Psychologie und Wirtschaftspsychologie

„Zeit kann subjektiv sehr schnell vergehen, wenn uns etwas viel Freude bereitet“

von Redaktion, am 09.08.2016

In Bayern haben sie gerade erst begonnen, in Nordrhein-Westfalen sind sie schon fast wieder rum: die Sommerferien. Schülern geht die freizeitintensivste Zeit des Jahres viel zu schnell vorbei, wie man immer wieder hört. adhibeo hat bei den Psychologen Prof. Dr. Katja Mierke und Prof. Dr. Fabian Christandl kurz nachgefragt, warum man so empfindet.

Frau Prof. Mierke, Herr Prof. Christandl in vielen Bundesländern sind derzeit Sommerferien. Von Schülern hört man immer wieder, dass diese Zeit wahnsinnig schnell vergeht. Warum hat man diesen Eindruck?

Katja Mierke: Auf der anderen Seite hört man von Schülern aber auch das Gegenteil: dass ihnen die Sommerferien nämlich wahnsinnig lange vorgekommen sind bzw. die Schulzeit davor unendlich weit weg erscheint. Dieser Widerspruch ist sehr häufig zu finden. Aus psychologischer Sicht kann man ihn so erklären: Auf der einen Seite kann die Zeit subjektiv sehr schnell vergehen, geradezu verfliegen, wenn uns etwas viel Freude bereitet, wir in einer Tätigkeit ganz aufgehen. Während einer solchen Flow-Erfahrung vergessen wir alles um uns herum, auch die Zeit.

Auf der anderen Seite empfinden wir abwechslungsreiche und vielseitige Tätigkeiten als länger andauernd, einfach weil wir uns ständig in neue Bereiche „eindenken“ müssen und mit wechselnden Situationen konfrontiert sind. Das trifft sicher auch auf Urlaubserlebnisse zu, bei denen wir weit weg von der Alltagsroutine zahlreiche neue Eindrücke sammeln. Zugleich sind diese meist sehr positiv, daher das paradoxe Zeitempfinden.

Fabian Christandl: An dieser Stelle möchte ich noch etwas Interessantes ergänzen: Laut einer Studie empfindet man die Fahrt in den Urlaub als kürzer, als die Rückfahrt aus dem Urlaub. Das geht konform mit dem, was Frau Mierke eben gesagt hat: Die Vorfreude ist bei der Anreise eben groß, man ist positiv gestimmt und die Zeit vergeht schnell. Bei der Heimreise denkt man dagegen schon wieder an all die Aufgaben, die einen Zuhause erwarten – was durchaus bei dem einen oder anderen zu schlechter Laune führen dürfte.

Momente, in denen wir positiv empfinden, fliegen also vorbei – irgendwie schade. Wie ist es denn mit den Momenten, in denen wir Angst haben oder uns bedroht fühlen?

Katja Mierke: Insbesondere unangenehme Geräusche oder Bilder sowie Gesichter, die negative Emotionen wie Wut ausdrücken, werden subjektiv als länger andauernd wahrgenommen. Das konnte in verschiedenen Studien gezeigt werden. Bedrohung löst eben physiologische Erregung aus: Puls, Blutdruck und Stresshormonspiegel steigen, und das scheint auf neurophysiologischer Ebene tatsächlich den inneren Taktgeber zu beschleunigen und damit die Zeit „auszudehnen“. Für den Betroffenen kann das den Vorteil haben, dass man in einem solchen Zeitlupenfenster sehr konzentriert und effizient handeln kann – übertrieben wird das in einigen Szenen der Matrix-Trilogie dargestellt.

Fabian Christandl: Es gibt beim Zusammenhang von Emotionen und Zeitwahrnehmung übrigens noch ein weiteres interessantes Phänomen: Wenn Menschen das Gefühl haben, die Zeit schreite schneller voran, bewerten sie Tätigkeiten, aber auch Lieder oder Geräusche, positiver – selbst wenn sie in dieser Hinsicht manipuliert wurden.

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Die adhibeo-Redaktion veröffentlicht regelmäßig Artikel zu verschiedensten Themen der Angewandten Wissenschaften, die an der Hochschule Fresenius stattfinden.

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