Wirtschaft und Management

„Berater sind gut beraten, ein bisschen mehr zu reflektieren“

von Redaktion, am 28.05.2014

Unternehmensberater sind skrupellos, profitgierig und eitel – dieses Bild zeichnet der Film „Zeit der Kannibalen“, der derzeit in deutschen Kinos läuft. Ganz so dramatisch, wie darin zu sehen, sei es in der Realität nicht, sagt Prof. Dr. Robert Paust von der Hochschule Fresenius München. Das negative Image komme dennoch nicht von ungefähr, wie der Wirtschaftsprofessor und langjährige Unternehmensberater im Interview erklärt.

Unternehmensberater haben hierzulande durchaus einen schlechten Ruf. Was genau werfen Kritiker ihnen eigentlich vor?

In den Medien, in der sogenannten Enthüllungsliteratur oder in Filmen – wie aktuell in „Zeit der Kannibalen“ – werden sie immer wieder als skrupellos und unfähig dargestellt. Aus Wissenschaftskreisen kommt zudem der Vorwurf, die Branche erfinde ständig neue Managementmethoden, die sie wider besseres Wissen als bahnbrechende Erfolgskonzepte verkaufen.

Sie arbeiten seit vielen Jahren als Unternehmensberater und haben sich auch in Ihrer Dissertation mit der Branche beschäftigt. Wie ist es denn nun wirklich?

In meiner Dissertation konnte ich zeigen – das deckt sich auch mit meinen persönlichen Erfahrungen –, dass Unternehmensberater bei ihrer Arbeit immer wieder in versteckte Rollen schlüpfen, mal aus Berechnung, mal unbewusst. Das trägt dazu bei, dass ein negatives Image entsteht.

Welche versteckten Rollen meinen Sie?

Am häufigsten tritt der Berater in der Rolle des „Sündenbocks“ auf: Er wird von Managern an den Pranger gestellt, wenn sich die erhofften Ergebnisse nicht einstellen. Dabei wird schnell vergessen, dass alle Entscheidungen zuvor in Absprache mit eben diesen Managern getroffen wurden. Dennoch, wenn etwas nicht funktioniert, trägt der Berater eben die Schuld.

Eine weitere Rolle, in die der Consultant schlüpft, ist die des „Souffleurs“. Hier nutzt der auftraggebende Manager den Berater, um persönliche Defizite zu kompensieren: Er holt sich Ideen und Erfahrungen und gibt diese intern als seine eigenen aus.

Sozusagen in umgekehrter Logik fungiert der Berater in der Rolle des „Strohmanns“: Hier gibt er auf internen Meetings und Präsentationen die Ideen des Managers als seine eigenen aus. So schützt der Berater den Manager und verhindert, dass dieser in die Schusslinie gerät.

Warum gibt es überhaupt die von Ihnen beschriebenen Rollen der Berater?

Weil es für beide Seiten gewinnbringend ist: Als Sündenbock, Souffleur oder Strohmann fördert der Berater die Karriere eines internen Managers. Der wiederum hat Einfluss auf die Auswahl der Berater und die Beurteilung ihrer Leistung – und diese erfolgt in der Consulting-Branche häufig sehr subjektiv. Eine der beschriebenen Rollen einzunehmen ist für den Berater also durchaus mit Vorteilen verbunden.

Dieses System nutzt also vor allem dem auftraggebenden Manager und dem Berater, weniger dem Unternehmen. Muss sich hier etwas ändern?

Ich denke, Berater sind gut beraten, ein bisschen mehr zu reflektieren. Vielen ist es ja gar nicht bewusst, dass sie gerade in einer Rolle stecken. Die Reflektion führt im Idealfall dazu, dass der Berater das Wohlwollen des Klienten einem eventuellen Imageverlust gegenüberstellt und abwägt: Was bringt es mir, wenn ich diesen einen Klienten zufriedenstelle, mir aber gleichzeitig den Ruf einhandle, meine Beratungsleistung bestünde überwiegend aus Gefälligkeiten?

Nicht immer aber gelingt diese Selbstbeobachtung. Für viele Consultants bleibt das System der versteckten Rollen dann ein Gefängnis, das es ihnen schwerer macht, sich so kompetent darzustellen, wie sie in Wirklichkeit sind.

Über den Autor

Redaktion
Die adhibeo-Redaktion veröffentlicht regelmäßig Artikel zu verschiedensten Themen der Angewandten Wissenschaften, die an der Hochschule Fresenius stattfinden.

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