Psychologie und Wirtschaftspsychologie

Wirtschaft und Management

Trotz Executive Assessment: Der „makellose Manager“ bleibt ein Mythos

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von Redaktion, am 29.10.2015

Dass für Traineepositionen oder Potenzialbewertungen Assessment Center zum Einsatz kommen, ist in der heutigen Wirtschaftswelt weit verbreitet. Aber wie läuft das eigentlich, wenn echte Führungspositionen neu besetzt werden müssen? Für solche Fälle gibt es das Executive Assessment. Prof. Dr. Klaus Stulle, Personalpsychologe an der Hochschule Fresenius Köln und sein Fachkollege Prof. Dr. Stephan Weinert beschäftigen sich mit diesem Thema seit vielen Jahren. Nun haben sie ein Buch dazu herausgegeben.

„Ein entscheidender Unterschied zu gewöhnlichen Assessment Centern ist“, so Stulle, „dass beim Executive Assessment jeder Kandidat einzeln beurteilt wird und so nicht vor Ort auf Konkurrenten trifft.“ Auf Standardverfahren wie die klassischen Gruppenübungen werde somit konsequent verzichtet, stattdessen setze man neben dem zentralen Interview auf ergänzende Vorträge und Rollenspiele. „Außerdem bietet das Internet hier mittlerweile zusätzliche Möglichkeiten, wie beispielsweise eine dezentrale Assessment-Durchführung mittels Video-Stream oder digital aufgezeichnete ‚E-Interviews‘“, erklärt der Personalexperte weiter.

Stulle weist darauf hin, dass beim Executive Assessment – ähnlich wie beim herkömmlichen Gruppenverfahren – weniger Wert auf die Ähnlichkeit des Bewerbers zum vorherigen Stelleninhaber gelegt werden sollte. Das Prinzip „Schmidt-sucht-Schmidtchen“ habe auch hier keine Gültigkeit. Stattdessen sollte die tatsächliche Kompetenz des Kandidaten möglichst objektiv beurteilt und gleichzeitig die personelle Vielfalt im Unternehmen gefördert werden.

Sollte die Personalabteilungen in diesem Zusammenhang nicht auf interne Ressourcen zurückgreifen können oder wollen, besteht die Möglichkeit, sich an externe Beratungsunternehmen zu wenden. Bei der Auswahl eines Anbieters können Unternehmen laut Stulle zwischen verschiedenen Standardisierungsgraden der Verfahren wählen: „Manche setzen es sich zur Aufgabe, möglichst realistisch eine virtuelle Management-Realität abzubilden, um diese dann mittels festgelegter Bewertungskriterien zu beurteilen. Andere dagegen betonen die Einzigartigkeit jedes Executive Assessments und orientieren sich stark an den Kundenerwartungen.“

Am Ende geht es darum, die Stärken der Mitarbeiter zu stärken

„Langfristig gesehen – und das gilt in Zukunft noch viel mehr – wird vor allem die Führungsqualifikation von Entscheidungsträgern für den Erfolg von Unternehmen entscheidend sein“, prognostiziert der Personalexperte. Deshalb sei das Executive Assessment auch ein ausgesprochen zukunftsträchtiges Produkt. Stulle ist sich sicher: „Die Konkurrenz auf diesem Markt wird zunehmen. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, werden sich dann die Executive Assessment-Anbieter immer mehr um die Gunst der Auftraggeber bemühen müssen.“ Das könne auf der einen Seite bald den Preis für diese Dienstleistung senken, auf der anderen Seite sich auch hinsichtlich der Qualität bemerkbar machen.

Die Quintessenz daraus sei, dass der „makellose Manager“ auch weiterhin eine Illusion bleiben werde. „Da sich Schwächen nur begrenzt schwächen lassen, muss die Devise lauten, Stärken zu stärken“, fordert Stulle. Er glaubt, dass die unvermeidlichen Schwächen der Manager zukünftig während der Eignungsbeurteilung weniger stark ins Gewicht fallen. „Dass ihre Stärken verstanden und Manager entsprechend dieser Qualitäten eingesetzt werden, daran ist Unternehmen und Arbeitnehmern gleichermaßen gelegen. Wenn ich an dieser Stelle die Unternehmen zu etwas aufrufen darf, dann dazu, die Fähigkeiten der Bewerber zu verstehen, anstatt sie nur eindimensional zu bewerten“, appelliert Stulle.

Mehr Informationen zum Buch finden Sie hier.

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Die adhibeo-Redaktion veröffentlicht regelmäßig Artikel zu verschiedensten Themen der Angewandten Wissenschaften, die an der Hochschule Fresenius stattfinden.

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