Wirtschaft und Management

Low-Performance und Langzeiterkrankung: Härtefälle für den Arbeitgeber

von Redaktion, am 10.11.2014

Was tun, wenn ein Angestellter mit seiner Arbeit eindeutig überfordert ist? Oder er krankheitsbedingt jedes Jahr viele Wochen fehlt? Ein neues Praxishandbuch zeigt Arbeitgebern auf, wie in derartigen Fällen reagiert werden kann. Die Kündigung sei häufig zwar möglich, dürfe allerdings nur die Ultima Ratio sein, sagt Mitherausgeber Prof. Dr. Michael Fuhlrott, Studiendekan Business Law an der Hochschule Fresenius Hamburg.

In Deutschland kann ein Arbeitgeber, der mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, einen länger als sechs Monate angestellten Mitarbeiter nur unter Angabe eines triftigen Grundes entlassen. So sieht es das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) vor. Laut KSchG kann die Entlassung etwa mit der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens begründet werden, wenn zum Beispiel Gehaltszahlungen aufgrund fehlender Liquidität nicht mehr zu leisten sind.

Ebenfalls ist es legal, dem Arbeitnehmer zu kündigen, wenn dieser mit gravierenden Verhaltensverfehlungen auffällig geworden ist: „Stellen Sie sich vor, Sie sind Chef eines mittelständischen Unternehmens. Auf dem Heimweg vom Büro begegnen Sie zufällig Ihrem Angestellten Müller, wie er eine Runde joggt – dabei hatte er sich noch am Morgen des gleichen Tages mit einer schweren Erkältung von der Arbeit abgemeldet“, schildert Prof. Dr. Michael Fuhlrott, Studiendekan Business Law an der Hochschule Fresenius Hamburg und Mitherausgeber des „Praxishandbuchs Low-Performance, Krankheit, Schwerbehinderung“, einen fiktiven Fall.

In diesem Beispiel könne man dem Angestellten den Tatbestand der Vortäuschung von Arbeitsunfähigkeit nachweisen, „eine sogenannte verhaltensbedingte Kündigung wäre dann rechtens“, so Fuhlrott. Uneindeutiger werde es, hätte der Arbeitnehmer im geschilderten Fall seine Absenz mit einer Burnout-Erkrankung begründet: „Das Joggen wäre dann kein genesungswidriges Verhalten mehr. Als Arbeitgeber müssten Sie das durchgehen lassen“, weiß der Rechtsprofessor.

Die Möglichkeit personenbedingter Kündigungen besteht – sofern bestimmte Kriterien erfüllt sind

Was aber, wenn sich das Burnout-Leiden des Angestellten zu einer langwierigen Krankheitsgeschichte entwickelt, er deswegen über Jahre hinweg immer wieder nicht zur Arbeit erscheinen kann? Muss das der Arbeitgeber trotz damit einhergehender Probleme und Einbußen ebenfalls durchgehen lassen? „Im Gesetz steht, dass man in einem solchen Fall eine sogenannte personenbedingte Kündigung in Erwägung ziehen kann, allerdings nur sofern bestimmte Kriterien erfüllt sind“, erklärt Fuhlrott. So könne ein Unternehmen diese Möglichkeit beispielsweise prüfen, wenn der Angestellte wegen seiner Burnout-Erkrankung in den letzten drei Jahren jeweils sechs oder mehr Wochen gefehlt habe. Zudem müsse die weitere gesundheitliche Prognose negativ sein, die Betriebsabläufe müssten überdies durch die häufigen Ausfallzeiten gestört sein.

„Natürlich trägt ein Unternehmen aber auch Verantwortung für seine Mitarbeiter. Die Kündigung sollte deswegen die Ultima Ratio, der letzte Lösungsweg, sein und erst in Betracht gezogen werden, wenn alle Register gezogen wurden“, gibt Fuhlrott zu bedenken und ergänzt: „In Fällen personenbedingter Kündigungen geht es immer auch um ethische Fragen.“

Dennoch gebe es manchmal Situationen, in denen ein Unternehmen vor arbeitnehmerverursachten Problemen nicht mehr die Augen verschließen könne: „Nehmen wir an, ein Angestellter in einer Schraubenfabrik ist nach einer technischen Umstellung im Betrieb nicht mehr in der Lage, seine Arbeit effizient zu verrichten. Während seine Kollegen – sagen wir über einen Zeitraum von einem Jahr hinweg – durchschnittlich 20 Schrauben pro Tag fertigen, schafft er gerade einmal fünf“, schildert Fuhlrott einen weiteren fiktiven Fall.

Auch bei Low-Performance sollte die Entlassung nur die letzte Option sein

Wenn nun auch Schulungen und Weiterbildungen keine Verbesserung herbeiführten, müsse sich der Arbeitgeber Gedanken über die Fortsetzung oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses machen. „Mit technischen Neuerungen kommen vor allem ältere Arbeitnehmer nicht immer zurecht. Wenn diese aber ohnehin bald aus dem Unternehmen aus- und in die Rente eintreten, sollten die Verantwortlichen versuchen, den betroffenen Low-Performer bis dahin zu halten“, so Fuhlrott. Denkbar sei in einem solchen Fall auch die Umsetzung auf einen anderen Arbeitsplatz, sofern vorhanden.

Sind die genannten Anforderungen erfüllt, spricht aus juristischer Sicht nichts gegen eine Kündigung wegen geringer Leistung. Der Schritt sollte allerdings nicht gewagt werden, wenn Belege für die Low-Performance fehlen: „Der Arbeitgeber muss die Kündigung anhand von Leistungsdaten begründen, die über einen repräsentativen Zeitraum hinweg gesammelt wurden“, erklärt Fuhlrott. Die Rechtsprechung lege hier einen strengen Maßstab an.

„Letztlich ist es aber auch immer eine Frage der Unternehmenspolitik, wie man mit solchen Problemkonstellationen umgeht. Das Arbeitsrecht kann hier nur den notwendigen rechtlichen Rahmen schaffen, die unternehmerische Entscheidung trifft stets der Arbeitgeber“, gibt Fuhlrott zu bedenken.

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Die adhibeo-Redaktion veröffentlicht regelmäßig Artikel zu verschiedensten Themen der Angewandten Wissenschaften, die an der Hochschule Fresenius stattfinden.

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