Jahrzehnten viele bahnbrechende Erkenntnisse erwartet.“ (Prof. Dr. Eva Hoch)

Die Folgen und Auswirkungen des neuen Gesetzes werden nach Inkrafttreten evaluiert und erst danach könne man die Legalisierung sachlich beurteilen: Eva Hoch findet diese Vorgehensweise richtig. Abwarten. Resümieren. Analysieren.

Bisher führt den Drogenkonsum in Deutschland klar und eindeutig der Alkohol an – wenn auch rückläufig (Hinweis: Noch nie wurde so viel Wasser auf dem weltgrößten Volksfest, dem Oktoberfest in München, 2023 getrunken!). In der Suchtkategorie folgt der Tabakkonsum. Allerdings auch rückläufig, aufgefangen durch die E-Zigarette. Cannabis belegt Platz 3. Einer US-amerikanischen Studie zur Folge haben allerdings von diesen Konsumenten ein Drittel eine Cannabiskonsumstörung. Ein Warnhinweis? Die Evaluation wird Erkenntnisse bringen. ADHIBEO wird einen weiteren Beitrag mit Frau Professorin Eva Hoch noch im Februar veröffentlichen. Darin geht es um die Auswirkungen der Klimakrise auf die menschliche Psyche: Neueste Erkenntnisse der Psychiatrie und Psychotherapie.

Über den Autor

Redaktion
Die adhibeo-Redaktion veröffentlicht regelmäßig Artikel zu verschiedensten Themen der Angewandten Wissenschaften, die an der Hochschule Fresenius stattfinden.