Wirtschaft und Management
Transfer ins Ungewisse
von Redaktion, am 14.08.2014
Wirtschaft und Management
von Redaktion, am 14.08.2014
Schlecker, Prokon, Arcandor – diese Namen stehen für die prominentesten Insolvenzfälle der vergangenen Jahre. In Deutschland ereilt das Schicksal der Zahlungsunfähigkeit allerdings weit mehr Unternehmen: Im Jahr 2013 waren es rund 26 000. Viele von ihnen werden von Investoren aufgekauft, die Geschäfte anschließend unter anderem oder gleichem Namen weitergeführt. Doch was passiert dabei eigentlich mit den Arbeitnehmern? Werden Sie allesamt und zu gleichen Konditionen übernommen? Prof. Dr. Michael Fuhlrott, Rechtsanwalt und Studiendekan Business Law an der Hochschule Fresenius Hamburg, weiß, dass das nur bedingt der Fall ist.
Als Schlecker Anfang des Jahres 2012 Insolvenz anmeldete, fürchteten tausende Mitarbeiter der Drogeriekette um ihre Jobs. Für viele sollten diese Befürchtungen wahr werden: Nur wenige Monate später lag bei über 11 000 Angestellten eine vom Insolvenzverwalter ausgestellte Kündigung im Briefkasten. Der Grund: Der Staat wollte die Kosten einer „Auffanglösung“ nicht mittragen, ein Erwerber für das Unternehmen war zudem nicht in Sicht.
Die von den Arbeitnehmern und Betriebsräten favorisierte Auffanglösung hätte vorgesehen, dass die Schlecker-Mitarbeiter zeitweise von einer sogenannten Transfergesellschaft übernommen und dort auch weiterhin bezahlt würden. Der Staat wäre für die Gehälter aufgekommen, hätte außerdem dafür gesorgt, dass die Angestellten Qualifizierungsmaßnahmen durchlaufen, um auf dem Arbeitsmarkt konkurrenzfähig zu bleiben – falls eine Übernahme des Schlecker-Konzerns durch einen Investor scheitern sollte und die Arbeitsplätze tatsächlich verloren gingen.
Diese Möglichkeit, die Phase des Betriebsübergangs zu gestalten, ist im Fall einer Insolvenz durchaus üblich – in der Causa Schlecker legte die Politik allerdings aufgrund der hohen Kosten ein Veto ein. Nicht immer ist eine Transfergesellschaft – auch Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft genannt – für den Staat so teuer wie in diesem Beispiel, zumal sie oftmals auch durch den Erwerber finanziell unterstützt wird.
Was kommt dann auf die Arbeitnehmer im Detail zu? Mit dieser Frage beschäftigt sich Prof. Dr. Michael Fuhlrott, Rechtsanwalt und Studiendekan Business Law an der Hochschule Fresenius Hamburg, nun schon seit geraumer Zeit – zuletzt im Rahmen eines Aufsatzes für das juristische Fachmagazin „Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht“.
„Das Thema Transfergesellschaft wird in juristischen Kreisen sehr kontrovers diskutiert“, so Fuhlrott. Das liege auch an den Nachteilen, die den Arbeitnehmern durch die Regelung entstünden. Zwar werde so das unmittelbare Abrutschen der Mitarbeiter in die Arbeitslosigkeit verhindert. „Aber ist der Betriebsübergang erst einmal erfolgreich vollzogen – sind also die Vermögenswerte des zahlungsunfähigen Unternehmens in die Hände eines neuen Gesellschafters übergegangen – ist dieser nicht dazu verpflichtet, Mitarbeiter aus der Transfergesellschaft bei sich einzustellen und kann außerdem neue Verträge aushandeln“, erklärt der Rechtsprofessor.
In vielen Fällen verdienen die übernommenen Angestellten deswegen nach dem Übergang weniger als zuvor, leistungsschwächere oder ältere Kollegen werden teilweise gar nicht mehr berücksichtigt und verlieren ihren Job. „Das läuft in der Praxis durchaus so ab“, weiß Fuhlrott. Genau aus diesen Gründen werde eine Transfergesellschaft immer wieder sehr kritisch bewertet: „Sie hebelt die arbeitnehmerschützende Wirkung, die im Falle eines Betriebsübergangs eigentlich gesetzlich wirksam wird, aus.“
Vielen Arbeitnehmern und Betriebsräten ist das mittlerweile bekannt. Dennoch stimmen sie im Insolvenzfall häufig geschlossen für eine Transfergesellschaft – und machen sie so erst möglich: „Nur wenn alle Angestellten einen sogenannten Aufhebungsvertrag unterzeichnen und damit freiwillig in die Transfergesellschaft wechseln, ist der Weg dafür frei“, so Fuhlrott. Zwar laufen die Unterzeichner auf diese Weise Gefahr, später weniger zu verdienen oder ganz den Job zu verlieren. „Aber wenn der Erwerber beteuert, dass eine Fortexistenz des Unternehmens nur unter diesen Bedingungen möglich sei, dann lenken die meisten doch ein“, analysiert er. Zumeist zögen Investoren außerdem den Betriebsrat auf ihre Seite, wodurch eine ablehnende Haltung noch problematischer würde.
„Alles in allem ist eine Transfergesellschaft nicht unbedingt zum Vorteil des Arbeitnehmers“, fasst der Rechtsexperte zusammen. Einige Gerichtsurteile der letzten zwei, drei Jahre hätten dies bestätigt, weshalb die Regelung mittlerweile bei Betriebsübergängen seltener zum Einsatz käme als früher und mittlerweile als Umgehungsgeschäft auf dem Prüfstand der Rechtsprechung stünde.
Ob nun arbeitnehmerfreundlich oder nicht: Für die Schlecker-Mitarbeiter wäre eine Transfergesellschaft damals der letzte Strohhalm gewesen.
Redaktion
Die adhibeo-Redaktion veröffentlicht regelmäßig Artikel zu verschiedensten Themen der Angewandten Wissenschaften, die an der Hochschule Fresenius stattfinden.
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