Wirtschaft und Management
„Umweltbewusstsein und Stromflatrate schließen sich nicht gegenseitig aus“
von Redaktion, am 21.08.2014
Wirtschaft und Management
von Redaktion, am 21.08.2014
Ob bei der Internetverbindung, dem Mobilfunkvertrag oder beim Feiern: Flatrate-Angebote erfreuen sich großer Beliebtheit. Das Paradoxe: Nicht immer kommen die Kunden dabei günstiger weg als bei einem verbrauchsabhängigen Angebot. Aufgrund seiner Popularität wird dennoch überlegt, das Flatrate-Prinzip auch auf dem Strommarkt einzuführen. Kritiker sehen die Gefahr, dass dadurch der Kunde keinen Grund mehr hätte, beim Energieverbrauch zu sparen. Eine Untersuchung, die sich mit verschiedenen Aspekten des Themas auseinandersetzt, wurde von Dr. Matthias Sure, Dozent für Finance und Controlling an der Hochschule Fresenius Köln, begleitet. adhibeo hat mit ihm über die Ergebnisse gesprochen.
Der Begriff bezieht sich auf das Phänomen, dass Konsumenten eine Präferenz für einen Flatrate-Tarif entwickeln – also lieber einen Pauschalbetrag für die unbegrenzte Nutzung eines Produkts zahlen –, obwohl sie dadurch im Vergleich zu einem verbrauchsabhängigen Tarif finanziell im Nachteil sind. Dieses Phänomen wurde in zahlreichen empirischen Studien belegt, so unter anderem im Telekommunikations- oder im Internetsektor. An dieser Stelle ist nun interessant, ob der Bias auch auf dem Strommarkt zu beobachten wäre.
Da in Deutschland derzeit keine vollwertigen Flatrate-Modelle angeboten werden, mussten die Befragten gebeten werden, sich in eine hypothetische Situation zu versetzen. Sie sollten angeben, wie sie wohl handeln würden, gäbe es diese Flatrate.
Tatsächlich verdeutlicht das Ergebnis der Studie, dass die Verbraucher einem Flatrate-Tarif für Strom nicht mit derselben Euphorie begegnen, wie es in anderen Branchen der Fall ist. Zum einen fürchten einige Befragte, eine Flatrate könnte zur Verschwendung von Strom führen und demnach schlecht für die Umwelt sein. Auf der anderen Seite sind die Verbraucher skeptisch gegenüber den preislichen Vorteilen einer Stromflatrate.
Trotzdem: Eine generelle Abwehrhaltung gegenüber einem Flatrate-Tarif für Strom ist nicht zu erkennen. Es sind durchaus Verbraucher vertreten, die ein solches Angebot für sich als attraktiv einschätzen – zumal auch das Kostenrisiko des aktiven Mehrverbrauchs durch eine Flatrate von Vorneherein ausgeschlossen ist.
Zunächst einmal möchte ich sagen: Es stimmt, einzelne Aufsichtsräte großer Energieversorger bezeichnen genau aus diesen Gründen eine Stromflatrate als „Katastrophe“. Auch wissenschaftliche Institute weisen darauf hin, dass in einer Flatrate-Situation aus Kundensicht kein ökonomischer Anreiz mehr vorhanden sei, Strom zu sparen. Stattdessen werde dadurch zum Mehrverbrauch verleitet.
In der Studie zeigt sich aber, dass Umweltbewusstsein und Stromflatrate sich nicht gegenseitig ausschließen – zumindest nicht auf der Individualebene: Wer umweltbewusst ist, der ist häufig zugleich überzeugt, dass auch eine Stromflatrate wenig am eigenen Energiesparverhalten ändern würde. Dieser Zusammenhang wurde von den Experten bislang offenbar unterschätzt.
Letztlich ist eine Theorie oder ein Modell natürlich erst dann empirisch belegbar, wenn dazu tatsächliches repräsentatives Verhalten untersucht wird. Dennoch glaube ich, dass die Konsumentenaussagen durchaus mit zukünftigen Verhaltensmustern einhergehen können. Ich vermute, wenn die Industrie intelligente, also stärker an Kundenbedürfnissen orientierte Flatrate-Modelle anbieten würde, dann würden sich Konsumenten auch dafür entscheiden, entsprechende Kontrakte abzuschließen – insbesondere auch vor dem Hintergrund eines Zukunftsszenarios stetig steigender Strompreise.
Letztlich beginnen die Energieversorger schon damit, in dieser Richtung zu agieren. Wir haben privat zum Beispiel erst kürzlich ein Angebot von unserem Energieversorger erhalten, in dem ein fester Tarif oberhalb einer gewissen Verbrauchsgrenze beworben wurde.
Allerdings hatte der Tarif für uns einen entscheidenden Nachteil: Unser Verbrauch war zu dem Zeitpunkt niedriger als die angegebene Verbrauchsgrenze; der offerierte und auch günstigere Tarif galt aber erst ab dieser Grenze. Um in den Genuss des günstigeren Tarifs zu kommen, hätten wir also mehr verbrauchen müssen. Wäre das Angebot besser auf unsere Verbrauchsgewohnheiten abgestimmt gewesen, hätten wir es uns überlegt.
In der Konsequenz heißt das, dass die Energieversorger stärker individualisierte Flatrate-Modelle anbieten müssen, um solche Tarife attraktiver zu machen. Da viele Energieversorger jüngst in neue CRM- und Abrechnungssysteme investiert haben, sind die Voraussetzungen dafür mehr und mehr gegeben – ich glaube, hier wird sich in den nächsten Jahren einiges tun.
Redaktion
Die adhibeo-Redaktion veröffentlicht regelmäßig Artikel zu verschiedensten Themen der Angewandten Wissenschaften, die an der Hochschule Fresenius stattfinden.
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