IT, Mobilität und Technologie

Psychologie und Wirtschaftspsychologie

Was macht das mit mir? Wenn LKW digital gekoppelt sind

von Alexander Pradka, am 13.07.2018

Welche Auswirkungen hat es eigentlich auf den Fahrer, wenn sein LKW an einen anderen gekoppelt ist und automatisch hinterherfährt? Seit Ende Juni dieses Jahres fahren zwei solcher LKW in regelmäßigen Testfahrten im Platoon auf der A9 zwischen München und Nürnberg. Der vordere Fahrer fährt ganz normal, der hintere im Abstand von 15 Metern automatisch hinterher. Er muss seine Hände am Steuer halten, sonst macht er aber nichts – außer dem Verkehr aufmerksam zu folgen, weil er in vielen Fällen wieder übernehmen muss.

Dazu gehört etwa der Fall, wenn ein Fahrzeug in die Lücke einschert, die zwischen den gekoppelten LKW liegt. Er übernimmt auch bei schlechten Witterungsverhältnissen wieder das Kommando über sein Fahrzeug – oder bei der Fahrt abseits der Autobahn. Bis Anfang August wird noch ohne Ladung geprobt, dann wird das Platoon täglich mit bis zu drei Fahrten im Logistik-Alltag unterwegs sein, beladen mit Stückgut wie Maschinenteilen, Getränken oder Papier.

Es handelt sich um ein Gemeinschaftsprojekt von MAN Truck & Bus, DB Schenker und der Hochschule Fresenius. Das Projekt wird mit rund zwei Millionen Euro vom Bund gefördert. Im bisherigen Projektverlauf wurden die LKW-Fahrer durch intensive Schulungen auf ihre neue Rolle vorbereitet. Die psychosozialen und neurophysiologischen Auswirkungen der neuen Technologie auf die Fahrer im Platoon erforscht die Hochschule Fresenius mit einer begleitenden Studie. Automatisiertes Fahren verändert die Anforderungen an den LKW-Fahrer und hat das Potenzial, die Rolle des Fahrers und seine berufliche Identität erheblich zu verändern. „Daher ist es wichtig, von Beginn an die Menschen mitzunehmen, die von der Entwicklung zentral betroffen sind“, sagt Prof. Dr. Christian Haas, Leiter des Institutes für komplexe Systemforschung an der Hochschule Fresenius. Insgesamt nehmen zehn Fahrer an dem wegweisenden Projekt teil.

Im Rahmen des Projekts wollen die Wissenschaftler der Hochschule Fresenius Erkenntnisse vor allem zu vier Aspekten gewinnen:

» Welche neurophysiologischen/-psychologischen Auswirkungen hat das Fahren in Kolonne auf die Wachheit, Konzentration, Reaktionsfähigkeit und das Situationsbewusstsein der Fahrer? Schwerpunktmäßig wird hierbei der hintere Fahrer untersucht.

» Welche Annahmen und Einstellungen (insbesondere Akzeptanz) bestehen unter LKW-Fahrern gegenüber der neuen Technologie und wie verändern sich diese im Laufe des Projekts?

» Inwiefern lassen sich Rückschlüsse auf die Veränderungen des Berufsbilds LKW-Fahrer ziehen?

» Inwiefern lassen sich die Erkenntnisse auch auf andere Bereiche, in denen Automatisierung eine Rolle spielt, übertragen?

Um vergleichen zu können, haben die Forscher bereits Referenzdaten erhoben. Im Labor haben Grundlagenexperimente stattgefunden. Dazu gehören neurophysiologische Analysen von normalen und vollautonomen Fahranforderungen im Fahrsimulator. Und es wurden neurophysiologische  Analysen bei Fahrten im standardmäßigen LKW-Betrieb und Eye-Tracking-Untersuchungen auf der Autobahn durchgeführt. Hieraus kann man die Aktivierung verschiedener Hirnareale oder die Blicksteuerung ableiten. Beide Methoden kommen jetzt auch im Projekt im Platoon-Betrieb zum Einsatz. „Es ist offensichtlich, dass die Digitalisierung des Mobilitäts- und Transportsystems zu völlig neuen Anforderungen für die Beschäftigten der Branche führt“, so Haas. „Wir hoffen, dass unsere Erkenntnisse auch zum besseren Verstehen und Gestalten anderer digitalisierter Mensch-Maschine-Schnittstellen beitragen können.“

Über den Autor

Alexander Pradka
Die adhibeo-Redaktion veröffentlicht regelmäßig Artikel zu verschiedensten Themen der Angewandten Wissenschaften, die an der Hochschule Fresenius stattfinden.

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