Geschenk

„Wir haben eine Art ‚Werbeimmunsystem‘“

Lebkuchen oder doch lieber ein Schoko-Weihnachtsmann? Parfüm oder ein Erlebnisgutschein? Egal ob wir Geschenke für die Familie und Freunde kaufen oder uns selbst etwas gönnen möchten: Die Auswahl an Produkten und Angeboten scheint gerade in der Weihnachtszeit schier endlos. Auf welche Kriterien wir uns letztendlich beim Kauf verlassen und mit welchen Strategien uns Hersteller und Händler in Versuchung führen möchten, erklärt Marketingexperte Prof. Dr. Joost van Treeck, Studiendekan des Masterstudiengangs Wirtschaftspsychologie (M.Sc.) an der Hochschule Fresenius in Hamburg.

VERTRAUEN IN DIE MARKE ZÄHLT FÜR MEHR ALS JEDEN DRITTEN KONSUMENTEN ZU DEN WICHTIGSTEN KRITERIEN, NACH DENEN KAUFENTSCHEIDUNGEN GEFÄLLT WERDEN. DAS HAT DIE BERATUNGSFIRMA PWC IN EINER INTERNATIONALEN KONSUMENTENBEFRAGUNG HERAUSGEFUNDEN. WELCHE FAKTOREN SIND IM ALLGEMEINEN NOCH IM SPIEL, WENN WIR EIN BESTIMMTES PRODUKT ODER EINE MARKE WÄHLEN?

Man kann davon ausgehen, dass im Grunde jede Kaufentscheidung darauf beruht, welchem Produkt oder welcher Marke ich am meisten vertraue. Das gilt, sobald ich mehr als ein Produkt zur Auswahl habe und mein Budget ausreicht. Vertrauen ist quasi das Ergebnis aller Marketingmaßnahmen, mal auf einem hohen Niveau bei einem Automobil und mal auf einem niedrigen Niveau, sagen wir bei Lebkuchen. Alleine faktische Größen, wie die Verfügbarkeit und mein Budget, haben neben dem Vertrauen einen Einfluss. Innerhalb meines Budgetrahmens fällt bei jedem Kauf also die Entscheidung für das verfügbare Produkt mit dem für mich besten Preis-Vertrauens-Verhältnis.

GELTEN DIESE KRITERIEN AUCH VOR WEIHNACHTEN ODER SETZT DIESE AUSNAHMESITUATION ALLE REGELN AUSSER KRAFT? EINE ANDERE PWC-STUDIE HAT BEISPIELSWEISE GEZEIGT, DASS SIEBEN VON ZEHN KONSUMENTEN GERADE ZU BESONDEREN ANLÄSSEN WIE WEIHNACHTEN GEZIELT MARKENPRODUKTE KAUFEN

Hier liegt es nahe, dass sich vor allem der Budgetrahmen verändert und damit das wahrgenommene Preis-Vertrauens-Verhältnis. Und im Falle von Geschenken fällt die Entscheidung aus der Intention heraus, eine Freude zu bereiten, unabhängiger von den für sich selbst geltenden Ideen zum Produkt oder der Marke. Das Vorgehen ist ja eher, dass ich einen gegebenen Budgetrahmen habe und im Rahmen von, sagen wir zwanzig Euro, etwas kaufe, das dem Beschenkten viel Freude bereitet. Rationale Kosten-Nutzen-Betrachtungen spielen da eine untergeordnete Rolle.

IN DER WEIHNACHTSZEIT SETZT DIE WERBUNG HÄUFIG AUF EMOTIONALE GESCHICHTEN, DAS EIGENTLICHE PRODUKT ODER DIE MARKE KOMMEN DABEI TEILS NUR AM RANDE VOR. WELCHE STRATEGIE STECKT DAHINTER? BLEIBT UNS DIE MARKE/DAS PRODUKT DABEI ÜBERHAUPT IM GEDÄCHTNIS?

Wir nehmen Werbung im Allgemeinen als nervig und störend wahr, zappen weg oder verwenden Adblocker im Internet. Tatsächlich hat die Werbeindustrie es geschafft, Weihnachten zu einer Zeit zu machen, in der wir etwas feinsinnigere, unterhaltsamere, schönere Werbung geboten bekommen und für diese dann auch offener sind. Hier ist es aber wichtig, den Kunden nicht mit plumpen Kaufangeboten zu bombardieren. Wir Menschen haben eine Art „Werbeimmunsystem“, das alles herausfiltert, was werblich wirkt. Daher ist es ein sinnvoller Weg, Werbung zu gestalten, die Marken und Produkte in den Hintergrund stellt, so wie wir es zu Weihnachten nun häufiger erleben. Und für den Werbenden ist es letzten Endes sinnvoller, viele Menschen mit einer leisen Markenbotschaft zu erreichen, als kaum einen Kunden mit einem lauten, dreisten Verkaufs-Spot.

TREFFEN WIR IN DER WEIHNACHTSZEIT AUCH RATIONALE KAUFENTSCHEIDUNGEN? ODER LASSEN WIR UNS GERADE IN DIESER ZEIT VON IMPULSEN LENKEN, KAUFEN MEHR ODER TEURER ALS GEPLANT?

Wir wissen, dass wir in guter Stimmung etwas weniger rational entscheiden als in gedrückter Stimmung. In einer glitzernd erleuchteten, nach Lebkuchen duftenden, freudigen Weihnachtsstimmung können damit schon mal weniger rationale Entscheidungen getroffen werden. Letzten Endes ist aber jede freie Kaufentscheidung für den jeweiligen Moment die psychologisch nutzenstiftendste Alternative für den Konsumenten.