Wirtschaft und Management
Krank zum Personalgespräch?
von Redaktion, am 24.11.2016
Wirtschaft und Management
von Redaktion, am 24.11.2016
Mit einem ärztlichen Attest ist ein Arbeitnehmer von seinen Arbeitspflichten befreit. Aber gilt dies auch für eine seiner Nebenpflichten, nämlich der Teilnahme an einem Personalgespräch? Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat auf diese Frage nun eine Antwort gegeben. Von Michael Fuhlrott
Wer krank ist, muss nicht arbeiten. Aber darf man deswegen auch einem Personalgespräch fernbleiben? Mit dieser Frage beschäftigte sich vor kurzem das Bundesarbeitsgericht (BAG). Verhandelt wurde der Fall eines Dokumentationsassistenten, der während einer mehrwöchigen Krankheitsepisode unter Verweis auf die ärztlich attestierte Arbeitsunfähigkeit nicht zu einem kurzfristig angesetzten Personalgespräch erschienen war – und deshalb abgemahnt wurde. Der Arbeitgeber begründete die Abmahnung damit, dass der Mitarbeiter sich der Forderung verweigerte, ein weiteres ärztliches Attest vorzulegen, das nun auch noch die Untauglichkeit zur Führung eines Personalgesprächs bescheinigen sollte. Jetzt erklärte das BAG diese Begründung für unrechtmäßig.
Grundsätzlich gilt aufgrund des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts gem. § 106 Gewerbeordnung (GewO), dass der Arbeitgeber das Recht besitzt, mit seinen Angestellten Gespräche über die Erbringung und Qualität der Arbeitsleistung zu führen oder zum Beispiel über bestehende Versetzungen zu unterrichten. Zur Teilnahme an solchen Personalgesprächen ist der Arbeitnehmer verpflichtet. Widersetzt er sich, kann der Arbeitgeber diese Art der „Arbeitsverweigerung“ entsprechend bestrafen – zum Beispiel mit einer Abmahnung oder sogar einer Kündigung.
In einem „gesunden“ Arbeitsverhältnis hätte der Dokumentationsassistent also der Anweisung zur Teilnahme an dem Termin Folge leisten müssen. Durch die Krankheit war er aber von dieser „Nebenpflicht“ befreit, auch ein entsprechend konkretisiertes Attest hätte er nicht beschaffen müssen.
Ein generelles Kontaktverbot während der Krankheitsphase besteht für den Arbeitgeber allerdings nicht, wie die Richter des BAG klarstellten. So darf dieser z.B. auch in Zeiten der Arbeitsunfähigkeit mit dem erkrankten Arbeitnehmer in „einem zeitlich angemessenen Umfang in Kontakt treten“, um mit ihm im Rahmen der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen die Möglichkeiten der weiteren Beschäftigung nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit zu besprechen. Dies soll aber nur gelten, wenn der Arbeitgeber hieran ein berechtigtes Interesse hat – ein Sachverhalt, der laut BAG im dargestellten Fall nicht vorlag, weshalb der klagende Arbeitnehmer ungestraft zuhause bleiben durfte, um sich auszukurieren.
Nicht jedes Gespräch während der Krankheit ist aber schlechthin abträglich für die Gesundung. So ist ein Arbeitgeber ausdrücklich gem. § 84 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) IX dazu aufgefordert, bei mehr als sechswöchiger ununterbrochener Erkrankung oder sich wiederholender Arbeitsunfähigkeit im Jahr ein Gespräch zur betrieblichen Eingliederung zu führen. Nimmt der langzeiterkrankte Arbeitnehmer an einem solchen Termin nicht teil, kann dies nachteilige Wirkungen bei einer späteren krankheitsbedingten Kündigung zur Folge haben.
Handelt es sich hingegen um „reine“ Personalgespräche, sollten Arbeitgeber diese in Zeiten der Erkrankung maßvoll anwenden und grundsätzlich bis zur Rückkehr des Arbeitnehmers warten. Eine Aufforderung zum Gespräch oder „Personaltelefonat“ sollte nur dann erfolgen, wenn dies aus betrieblichen Gründen notwendig ist. Dem Krankheitsbild des Arbeitnehmers kommt in diesem Zusammenhang natürlich hohe Bedeutung zu – und auch seine Position und Verantwortung im Unternehmen wird man bei der Abwägung nicht unberücksichtigt lassen können.
Prof. Dr. Michael Fuhlrott ist Studiendekan für Wirtschaftsrecht an der Hochschule Fresenius Hamburg und praktizierender Fachanwalt für Arbeitsrecht.
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Die adhibeo-Redaktion veröffentlicht regelmäßig Artikel zu verschiedensten Themen der Angewandten Wissenschaften, die an der Hochschule Fresenius stattfinden.
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