Psychologie und Wirtschaftspsychologie

Sport und Tourismus

„Es gibt sehr gute Gründe, bei der EM zu werben“

von Redaktion, am 23.06.2016

Die EM ist für viele Unternehmen eine ideale Werbeplattform – warum eigentlich? Welchen psychologischen Mechanismus machen sich die Firmen hier zunutze? Im Interview geht der Wirtschaftspsychologe Prof. Dr. Peter Bak auf diese Fragen ein und versucht zu erörtern, ob die Angst vor Hooligans und Terroristen für die werbenden Unternehmen negative Auswirkungen hat.

Herr Prof. Bak, Sie haben vor kurzem das Essential „Erfolgreiche Kundenansprache nach Plan“ veröffentlicht. Ein Event wie die Europameisterschaft wird natürlich genau zu diesem Zweck genutzt: Unternehmen versuchen die Zuschauer vor dem Fernseher, auf den Fanmeilen oder in den Stadien von sich zu überzeugen und bestenfalls als Kunden zu gewinnen. Warum eignet sich ein Event wie die EM so gut für die Kundenansprache?

Das hat zwei zentrale Gründe. Zum einen ist die Reichweite bei einem solchen Event sehr groß, ich kann also sehr viele Zuschauer ansprechen.  Zum anderen ist Fußball nun einmal eine hoch emotionale Angelegenheit. In der Regel macht es Spaß, Fußball zu schauen, selbst, wenn die eigene Mannschaft vielleicht verliert.

Das hat wiederum zwei bedeutende Vorteile. Zum einen wissen wir aus der Emotionspsychologie, dass Emotionen zum Lernen sehr bedeutsam sind, die Werbebotschaft wird also gut behalten. Zum anderen kann eine Marke oder ein Produkt durch die positive Stimmung beim Fußballschauen positiv aufgeladen werden. Und schließlich kann man sich seiner Zielgruppe in einem Kontext präsentieren, in dem es nicht in erster Linie ums Verkaufen geht, sondern um Freude und Spannung. Dadurch reduziert man auch denkbare negative Effekte, die sich aus der wahrgenommen Beeinflussungsabsicht ergeben könnten. Insgesamt also sehr gute Gründe, bei der EM zu werben.

Auf den Banden in den EM-Stadien sind auch die Namen von Unternehmen zu lesen, die in Europa bislang noch völlig unbekannt sind. Nach welchem „Plan“, um den Titel ihres Essentials aufzugreifen, gehen diese Unternehmen vor und warum haben sie gerade den Werbekanal „Bande“ ausgewählt?

Auch hier ist als erstes die Reichweite zu nennen. Zum anderen sind die Preise für Bandenwerbung zwar gestiegen, aber immer noch günstig im Vergleich zu regulärer TV-Werbung etwa. Bandenwerbung eignet sich daher gerade wenn es darum geht, Aufmerksamkeit zu erzeugen und sich einem großen Zuschauerkreis bekannt zu machen. Die neuen Möglichkeiten der digitalen Banden verstärken die aufmerksamkeitserzeugende Wirkung noch erheblich, da nun mit bewegten Bildern gearbeitet wird.

Ziel der uns noch unbekannten Marken – etwa „SOCAR – Energy of Azerbaijan“ – ist es, eben gerade durch die massive Bandenpräsenz Bekanntheit in Europa zu erlangen. Immerhin ist das Unternehmen seit 2009 in Deutschland vertreten und verfolgt dabei einen Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen. Eine stärkere mediale Präsenz und Bekanntheit kann da nur helfen.

Mit welchen empirischen Methoden versuchen die Unternehmen, die die EM als Werbeplattform nutzen wollen, im Anschluss festzustellen, ob ihre Maßnahmen erfolgreich waren?

Hier wird auf das ganze Repertoire der Werbewirkungsforschung zurückgegriffen. Insbesondere wird dabei z.B. die Erinnerungsleistung getestet oder die Markenbekanntschaft abgefragt. Auch lässt sich beispielsweise prüfen, ob Online-Suchanfragen zum Zeitpunkt der Werbung ansteigen. Oder man untersucht das Blickverhalten.

Allerdings sind der Forschung hier Grenzen gesetzt. Viele Effekte sind nur kurzfristig, andere dagegen setzten sich erst mittel- oder langfristig durch. Auch sind die einzelnen Maßnahmen stets im Maßnahmenpaket zu betrachten. Was jetzt genau an welcher Stelle zu welcher Zeit welchen Einfluss hat, das bleibt im Reich der Spekulation und ist wissenschaftlich kaum exakt nachzuweisen.

Hooliganismus, Terrorangst – die EM löst diesmal nicht nur positive Gefühle aus. Ist deswegen bei diesem Turnier die Gefahr vergleichsweise größer, dass sich gegenüber werbenden Unternehmen negative statt positive Assoziationen herausbilden?

Das ist richtig, gerade zu Beginn der EM haben wir doch viele unschöne Bilder gesehen. Und auch die Angst vor Anschlägen wirkt sich sicherlich stimmungsdämpfend aus. Und selbst so scheinbar banale externe Einflüsse wie der bisher verregnete Sommer trägt nicht gerade zu bester Laune bei.

Allerdings ist nicht davon auszugehen, dass sich diese Grundstimmung massiv und negativ auf die Werbewirkung niederschlägt. Denn in der konkreten Situation wirken sich die kurzfristig entstehenden Emotionen sehr viel stärker auf unsere Wahrnehmung und Bewertungsprozesse aus als die generelle Stimmung.

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Redaktion
Die adhibeo-Redaktion veröffentlicht regelmäßig Artikel zu verschiedensten Themen der Angewandten Wissenschaften, die an der Hochschule Fresenius stattfinden.

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