Gesundheit, Therapie und Soziales

Wirtschaft und Management

Über die Zukunft der ärztlichen Versorgung – Eine Nachlese zu einem Vortrag an der HS Fresenius Hamburg

von Redaktion, am 27.08.2013

Am 1. Januar 2012 trat das neue Versorgungsstrukturgesetz in Kraft. Für ein Flächenland wie Schleswig-Holstein, das ländlich geprägt ist und dem zukünftig ein Ärztemangel droht, ergeben sich dadurch neue Herausforderungen. Wie man ihnen begegnen kann, erläuterte Dominik Völk, Stellvertretender Referatsleiter im Ministerium für Soziales, Gesundheit, Familie und Gleichstellung des Landes Schleswig-Holstein, in einem Vortrag an der Hochschule Fresenius Hamburg. 

Der Bedarf an haus- und fachärztlicher Versorgung wird für die Patienten eines so genannten Planungsbereichs von einem gemeinsamen Gremium der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung und den Krankenkassen im so genannten Landesausschuss festgelegt. Zur Bestimmung des “korrekten“ Bedarfs existieren Richtlinien, die vom Gemeinsamen Bundesausschuss vor mehr als 35 Jahren ersonnen wurden. Gemäß dem in der Bedarfsplanung normierten, deutschlandweit geltenden Raumgliederungsmodell existieren derzeit 395 Planungsbereiche, die häufig mit den bekannten Stadt- und Landkreisen identisch sind.

Die Anzahl der niedergelassenen Vertragsärzte wird in den Planungsbereichen zusammen mit der jeweiligen Einwohnerzahl erfasst. Auf Basis dieser Werte ergeben sich für insgesamt 14 Arztgruppen Verhältniszahlen, in denen die Beziehung von Einwohnern zu Ärzten festgelegt wird. Der Vergleich dieser Zahlen mit den in der Bedarfsplanungs-Richtlinie genannten Werten führt dann zur Feststellung eines Versorgungsgrades.

Danach liegt eine so genannte Überversorgung in der vertragsärztlichen Versorgung genau dann vor, wenn dieser Feststellung entsprechend der bedarfsgerechte Versorgungsgrad um 10 Prozent überschritten wird. In solchen Fällen sind für die betroffenen Arztgruppen in dem entsprechenden Planungsbereich Zulassungsbeschränkungen auszusprechen. Dies hat zur Folge, dass sich die Ärzte einer Arztgruppe nicht mehr in dem entsprechenden Planungsbereich niederlassen können. Wird der Versorgungsgrad in einem Planungsbereich hingegen um mehr als 25 Prozent in der hausärztlichen bzw. um mehr als 50 Prozent in der fachärztlichen Versorgung unterschritten, so spricht man von einer Unterversorgung. Die ambulante Versorgung in einem solchen Landkreis ist dann bedroht und es werden dringend Ärzte benötigt, die die Versorgung in dem Planungsbereich sicherstellen.

Weichenstellung durch gesetzliche Neuregelungen

Das zum 1. Januar 2012 in Kraft getretene Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (kurz: Versorgungsstrukturgesetz) brachte in diesem Zusammenhang eine ganze Reihe von Neuerungen. Eine der vordergründigen Maßnahmen war es, die Bedarfsplanung der ambulanten-niedergelassenen Vertragsärzte neu zu regeln. Dies war Grund genug, am 21. Mai 2013 die Türen des Hamburger Standorts der HS Fresenius weit zu öffnen, und nicht nur den Studierenden des Studiengangs Gesundheitsökonomie sondern auch zahlreichen externen Gästen, die sich mit Themen der Gesundheitspolitik und -ökonomie auseinandersetzen, einen Überblick über die Details des Versorgungsstrukturgesetzes zu geben.
War es früher noch so, dass die Ärzteschaft deutschlandweit kaum Probleme hatte, qualifizierten Nachwuchs zu finden, so hat sich dieses Bild in den vergangenen Jahren geändert. Gerade in ländlichen Regionen siedeln sich – einem allgemeinen Trend folgend – immer weniger junge Ärzte an, so dass in diesen Gebieten häufig nur noch Mediziner anzutreffen sind, deren Rentenalter nicht mehr fern ist und die kaum noch Nachfolger für ihre Arztpraxen finden. Zukünftig werden deswegen gerade im ländlichen Raum gravierende Probleme bei der Bedarfsplanung bzw. -deckung zu erwarten sein.

Die Arztdichte in der hausärztlichen Versorgung beträgt derzeit rund 0,7 Hausärzte je 1000 Einwohner. Wie auf der linken Seite der Grafik (siehe Abbildung 1) zu erkennen ist, existieren dabei zwischen ländlichen und urbanen Regionen durchaus Unterschiede. Diese Unterschiede sind mit Blick auf die rechte Seite der Grafik (fachärztliche Versorgung) nicht so gravierend wie bei der hausärztlichen Versorgung. Bei den Fachärzten ist eine deutlich stärkere Konzentration in den urbanen Regionen des Landes Schleswig-Holstein zu erkennen. Je dunkler die Regionen in der Übersicht werden, umso größer ist dort die Facharztdichte. Dies ist deutlich für die Region im Norden der Metropolregion Hamburg, für die Landeshauptstadt Kiel, für die kreisfreie Großstadt Lübeck aber auch für die kreisfreie Stadt Flensburg zu erkennen.

Blick auf die zukünftige Entwicklung des Flächenlandes

Wenn man sich vor Augen führt, dass gerade in Schleswig-Holstein in den nächsten fünf Jahren mit einer Anzahl von 600 bis 900 Hausärzten gerechnet wird, die in den Ruhestand gehen werden, so stellt sich hier natürlich die Frage, wie man dem sich auch in diesem Umstand abzeichnenden demographischen Wandel begegnen soll. Zurzeit ist zu beobachten, dass rund zwei Drittel aller Medizinstudierenden weiblich sind und dass diese angehenden Ärztinnen sehr großen Wert auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf legen. Dies sind Vorboten für eine mangelnde Attraktivität von Praxisniederlassungen im ländlichen Raum. Besonderes Interesse legen die Medizinstudentinnen schon jetzt auf „weiche Standortfaktoren“, wie beispielsweise eine gute Infrastruktur vor Ort, eine spätere, erfolgversprechende Berufsperspektive für sich und ihren Lebenspartner.

Mit der zunehmenden Bedeutung dieser Punkte schwindet damit die Bereitschaft, Praxisniederlassungen im ländlichen Raum anzugehen. Kurzum gesagt, gewinnt hier der urbane gegenüber dem ländlichen Raum deutlich an Attraktivität (siehe Abbildung 2). Damit geht einher, dass gerade junge Ärzte versuchen, nach ihrem Studium zunehmend außerhalb der Patientenversorgung unterzukommen. Berufsfelder in der Wirtschaft, in der Wissenschaft oder aber im Ausland sind für derzeit circa 17 000 Deutsche Ärztinnen und Ärzte attraktiver als die eigentliche Versorgung der Patienten.

Um diesen Gegebenheiten Herr zu werden, wurden die bislang bekannten Planungsbereiche modifiziert und nach dem Inkrafttreten des Versorgungsstrukturgesetzes kleinteiliger geplant. Mit dieser kleinteiligeren Versorgungs- und Bedarfsplanung sollte den regionalen Besonderheiten gerade auch hinsichtlich der Verteilung mit Haus- und Fachärzten besser Rechnung getragen werden. Insgesamt bestehen so verbesserte, regionale Möglichkeiten, auf die Versorgungsplanung Einfluss zu nehmen und damit landesweit flexibler zu agieren. Ob das einst eingeführte Instrument der Bedarfsplanung, mit dem eigentlich eine Überversorgung von Ärzten „abgewehrt“ werden sollte, nun in einer kleinteiligen Ausprägung dazu führt, dass ein drohender Ärztemangel zumindest für einzelne Disziplinen in ländlichen Regionen abgewehrt werden kann, muss sich zukünftig zeigen.

Über die Autoren: Dr. Hans-Reiner Hartweg leitet den Studiengang Health Economics an der HS Fresenius Hamburg. Julius Bylitza ist einer seiner Studenten und als Hilfskraft am Hamburger Standort beschäftigt. Dort zählt er auch Renate Kirchmeier zu seinen Kolleginnen: Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in Hamburg.

Über den Vortrag: Dominik Völk, Stellvertretender Referatsleiter im Ministerium für Soziales, Gesundheit, Familie und Gleichstellung des Landes Schleswig-Holstein, sprach am 21.05.2013 vor Studierenden der HS Fresenius Hamburg. Der Titel seines Vortrags: „Versorgungsstrukturgesetz – Fluch oder Segen für Flächenländer wie Schleswig-Holstein?“

Über den Autor

Redaktion
Die adhibeo-Redaktion veröffentlicht regelmäßig Artikel zu verschiedensten Themen der Angewandten Wissenschaften, die an der Hochschule Fresenius stattfinden.

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