Wirtschaft und Management

Wie junge Wähler ins Netz gehen

von Redaktion, am 26.09.2013

Angela Merkel hat einen beachtlich großen Teil der deutschen Wahlberechtigten hinter sich versammeln können, das hat das Ergebnis der Bundestagswahl gezeigt. Doch wie viele ihrer Unterstützer finden sich unter den jüngeren Wählern? Vergleichsweise weniger, belegen Statistiken. Bei der US-Wahl 2012 verhielt sich das ganz anders: Damals holte Barack Obama rund 60 Prozent der Stimmen bei den unter 29-Jährigen – was ihm schließlich die Wiederwahl bescherte. Grund für seine Beliebtheit bei jungen Menschen sei auch Obamas Präsenz im Internet gewesen, heißt es in einer Bachelorarbeit, die nun an der Hochschule Fresenius München erschienen ist.

Rasend schnell hatte sich das Video im Internet verbreitet: Nach dem Sieg bei der Bundestagswahl feiert die gesammelte CDU/CSU-Prominenz zu den Klängen der Toten Hosen auf dem Pressepodium. Ausgelassen singt der CDU-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder dabei den Refrain von „An Tagen wie diesen“ ins Mikrofon, Angela Merkel klatscht dazu im Takt. Mehr als 50 000 Menschen haben das Video mittlerweile auf YouTube angesehen, die meisten von ihnen wurden über Facebook und Twitter darauf aufmerksam.

Erst jetzt nach dem Ende des Wahlkampfs scheint die Union die Möglichkeiten des Web 2.0 ausschöpfen zu wollen. Wären Videos mit ähnlichem viralem Potential schon früher platziert worden, womöglich hätte man einige junge und internetaffine Wähler mehr mobilisieren können: Laut der Forschungsgruppe Wahlen machte von den unter 29-jährigen Wahlberechtigten nämlich nur jeder Dritte sein Kreuz bei der Union, in der Gesamtbevölkerung lag der Stimmenanteil dagegen bei rund 42 Prozent.

Ein Grund für dieses schlechte Abschneiden könnte die schwache Präsenz der Partei in den sozialen Medien sein. Zumindest legt das eine Bachelorarbeit nahe, die an der HS Fresenius München erschienen ist. Die Wirtschaftspsychologin Barbara Wüst hat sich darin mit dem US-Wahlkampf 2012 auseinandergesetzt. Den gewann bekanntermaßen Barack Obama, der das Amt des US-Präsidenten nun für eine weitere Legislaturperiode ausfüllt. Die wahren Gewinner der US-Wahlen seien aber die sozialen Medien gewesen, heißt es in der auf Englisch verfassten Thesis. Denn sie hätten dafür gesorgt, dass „the youth in particular got more involved in the presidential campaigns.“

Junge Wähler verhalfen Obama 2012 zum Sieg – auch, weil sein Wahlkampfteam ihre Sprache verstand

Die Jugend war es nämlich, die Obama auf die Siegerstraße brachte: 60 Prozent der unter 29-Jährigen stimmten 2012 für ihn, für seinen Widersacher Mitt Romney votierten nur 36 Prozent. Eingedenk dessen, dass Obama am Ende mit nur 4 Prozentpunkten Vorsprung ins Amt gewählt wurde, wird die Bedeutung dieser Zahlen klar.

Dabei dürfe man natürlich nicht vergessen, dass Obamas Demokraten bei den jungen Wählern generell beliebter sind, weil sie „more liberal attitudes“ an den Tag legen, schreibt Wüst. Dennoch seien die Social-Media-Aktivitäten von Obamas Wahlkampfteam – man geht davon aus, dass diese Aktivitäten von mehr als 2000 offiziellen und ehrenamtlichen Helfern gesteuert wurden – für den Wahlausgang entscheidend gewesen. Obamas Helfer hätten im Internet eher die Sprache der Digital Natives gesprochen und erkannt, „that the real power of social network sites was not in the amount of posts or tweets published by the presidential campaigns but in user engagement that spread the content on diverse social media platforms.“

Als Beispiel für eine solche Plattform nennt Wüst die Seite www.barackobama.com. Hier erhält der Nutzer nach der Registrierung Zugang zu einem riesigen Netzwerk aus Obama-Unterstützern, die sich ständig über neueste Entwicklungen austauschen, Wahlkampfideen diskutieren und Aktionen planen. Auch etablierte soziale Netzwerke wurden von Obama und seinem Team zur Mobilisierung der Wählerschaft genutzt, wie die Wirtschaftspsychologin berichtet. Neben Facebook spielte im US-Wahlkampf 2012 der Kurznachrichtendienst Twitter eine ganz entscheidende Rolle: Dort hatte Obama über 20 Millionen Follower – und damit 20 Mal so viele wie sein Kontrahent Mitt Romney, der hier zudem kaum Nachrichten an seine Anhänger richtete. Obama war seinem Mitbewerber in Sachen Social Media also weit voraus. Er erkannte das dort vorhandene Potential und wusste es zu seinen Gunsten zu nutzen, schreibt Wüst in ihrem Fazit.

Angela Merkel hat die Bundestagswahl gewonnen – auch ohne Twitter-Account

Für den zurückliegenden Wahlkampf in Deutschland kann man dieses Fazit nicht ziehen: Bei Angela Merkel blieben die Möglichkeiten des Web 2.0 weitestgehend ungenutzt. Einen offiziellen Angela Merkel-Account sucht man bei Twitter vergeblich, die Kommunikation hier übernimmt stattdessen Regierungssprecher Steffen Seibert. Bei Facebook ist Merkel zwar vertreten, hat dort aber im Vergleich zu einem Social-Media-Superstar wie Barack Obama eine vergleichsweise winzige Anhängerschaft: den rund 400 000 „Gefällt mir“-Angaben bei Angela Merkel stehen mehr als 36 Millionen bei Barack Obama gegenüber.

Angela Merkel hat auch ohne großangelegte Social-Media-Kampagne den Wahlsieg errungen. Insofern kann man ihr hier kein Versäumnis vorwerfen. Wenn sie aber beim nächsten Mal mehr junge Wählerinnen und Wähler mobilisieren will, wird sie wohl im Netz präsenter sein müssen – vor allem, da der Anteil der Digital Natives unter den Wahlberechtigten kontinuierlich steigt. „Die politische Kommunikation wird auch in den Deutschland in den nächsten Jahren stärker über die sozialen Medien ablaufen“, ist sich Barbara Wüst deshalb sicher. Sie hat gefallen am Bereich Social Media gefunden und absolviert derzeit ein Praktikum bei einer Online-PR-Agentur. Wer weiß, vielleicht ist sie es, die im nächsten Wahlkampf jenes Video in Umlauf bringt, das sich tausendfach über die sozialen Netzwerke verbreitet.

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Die adhibeo-Redaktion veröffentlicht regelmäßig Artikel zu verschiedensten Themen der Angewandten Wissenschaften, die an der Hochschule Fresenius stattfinden.

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