Psychologie und Wirtschaftspsychologie

Wirtschaft und Management

Neues Jahr – neue Trends!

von Redaktion, am 17.12.2015

Um die Jahreswende machen sich Meinungsforscher wieder daran, die Trends des nächsten Jahres vorherzusagen. Wie selbstverständlich wird der Begriff dabei bemüht – doch was macht eigentlich einen Trend aus? Letztlich erklärt sich das Phänomen durch die psychologischen Motive vieler Einzelner. Von Michael Pusler

Neue Trends werden gerne zum Jahreswechsel ausgerufen und haben, wie Moden, ihre ganz eigene Logik. Im Bereich der Konsumentenforschung erfolgt deren Bekanntgabe gerne in Phasen wirtschaftlicher Stagnation, manchmal auch mit dem Ziel, die Konjunktur wieder anzukurbeln. So hat man in den vergangenen Jahren beispielsweise das „Ultimate“, das „Speed“ oder neuerdings das „Convenient Shopping“ zu neuen Trends ausgerufen. Ist der Nährboden für neue Trends bereitet, sollen diesen dann bestenfalls die Konsumentenmassen bedingungslos folgen – doch tun sie das wirklich?

Um dem Phänomen auf den Grund zu gehen, stellt sich zunächst einmal die Frage: Was ist überhaupt ein Trend, oder vielmehr, was führt zum Trend? Die Antwort ist meines Erachtens eher schlicht und einfach: es sind nicht irgendwelche Strömungen, die uns charismatische Auguren der Forschungsdisziplin Trend- oder Zukunftsforschung weißmachen wollen, sondern individuelle Prozesse, die jeder einzelne auch bei sich selbst kennt. Die können aber bei jedem anders ausfallen, weshalb eine „Trendwelle“, bei der vermeintlich alle in derselben Richtung mit dem Trend „mitschwimmen“ als wenig wahrscheinlich erscheint. Allenfalls durch eine sehr unscharfe Brille wirkt das ganze wie ein Massenphänomen (im Neudeutschen wäre wohl von der „Schwarmintelligenz“ die Rede).

Was die Entwicklungspsychologie zur Erklärung des Phänomens „Trend“ beitragen kann

Viele sogenannter Trends lassen sich auf individual- bzw. entwicklungspsychologische Erklärungsansätze zurückführen. Insbesondere die sogenannte „Äqulibrationstheorie“ des anerkannten – und mit seinen Arbeiten richtungsweisenden – Entwicklungspsychologen Jean Piaget ist da anzuführen. Dieser hatte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts richtig erkannt: Auf eine Periode des Gleichgewichts folgt – aufgrund von Veränderungen in der Umwelt oder im Organismus selbst – ein Ungleichgewicht. Diesem wiederum schließt sich eine Ausgleichbewegung an, die so genannte „Äqulibration“, die schließlich wieder einen Gleichgewichtszustand-Zustand herstellt. Letztlich ist der Prozess vergleichbar mit einer Wellenbewegung. Doch dieses „Auf und Ab“ findet wie gesagt auf der Individualebene statt. Lediglich wenn alle gleichermaßen z. B. von den Folgen eines Krieges oder einer Naturkatastrophe betroffen sind, wird es zum Massenphänomen. Diese Bedingung ist bei der Vorhersage von Konsumtendenzen sicher nicht gegeben.

Es sind folglich in erster Linie den Einzelnen betreffende Ereignisse, die ihn in eine veränderte Lage geraten lassen. Damit kann der Verlust des Arbeitsplatzes gemeint sein, genauso wie auch das Wissen um die Klimaveränderung oder ein freudiges Lebensereignis, wie die Geburt eines Kindes oder ein Karrieresprung. Diese Begebenheiten sucht der Betroffene nun beispielsweise durch ein Streben nach weiteren Entfaltungsmöglichkeiten oder aber, im Falle kritischer Ereignisse, durch schützende Besitzstandswahrung auszugleichen. Und häufig schlägt sich diese Reaktion eben im Konsummuster nieder. Hier gleich Trends auszurufen, ist verfrüht. Denn es sind eben nicht unsichtbare Wellen propagierter (Konsum-)Strömungen, denen Massen von Menschen quasi automatisch folgen und die wahllos kaufen, den Verlockungen der Industrie machtlos ausgeliefert wie einer Naturkatastrophe.

Der Trend, dem möglichst jeder folgen möge, ist nicht die adäquate Erklärungsgrundlage, wenn man (Gruppen von) Menschen verstehen möchte, die einem Anpassungsprozess aufgrund einer veränderten Realität bzw. Wahrnehmung derselben ausgesetzt sind. Der Trend verstellt vielmehr häufig den Blick auf dessen psychologische Wurzeln und somit deren adäquate Analyse. Und Trendforschung hat schon gar nichts damit zu tun, was beispielsweise technologisch alles machbar ist oder wäre.

Der Einzelmensch und seine Lebensphasen müssen in den Fokus der Trendforschung rücken

Moderne Trendforschung – ausgehend von der Verhaltensökonomie – sieht daher mittlerweile den Menschen im Mittelpunkt, ganz gleich ob als Individuum oder im Kollektiv. Versteht man diese im Kontext ihres Umfeldes oder in Phasen ihrer individuellen Lebensgestaltung, etwa durch Lebensphasenmodelle, so kann man hierauf auch soziologisch generalisierbare Entwicklungen bzw. Veränderungen beschreiben und vorhersagen – ohne dabei auf zum Teil abenteuerliche Weise abstruse Dinge zu Trends hochzustilisieren. Gerade im Bereich des Marketings und der Werbung ist man hierfür manchmal leider etwas anfällig.

Einhergehend mit dem verhaltensökonomischen Paradigmenwechsel in der Ökonomietheorie vor wenigen Jahren hat die Konsumentenpsychologie viel verstanden vom Wechselspiel zwischen den soziokulturellen Einflussfeldern, aus denen die Trends wirken, und dem individuellen Konsumverhalten. Der Konsument ist nun mal auch ein Produkt seiner kulturellen und situativen Umwelt. Und die wird durch Strömungen der Befindlichkeit beeinflusst. Die Markt- und Werbepsychologie geht sogar davon aus, dass ein Großteil des Kauf- und Geschmacksverhaltens sozialisiert ist. Aber eben nicht statisch, sondern in einer postmodernen, sich ständig verändernden Gesellschaft dynamisch. „Adaptionsfähigkeit“ ist nicht nur das Gebot an Unternehmen und Produkte, sondern auch ein Gebot für den modernen Menschen ganz allgemein. Trends sind ihm dann dort Orientierungs- und Vergleichspunkte, wo generelle, allgemeingültige Normen immer weniger gelten.

Einhergehend mit dem verhaltensökonomischen Paradigmenwechsel in der Ökonomietheorie vor wenigen Jahren hat die Konsumentenpsychologie viel verstanden vom Wechselspiel zwischen den soziokulturellen Einflussfeldern, aus denen die Trends wirken, und dem individuellen Konsumverhalten. Der Konsument ist nun mal auch ein Produkt seiner kulturellen und situativen Umwelt. Und die wird durch Strömungen der Befindlichkeit beeinflusst. Die Markt- und Werbepsychologie geht sogar davon aus, dass ein Großteil des Kauf- und Geschmacksverhaltens sozialisiert ist. Aber eben nicht statisch, sondern in einer postmodernen, sich ständig verändernden Gesellschaft dynamisch. „Adaptionsfähigkeit“ ist nicht nur das Gebot an Unternehmen und Produkte, sondern auch ein Gebot für den modernen Menschen ganz allgemein. Trends sind ihm dann dort Orientierungs- und Vergleichspunkte, wo generelle, allgemeingültige Normen immer weniger gelten.

Was passiert eigentlich mit den Trendvorhersagen aus vergangenen Jahren? Interessieren die noch im Rückblick? Nein – schade, denn es wäre mal ganz interessant zu sehen, was davon sich bewahrheitet hat. Wie auch immer, mit Sicherheit werden uns auch in den nächsten Jahren die Trends nicht ausgehen. Denn selbstverständlich hat gut gemachte Trendforschung ihre Berechtigung.

Über den Autor: Michael Pusler ist Dozent an der Psychology School der Hochschule Fresenius München.

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Die adhibeo-Redaktion veröffentlicht regelmäßig Artikel zu verschiedensten Themen der Angewandten Wissenschaften, die an der Hochschule Fresenius stattfinden.

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