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IT, Mobilität und Technologie

Transformation in der Autoindustrie

von Anna Huhn, am 21.03.2022

In dem Gastbeitrag erklärt Anna Huhn, Studentin des Studiengangs Sustainable Marketing & Leadership in Köln, welchen Einfluss aktuelle Trends auf den Automobilmarkt haben.

Aktuell befindet sich die Wirtschaft in einer Transformation: Internationale Wertschöpfungsketten wurden durch die COVID-19-Pandemie unterbrochen, globale Entwicklungen wie der Klimawandel oder der Verlust der Artenvielfalt rücken die Exposition nachhaltiger Themenbereiche auf medialer, gesellschaftlicher und politischer Ebene in den Fokus des öffentlichen Diskurses. Dies lässt auch die Automobilindustrie nicht unberührt: Während über Jahrzehnte der Verbrennungsmotor auf deutschen Straßen vertreten war, droht dieser nun von neuen Mobilitätsoptionen abgelöst zu werden. Um zu analysieren, welchen Einfluss aktuelle Trends auf den Automobilmarkt haben, müssen Entwicklungen auf umweltpolitischer, wirtschaftlicher, aber auch gesellschaftlicher Ebene betrachtet werden.

Einer der wichtigsten Gründe für die heutige Elektrifizierung in der Automobilindustrie ist definitiv im Klimaschutz zu sehen

Der Automobilindustrie kommt insbesondere in Deutschland eine der zentralsten Rollen zu: Mit einem im Jahr 2019 erwirtschafteten Umsatz von 436 Milliarden Euro und insgesamt über 800.000 Beschäftigten kann diese als einer der bedeutendsten Industriezweige des Landes bezeichnet werden. Einen der größten Treiber für eine umfassende Transformation stellt hierbei der Technologiewandel dar, bei welchem der Verbrennungsmotor zunehmend durch den Elektroantrieb ersetzt wird. Ein Blick in die Historie der Elektromobilität zeigt allerdings auf, dass dies kein Phänomen der Neuzeit ist: So waren bereits im Jahr 1900 ca. 38 Prozent der in den USA verkauften PKW elektrisch betrieben, während Benziner lediglich 22 Prozent der Automobile ausmachten. Aufgrund fehlender Infrastruktur und mangelnder Forschungsanstrengungen hinsichtlich Reichweite und Störanfälligkeit der Batterien wurde der Verbrennungsmotor jedoch zunehmend beliebter. Einer der wichtigsten Gründe für die heutige Elektrifizierung ist definitiv im Klimaschutz zu sehen. Obwohl der Bedeutungsverlust des klassischen Verbrenners seit Jahren öffentlich zur Diskussion steht, ist diese Antriebsform global nach wie vor dominierend.

Das Ziel des Green Deals, auf das sich die EU Staaten 2019 einigten, wird daher nur erreichbar sein, wenn ab 2035 keine Verbrennungsmotoren mehr zugelassen werden

Trotz ambitionierter Klimaziele sinken die Emissionen in Deutschland aber nur sehr moderat, auf globaler Ebene hingegen ist sogar ein Anstieg zu verzeichnen. Das Ziel des Green Deals, auf das sich die EU Staaten 2019 einigten, wird daher nur erreichbar sein, wenn ab 2035 keine Verbrennungsmotoren mehr zugelassen werden. Nichtsdestotrotz wird die Elektromobilität bei vielen Herstellern als Neuheit angesehen, dessen Markt noch nicht vollständig ausgeschöpft und etabliert ist.

Dennoch war zunächst eine Tendenz der Zurückhaltung bei etablierten Herstellern (OEM’s) zu beobachten: So wurden etwa zunächst Energiekonzerne und die Politik in die Verantwortung gezogen, zunächst einen entsprechenden Infrastrukturstandard für Elektromobilität zu schaffen, diese wiederrum erwarteten zunächst einen steigenden Absatz jener E-Autos, um eine flächendeckende Ladeinfrastruktur konzipieren zu können. Generell ist ein Zusammenhang zwischen Mobilitäts- und Energiewende erkennbar, denn die Umstellung auf Elektromobilität führt logischerweise nur dann zu reellen ökologischen Entlastungen, wenn der benötigte Strom aus regenerativen Energien stammt.

Die Digitalsierung ist ein ökologischer Treiber

Neben ökologischen Treibern sind es aber vor allem auch wirtschaftliche Trends und die Digitalisierung, welche Druck auf sämtliche Akteure und Organisationen ausüben. Autonomes Fahren, Künstliche Intelligenz, Connected Services oder Automatisierung stellen nur wenige Säulen dar, welche mit einer gesteigerten Effizienz einhergehen können. Der Stellenwert von Digitalisierung zeigt sich außerdem daran, dass branchenfremde Akteure wie Google oder Apple sich seit einigen Jahren intensiv mit Elektrofahrzeugen beschäftigen und in naher Zukunft auch eigene Fahrzeuge auf den Markt bringen werden, welche vernetztes beziehungsweise Automatisches Fahren, Ökologische Verträglichkeit, Hocheffizienz und auch den Faktor der Sicherheit vereinen wollen.

Auch die Kosument:innen werden über die Zukunft der Mobilität entscheiden

Anstelle einer bestimmten Antriebstechnologie werden letztendlich aber auch Konsument:innen über das zukünftige Gesicht der Mobilität entscheiden. Natürlich sind auch in der Gesellschaft altbekannte Megatrends wie Individualisierung und Urbanisierung als zwei von vermutlich vielen Treibern darzustellen, welche auch die Automobilindustrie mittelbar oder unmittelbar tangieren: Einerseits wächst der Drang nach Selbstbestimmung der Bevölkerung, die Menschen werden zunehmend flexibler und spontaner, was sich auch in deren Mobilitätsverhalten widerspiegelt. Zeitgleich wird die zunehmende Urbanisierung in naher Zukunft zu Platzmangel in Städten führen, also auch für weniger Platz für (Individual-) Verkehr. Sucht man den Dialog zur Bevölkerung, so wird vor allem deutlich, dass Mobilität generell erstmal ähnlich definiert wird, etwa als „Flexibilität und unabhängiger Transport“, oder aber als die „Freiheit, sich räumlich frei bewegen zu können“, was – nebenbei- auch noch ziemlich eindeutig den Trend der Individualisierung, einem flexiblem und spontanen Verkehrsverhalten, bestätigt.

Bei jüngeren Menschen ist das Auto nicht mehr länger als ein Statussymbol anzusehen

Zumindest in Großstädten und nicht zuletzt gewiss auch durch steigende Benzinpreise wird zudem ersichtlich, dass das Autofahren intrinsisch reduziert wird. Selbst wenn man drauf angewiesen ist, wurde in der Stichprobe ersichtlich, dass so oft es geht drauf verzichtet wird.

Mit Blick auf die Urbanisierung und die Tatsache, dass immer mehr Menschen in Städten leben, wird von den Befragten insbesondere Platzmangel kritisiert, was neben Parkplatznot wenig Freude am Autofahren impliziert. Insbesondere bei jüngeren Menschen ist das Auto daher außerdem nicht mehr länger als ein Statussymbol anzusehen, viel mehr wird Status durch Faktoren wie Bildung oder Reisen ausgedrückt. Nichtsdestotrotz ist auch der Trend der Individualisierung erkennbar. Die Leute wollen immer mobiler und flexibler sein, zeitgleich dazu gibt es in Städten aber immer weniger Platz, weshalb eben auch Sharing Angebote, Uber & die E-Roller in positives Licht gerückt werden.

Der Trend „Nutzen statt Besitzen“ stellet mittlerweile eine ernstzunehmende Konkurrenz zu dem privaten Auto dar

Auffällig ist außerdem, dass der Begriff „Elektroauto“ gelegentlich mit einem „Tesla“ verbunden und entsprechend als Synonym genutzt wird. Dies mag unbewusst geschehen, unterstreicht aber, dass das Unternehmen als innovativ angesehen wird und sich bereits in den Markt & in den Köpfen der Menschen etabliert hat, obwohl der Elektroantrieb selber nicht neu ist.

Es ist also nicht „die eine Transformation“. Vielmehr haben wir es mit multiplen Veränderungen auf ganz verschiedenen Ebenen zu tun, welche teilweise auch konträr zueinander erscheinen. Der Multiebenen Charakter kann eine große Chance für eine fundamentale Umbruchsituation sein. So mag eine verzögerte Reaktion der OEM‘s auch gewissermaßen mitverantwortlich sein für den Erfolg, den Jungunternehmen wie Airbus, Lilium oder auch Tesla aktuell genießen.  Aus dem Ziel der Emissionsverringerung folgen nämlich sowohl umweltpoltische Restriktionen, als auch veränderte Prioritäten der Gesellschaft. Wenn man die aufgeführten Trends also komprimiert betrachtet, so genügt es nicht, traditionelle Verkehrsmittel nur zu elektrifizieren und dementsprechend zu „verbessern“. Vielmehr muss durch die Urbanisierung der Individualverkehr auch teilweise vermieden werden. Die Gesellschaft ist bereits so weit: Der Trend „Nutzen statt Besitzen“ und Sharing Angebote stellen mittlerweile eine ernstzunehmende Konkurrenz zu dem privaten Auto dar. Auch, wenn die Automobilbranche sehr umfassend ist und per Definition auch viele Unternehmensarten abdeckt, verlangt dieser Zusammenhang innovative Mobilitätsoptionen. Es ist also ein Zusammenspiel von „Individualverkehr vermeiden“ (Urbanisierung, Sharing Trends, Platz für neue Optionen schaffen, Emissionen einsparen). Vorhandene Verkehrsmittel müssen aber dennoch im Sinne des Green Deals klimaschonend bzw. klimaneutral werden und zeitgleich auch den Trend der Digitalisierung berücksichtigen, also in keiner Weise die Freiheit der Menschen einschränken. Reine Elektrofahrzeuge dürfen daher nicht als Ersatz für Verbrenner wahrgenommen werden. Dies würde dem Ansatz reell und ganzheitlich nachhaltiger Mobilität nicht gerecht werden.

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Über den Autor

Anna Huhn
Anna Huhn studiert Sustainable Marketing & Leadership an der Hochschule Fresenius in Köln. Sie hat einen Vortrag zu dem Thema Transformation in der Autoindustrie auf der #NEO21x gehalten und wurde ebenfalls zu einem Vortrag bei der Drucker Society eingeladen.