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Wirtschaft und Management

Wie die Digitalisierung die Preise verändert

von Redaktion, am 18.10.2017

Mit der Digitalisierung haben sich neue Geschäftsmodelle entwickelt, die auch neue Preisstrategien erfordern. Prof. Dr. Yorck von Borcke, Leiter der Media School und Studiendekan des Masterprogramms Digitales Management an der Hochschule Fresenius in Hamburg, hat sich ausführlich mit dieser Entwicklung beschäftigt. Für die Neuauflage von Philip Kotlers „Marketing Management“- Buch, dem weltweit erfolgreichen Standardwerk im Bereich Marketing, hat er zu diesem Thema einen Beitrag geschrieben.

Die Digitalisierung habe neue Produkte hervorgebracht, beispielsweise Plattformen wie Xing oder Streamingdienste wie Netflix und Spotify. „Diese neuen, digitalen Services erfordern andere Pricingstrategien als wir sie von physischen Produkten gewohnt sind. Darauf muss man die Studierenden vorbereiten“, erklärt von Borcke. Um möglichst viele Nutzer zu generieren, würden diese Dienste oftmals zunächst kostenlos angeboten. „Das ist mit physischen Produkten nur schwer möglich, da dies zu negativen Deckungsbeiträgen, sprich Verlusten, beim Anbieter führt“, so von Borcke. Der  Trick sei nun, nach dem kostenlosen Start nach und nach ein zusätzliches kostenpflichtiges Premium-Angebot einzuführen („Freemium“). Sobald eine kritische Masse aufgebaut sei, könnten Beiträge eingeführt werden. „Haben sich die Nutzer erst einmal an ein Produkt gewöhnt und es ist ein sogenannter „Lock-In Effekt“ beim User gelungen, hofft man darauf, dass sie auch bei einer Beitragseinführung mitgehen und das Zusatzangebot buchen“, führt von Borcke aus.

Individuelle Preise für jeden

In der Zukunft könnte es für jeden Kunden eigens angepasste Preise geben. Von Borcke: „Die Voraussetzungen für Marketing-Entscheider haben sich sehr verändert, insbesondere durch große Online-Händler wie Amazon, die schon heute eine dynamische Preisstrategie verfolgen und ihre Preise dem Konkurrenz- und Nachfrageverhalten, teilweise mehrmals täglich, anpassen. Angesichts der hohen Datenvolumina, die Unternehmen dabei verarbeiten müssen, wird eine aktive und dynamische Pricingstrategie zunehmend wichtig und auf Machine Learning und KI-Verfahren (künstliche Intelligenz) aufbauen müssen. Hierauf bereiten wir die Studierenden im Master Studiengang Digitales Management optimal vor.“

Informationen zum Masterstudiengang Digitales Management an der Hochschule Fresenius erhalten Sie hier.

Lesen Sie hier den Gastbeitrag von Prof. Dr. Yorck von Borcke aus dem „Marketing Management“-Buch:

Mit der zunehmenden Digitalisierung unserer Wirtschaft haben sich neue Geschäftsmodelle und damit verbunden auch neue Preisstrategien entwickelt. Der Preis bzw. Nicht-Preis nimmt dabei eine immer wichtigere Position bei der Kauf- bzw. Nutzenentscheidung von Digital-Kunden ein. Eine richtig gewählte Preisstrategie kann dazu beitragen, Userzahlen zu erhöhen sowie Erlöse signifikant zu steigern.

Klassische Preisstrategien lassen sich oftmals nicht anwenden, da digitale Güter wichtige Besonderheiten aufweisen, die sie im Hinblick auf eine zielführende Preisstrategie grundlegend von materiellen Gütern unterscheiden: Digitale Güter lassen sich zu sehr geringen Kosten kopieren, speichern und übertragen und der Wert steigt mit der Anzahl ihrer Nutzer („Netzwerkeffekt“). Auch erfolgt die Güterproduktion oftmals durch den User selbst, wenn z.B. Fotos, Filme oder Texte online eingestellt werden („User-Generated-Content“). Facebook beispielsweise bezieht seine Anziehungskraft auch durch seine schiere Größe und Anzahl der Mitglieder: über 1 Mrd. Menschen sind hier täglich online und produzieren millionenfachen Content.

Nachfolgend werden ausgewählte Preis-Erfolgsstrategien im digitalen Geschäft vorgestellt:

Preisstrategie: Free-/Freemium

Viele Unternehmen in der digitalen Ökonomie agieren als Plattformen: sie bringen Anbieter und Nachfrager zusammen, vermitteln beispielsweise Wohnungen auf Zeit (AirbnB), Taxidienste (myTaxi, Uber) oder berufliche Kontakte (XING, LinkedIn). Für diese Plattformen gelten positive Netzwerkeffekte. Das bedeutet am Beispiel von XING: je mehr Nutzer und Profile die Plattform aufweist, umso attraktiver wird es, sich genau hier anzumelden und sein berufliches Netzwerk auf- und auszubauen. Auch für Arbeitgeber steigt die Attraktivität der Plattform mit einer wachsenden Mitgliederanzahl, da sich hierdurch die Chancen erhöhen, geeignete, neue Mitarbeiter über das Netzwerk zu finden. Für die Betreiber solcher Plattformen hat das die Implikation, möglichst schnell, möglichst viele Mitglieder für das Angebot gewinnen zu müssen, da in der digitalen Ökonomie oftmals nur ein Anbieter das Rennen macht („Winner takes it all Prinzip“). Um ein schnelles Nutzerwachstum realisieren zu können, ist daher die kostenlos-Preisstrategie („Free“) ein häufig eingesetztes Instrument.

Haben sich die Nutzer erst einmal an die Plattform gewöhnt, sich mit anderen Mitgliedern vernetzt und ihre persönlichen Daten für die berufliche Kontaktpflege genutzt, setzt der zweite Teil der Preisstrategie ein: die sogenannte „Freemium-Preisstrategie“: Über Zusatzfunktionalitäten, beispielsweise die Darstellung der Besucher des eigenen Profils, erweiterte Suchfunktionen im Netzwerk, eine prominentere Darstellung in der Mitgliedersuche, interessante Partner-Angeboten oder aber auch die Einschränkung des freien  Angebotes, wird versucht, bislang kostenlose Nutzer in Premium-Accounts und damit zu Bezahlkunden zu überführen.

Preisstrategie: Dynamische Preisdifferenzierung

Viele digitale Geschäftsmodelle setzen ausschließlich auf Gratis Angebote für ihre Nutzer und verdienen Geld mit Werbung, so auch Facebook und Google. Für diese Unternehmen geht es darum, möglichst genaue Nutzerprofile zu gewinnen und diese dann an die werbetreibende Wirtschaft zu vermarkten. Dabei wird zunehmend Mediabudget in digitalen Umfeldern platziert, da zum einen hier die Nutzung steigt und zum anderen (im Vergleich zu klassischen Werbeträgern) geringere Streuverluste entstehen und eine bessere Werbeerfolgskontrolle technisch möglich ist. Ein Algorithmus berechnet dabei anhand von Gebot des Werbetreibenden und Klickwahrscheinlichkeit des Users, welche Werbeanzeige dem Nutzer eingeblendet wird. Mit dieser intelligenten Preisstrategie der dynamischen Preisdifferenzierung lässt sich der Werberaum für Google & Co optimal auslasten und der Werbeumsatz maximieren.

Grundsätzlich lassen sich folgende Empfehlungen festhalten:

Kostenlos starten: Erfolgreiche Online-Geschäftsmodelle beginnen oft mit einem kostenlosen Angebot („Free“), um schnell eine kritische Masse an Nutzern aufzubauen. Denn oft gilt das „The Winner takes it all“-Prinzip in digitalen Märkten, wo nur der Marktführer dauerhaft bestehen kann.

Freemium-Preismodell erweitern: Ist eine kritische Masse an Usern erreicht, kann über Premiumangebote versucht werden, Kundenbeziehungen zu verstetigen und regelmäßige Cash-Flows zu generieren.

Preise dynamisch differenzieren: Zur Umsatzmaximierung und optimalen Auslastung der Werbeflächen lassen sich im digitalen Marketing Preise dynamisch und in Echtzeit differenzieren. Dabei erfolgt die Preisfindung zunehmend vollautomatisch über einen Auktionsmechanismus („Programmatic Advertising“).

Da sich Zielgruppen immer stärker im Netz bewegen und die Nachfrage nach digitalen Angeboten steigt, gewinnen auch digitale Preisstrategien als Steuerungsinstrument an Bedeutung. Die Preisfindung der Zukunft wird verstärkt datenbasiert und mit Hilfe von Softwaresystemen (Algorithmen) ablaufen: Eine Pricing-Software testet und misst dabei den Zusammenhang zwischen Preisänderung und Nachfrageverhalten. Auf Basis der Ergebnisse können Preise dann automatisiert und auch individuell angepasst werden und so eine optimale Gewinnmarge ermöglichen.

 

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Die adhibeo-Redaktion veröffentlicht regelmäßig Artikel zu verschiedensten Themen der Angewandten Wissenschaften, die an der Hochschule Fresenius stattfinden.

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