Psychologie und Wirtschaftspsychologie
Träume in Zeiten von Corona
von Beate Klofat, am 22.05.2020
Psychologie und Wirtschaftspsychologie
von Beate Klofat, am 22.05.2020
Covid-19 hat unser Leben in vielerlei Hinsicht verändert – und das betrifft nicht nur unser Wachleben. Auch auf unser Leben und Erleben im Schlaf wirkt sich die Pandemie aus. Viele Menschen, auch Studierende, die sich an unsere psychologische Beratungsstelle wenden, berichten, dass sie „seit Corona“ schlechter schlafen und mehr und belastender träumen. Was hat es damit auf sich? Träumen wir wirklich mehr während Corona? Beate Klofat ist Diplompsychologin und approbierte Psychotherapeutin. Sie arbeitet seit 2009 als Dozentin für Klinische Psychologie an der Hochschule Fresenius Hamburg, außerdem praktiziert sie in eigener Psychotherapiepraxis in der Speicherstadt. In ihrem Gastbeitrag berichtet sie darüber, was es mit Träumen in der Coronazeit auf sich hat.
Wenn man sich auf „träumen“ bezieht, muss man zunächst präzisieren, ob man Träume, also nach einer wissenschaftlichen Definition „psychischer Aktivität im Schlaf“ meint, oder „Träume“ im Sinne von „Traumerinnerung“. Man geht davon aus, dass wir alle jede Nacht träumen, unabhängig davon, ob wir am nächsten Tag glauben, geträumt zu haben oder nicht. Das weiß man unter anderem aus Schlaflabor-Studien, bei denen Menschen während des REM-Schlafs, also dem Schlafstadium, das nach den schnellen Augenbewegungen benannt ist, geweckt und nach ihrem (Traum-)Erleben unmittelbar vor dem Erwachen befragt wurden.
Wenn wir also den Eindruck haben, „mehr“ zu „träumen“, heißt das zunächst genau genommen, dass wir uns mehr an unsere Träume erinnern. Ob wir Träume erinnern, also die sogenannte „Traumerinnerungshäufigkeit“, hängt wiederum von vielerlei verschiedenen Faktoren ab: zum einen hat es etwas mit der Person zu tun, u.a. mit Geschlecht, Alter und bestimmten Persönlichkeitseigenschaften. Frauen erinnern sich z.B. durchschnittlich mehr an ihre Träume als Männer, und jüngere Menschen mehr als ältere. Auch Psychologie- und erst recht Kunststudierende haben laut Studien eine höhere Traumerinnerungsrate als z.B. Naturwissenschaftler und Ingenieure. Außerdem gibt es situative Faktoren, die die Traumerinnerung beeinflussen, z.B. aktueller Stress, Schlafqualität, Weckreize, Schlafdauer und wieviel Zeit man nach dem Erwachen hat, über etwaige Träume nachzudenken.
Ein Grund, warum so mancher in Zeiten von Corona den Eindruck hat, mehr zu träumen, kann darin bestehen, dass viele derzeit mehr Gelegenheit haben, länger zu schlafen, weil sie z.B. im Rahmen von häuslicher Quarantäne und Ausgangsbeschränkungen, Kurzarbeit oder Zwangsurlaub vielleicht ein Stündchen Schlaf oder mehr dranhängen. Oder weil der ein oder andere Arbeitnehmer im Homeoffice den Wecker schon mal eine Stunde später stellt. Oder sich nach dem Weckerklingeln nochmal umdreht oder mehrmals die Snooze-Taste drückt, wenn es keinen Chef gibt, der morgens vorwurfsvoll guckt, wenn man eine halbe Stunde später zur Arbeit kommt.
Aus Studien wissen wir, dass die Wahrscheinlichkeit, sich am nächsten Morgen an einen Traum zu erinnern um ca. 20 Prozent zunimmt, wenn man eine Stunde länger schläft als gewöhnlich. Und gerade morgendliches Wecker-weiter-stellen erhöht die Chance, während des gegen Morgen überwiegenden REM-Schlafs, in dem typischerweise lebendig und episodenhaft geträumt wird, wach zu werden. Außerdem scheint auch die Schlafqualität einen Einfluss auf die Traumerinnerung zu haben: wer schlecht schläft und nachts oft aufwacht, erinnert mehr Träume. Auch hier gibt es eine Verbindung zur aktuellen Situation: Die vielen mit Covid-19 verbundenen Ungewissheiten und Sorgen, auch die erhöhte Anspannung vor dem zu Bett gehen lassen viele von uns schlechter schlafen, öfters erwachen und schwerer wieder einschlafen – erst recht, wenn wir vorher Nachrichten und Corona-Spezial-Sendungen geguckt haben. Stress und belastende Lebensereignisse bzw. -phasen führen gewöhnlich zu mehr Traumerinnerung, und die aktuelle Situation belastet fast jeden von uns: Stress durch erzwungenen Stillstand oder Überlastung im Homeoffice ohne externe Kinderbetreuung, Belastung durch Social Distancing, durch Zukunftsängste, Finanzsorgen usw. Und noch ein Aspekt könnte die Traumerinnerung beeinflussen: Körperliche Aktivität scheint die Traumerinnerung eher zu senken, reduzierte Aktivität durch Ausgangssperren und Homeoffice müssten umgekehrt also ebenfalls zu einer höheren Traumerinnerung beitragen.
Die sogenannte „Kontinuitätshypothese“ der Traumforschung besagt, dass sich unser Wachleben in unseren Träumen widerspiegelt. So wundert es nicht, wenn auch der durch die Pandemie so deutlich veränderte Alltag in Träumen oder sogar Alpträumen erlebbar wird. Aus verschiedenen Studien z.B. über traumatisierte Kinder wissen wir, dass Traumata wie Gewalterfahrungen, Krieg oder Naturkatastrophen zu mehr Alpträumen führen, die aber nicht immer einen offensichtlichen Bezug zum real Erlebten haben. Dennoch ist Leben in Zeiten von Covid-19 sicherlich für die meisten Menschen, die nicht direkt betroffen sind oder an vorderster medizinischer Front kämpfen, kein Trauma im engeren wissenschaftlichen Sinne.
Was hat es nun damit auf sich, dass manche berichten, ihre Träume intensiver wahrzunehmen?
Vorstellbar ist, dass neben den beschriebenen Aspekten zur Traumerinnerungshäufigkeit, ein Teil der Bevölkerung mehr Zeit hat, sich bewusst an die Träume der vergangenen Nacht zu erinnern, wenn man morgens länger schlafen kann (z.B. wegen Kurzarbeit, Zwangsurlaub oder Homeoffice). Nach dem Aufwachen noch ein wenig im Bett zu liegen und über Träume nachzudenken, um danach in Ruhe aufzustehen, statt wie sonst nach dem Weckerklingen in morgendlichen Aktionismus zu verfallen, wenn Kinder versorgt und zur Schule gebracht und man selbst rechtzeitig im Büro oder an der Uni sein muss, erhöht die Chance auf Erinnerung an Träume, bevor ablenkende Reize gleich nach dem Erwachen das Erinnern verhindern.
Nicht nur die Traumhäufigkeit, auch die Trauminhalte sind beeinflussbar und können sich in Zeiten von Corona ändern. Laut einer Auswertung von Internet-Suchanfragen träumen Menschen seit der Pandemie angeblich z.B. vermehrt von Ex-Partnern. Es ist durchaus anzunehmen, dass sich auch die in Träumen vorkommenden Themen und Personen verändern. Ein Grund dafür kann sein, dass wir aufgrund des Social Distancings weniger Kontakte zu Mitmenschen haben, von deren sozialen Interaktionen wir sonst im Sinne der Kontinuitätstheorie statistisch eher träumen würden. Wenn nur noch die Angehörigen des eigenen Haushalts oder engsten Umfelds als Alltagssozialkontakte bleiben, oder, wenn jemand alleine lebt, keine greifbaren Bezugspersonen hat und somit keine Sozialkontakte, würde es nicht verwundern, wenn wir mehr von Personen aus den Medien, z.B. Tatortkommissaren, Serienfiguren, RKI-Wissenschaftlern, Söder, Spahn, der Kanzlerin oder Nachrichtensprechern träumen – oder eben dem Ex-Partner oder anderen Personen aus der Vergangenheit.
Im Zusammenhang mit den Trauminhalten fällt auf, dass Menschen derzeit häufiger Angst- und Alpträume erleben. Fördert die Pandemie tatsächlich Alpträume?
Dazu ist voraus zu schicken, dass Alpträume ja kein seltenes Phänomen sind, fast jeder kennt sie, zumindest aus der Kindheit. Etwa 10 Prozent der Erwachsenen haben immerhin mindestens einmal im Monat Alpträume, zumindest „vor Corona“ galt das als Daumenregel.
Alpträume entstehen allgemein durch eine Wechselwirkung von individueller Veranlagung und Stress oder Belastungen, denen jemand ausgesetzt ist. Und die mit der Pandemie verbundenen Stressoren und Belastungsfaktoren sind vielfältig, ob Stress durch Überforderung (z.B. Ärzte, Altenpfleger, alleinerziehende Berufstätige, die bis letzte Woche keinen Kitaplatz hatten) oder Unterforderung (Quarantäne, Zwangsurlaub, Arbeitsplatzverlust). Hinzu kommen Zukunfts- und Existenzängste, Orientierungslosigkeit und Kontrollverlusterfahrungen, Schwierigkeiten sich selbst zu strukturieren, häusliche Konflikte, mangelnder Ausgleich, und, nicht zuletzt, das Fehlen von Sozialkontakten.
Und dann handeln Alpträume inhaltlich bei Erwachsenen am häufigsten von Themen wie Verfolgung und Bedrohung – zumindest letzteres ist ein Gefühl, das uns seit und durch Corona auch tagsüber sehr verfolgt, erst recht, da die Bedrohung durch das für uns unsichtbare Virus und die so abstrakten epidemiologischen Statistiken von Neuerkrankungsraten und Todesfällen so schwer fassbar sind.
Hinzu kommt wieder: Wenn wir, wie oben erläutert, z.B. aufgrund längerer Schlafzeiten mehr Zeit im REM-Schlaf verbringen, und damit mehr träumen bzw. mehr Träume erinnern, steigt allein dadurch statistisch das Risiko für Alpträume.
Und dann lässt sich noch ein ganz anderer Zusammenhang zwischen Corona und Alptraumhäufigkeit hypothetisieren, der vielleicht zusätzlich mit hineinspielt: Eine in der Traumforschung scherzhaft „Peperoni-Pizza-Hypothese“ genannte Überlegung besagt, dass man nach schwerem, fettigem und scharfem Essen unruhiger schläft, und deshalb mehr (Alp-)Träume erinnert. Womöglich essen wir im Rahmen der Ausgangsbeschränkungen und aufgrund geschlossener Restaurants schlichtweg mehr Peperoni-Pizzen aus dem Tiefkühlfach (der Teil der Bevölkerung mit Zeitstress und Überlastung) oder kochen öfter und üppiger (diejenigen mit mehr Zeit) – und, begünstigt durch Social Distancing, vielleicht sogar mit mehr Knoblauch? Auch das wäre eine spannende Studie, dies mit Traum- und Altpraumfrequenz in Bezug zu setzen.
Wenn man nun, ob mit oder ohne Corona, tatsächlich häufiger von Alpträumen geplagt wird, was lässt sich dagegen tun?
Aus psychologischer und schlafmedizinischer Sicht ist es auf jeden Fall sinnvoll, Alpträume aktiv anzugehen, erst recht, wenn man regelmäßig darunter leidet – das gilt übrigens ganz unabhängig von Corona. Wie so oft bei psychischen Phänomenen sind Vermeidungs- und Verdrängungsstrategien wenig hilfreich. Gerade eine Haltung, die in Alpträumen vorkommenden Ängste und dahinterliegenden Befürchtungen oder Probleme zu ignorieren, statt sich damit auseinander zu setzen, Probleme anzupacken und Stress zu reduzieren, bewirkt eher das Gegenteil. Und das beginnt schon bei dem Satz „das war ja nur ein Traum“, mit dem man die Bedeutung wegwischen möchte.
Ebenfalls wenig erfolgversprechend und nicht zu empfehlen sind medikamentöse Behandlungsansätze, mittels derer z.B. der traumreiche REM-Schlaf unterdrückt wird.
Hilfreich ist, auf einen guten Schlaf zu achten und die sogenannten „schlafhygienischen Regeln“ zu beherzigen: dazu gehört u.a. das Einhalten eines regelmäßigen Schlaf-Wach-Rhythmus (auch am Wochenende, auch im Homeoffice, auch in der vorlesungsfreien Zeit …) mit Schlaf zu Nachtzeiten, und morgendlichem Aufstehen (nicht erst mittags), sowie einem aktiven Tag, an dem man auch rausgeht und sich bewegt, und den man abends ruhig, z.B. mit einem immer wiederkehrenden Ritual, ausklingen lässt. Außerdem sollte man sich von Alkohol fernhalten, und insbesondere abends vor medialer Überreizung schützen. Aus schlafmedizinischer Sicht problematisch sind überdies PC-, TV- und Handy-Bildschirme, u.a. wegen des Blaulicht-Anteils, das dem Gehirn suggeriert, dass es schon wieder Morgen wird. Auch sollte man sich – im Sinne der Kontinuitätshypothese – nicht den ganzen Tag mit negativen und belastenden Bildern, Talkshows, Krimis, Nachrichten oder Corona-Reports füttern, erst recht nicht vor dem Zubettgehen. Gegen Alpträume sinnvolle Alternativen sind Bücher oder Hörbücher ohne belastende Inhalte, Tagebuch schreiben, Musik hören oder idealerweise ein Entspannungsverfahren zu nutzen. Ob Progressive Muskelentspannung (PMR), Autogenes Training, Atementspannung, Phantasiereise oder Achtsamkeitsübung, und ob über CD, App oder selbst durchgeführt, bleibt dabei dem eigenen Geschmack überlassen.
Die vermutlich eleganteste, aber nicht für jeden leicht erlernbare Methode gegen Alpträume ist das „Luzide Träumen“ oder „Klarträumen“, bei dem einem bewusst ist, dass man träumt, während man träumt, was Alpträumen den Schrecken nimmt und diese möglicherweise sogar willentlich steuer- und veränderbar macht. Ein ganzer Forschungszweig beschäftigt sich inzwischen mit dem Luziden Träumen und wie man es trainieren oder induzieren kann. Auch an der Hochschule Fresenius in Hamburg haben wir zu diesem Thema letztes Semester eine experimentelle Studie zum Einfluss von nächtlichen Weckungen und Wachphasen auf Luzidität von Träumen durchgeführt.
Gegen Alpträume gibt es außerdem eine sehr gut erforschte spezielle Alptraumtherapie (die sogenannte „Imagery Rehearsal Therapy“ und verschieden Varianten davon) die sehr gut und meist erstaunlich schnell, in einer Hand voll Sitzungen, hilft. Das Prinzip ist ein verhaltenstherapeutisches: wie bei der Angst- oder Traumabehandlung wird die Konfrontation mit dem Ängstigenden genutzt, indem man sich den Alptraum in der Vorstellung noch einmal möglichst detailliert vergegenwärtigt und dann aufschreibt. Im zweiten Schritt soll sich der Patient dann eine angstreduzierende Lösung für die Alptraumszene, d.h. ein weniger erschreckendes oder sogar positives neues Ende des Traums ausdenken und auch dieses aufschreiben, wobei hier der Phantasie keine Grenzen gesetzt sind. Zuletzt soll sich der Patient den Traum mit dem neuen Ende über ca. 14 Tage ein paar Minuten täglich möglichst plastisch vorstellen.
Inzwischen belegen Studien, dass diese Technik auch in Gruppen, mittels Telefonberatung oder als buchgestützte Eigentherapie erfolgversprechend ist. Auch als betroffener Laie kann man dieses Vorgehen nutzen, um sich selbst seinen z.B. Corona-Alpträumen zu stellen und diese und die dahinterliegenden Ängste zu bewältigen.
Wenn das nicht hilft und sich abzeichnet, dass mehr hinter den Alpträumen steckt, zum Beispiel ein Traumahintergrund oder eine Depression oder Angststörungen, sollte man sich allerdings an einen Psychotherapeuten wenden. Wenn andere Symptome, z.B. wie Schlafwandeln hinzukommen, sollte man sich an einen Arzt, am besten einen Schlafmediziner wenden.
Bislang war von Erwachsenen die Rede. Wie steht es mit Kindern und Jugendlichen? Haben auch sie heutzutage Zeit mehr Alpträume?
Der Alltag von Kindern und Jugendlichen hat sich mindestens so stark verändert wie der von Erwachsenen. Insbesondere bei jüngeren Kindern kommt hinzu, dass sie weniger begreifen, weshalb das so ist. Sie sehen Menschen mit Masken, hören von einer schlimmen Krankheit, dürfen nicht mehr in den Kindergarten, stehen vor abgesperrten Spielplätzen, sollen plötzlich nicht mehr mit anderen Kindern spielen und müssen dafür ständig Händewaschen.
Ich selbst bin keine Kindertherapeutin, bekomme aber bei meiner eigenen 5jährigen Tochter mit, dass sie seit Corona unruhiger schläft und sogar zwei Alpträume hatte, und vorher nie. Das kann aber auch schlichtweg an ihrem Alter liegen, in dem Kinder ohnehin eher und im Vergleich zu Erwachsenen häufiger Alpträume haben. Auch Kinder und Jugendliche können auf die mit der Pandemie verbundenen Veränderungen und Belastungen mit vermehrten Alpträumen reagieren. Als weiterer Grund kann der gestiegene Fernseh- und Medienkonsum Alpträume begünstigen, erst recht, wenn es um nicht altersgerechte Filme geht, oder z.B. mit den Eltern Nachrichten mitgeschaut werden.
Ansonsten gilt auch bei Kindern das oben Besagte, um Schlafstörungen und Alpträumen in Zeiten von Corona vorzubeugen: Sorgen und Probleme (tagsüber!) besprechen und angehen, achten auf adäquaten und möglichst reduzierten Medienkonsum, Schlafhygiene beachten, abends ein Schlafritual einführen mit z.B. Vorlesen von Gute-Nacht-Geschichten und dann noch einem Schlaflied, oder ein psychologisches Entspannungsverfahren nutzen (für Kinder gibt es z.B. die sehr schönen „Kapitän Nemo Geschichten“ von Petermann).
Auch die beschriebene Alptraumtherapie wirkt bei Kindern sehr gut. Bei kleineren Kindern kann man den Alptraum auch malen lassen und dann das Kind anregen, selbst ein weniger erschreckendes Ende entwickeln, das man wiederum phantasieren lässt und in die Zeichnung einbaut, so dass dann z.B. ein beschützendes Einhorn vor das Monster gemalt wird. Das kann man auch als Elternteil anleiten und begleiten.
Unabhängig davon, ob Kind, Jugendlicher oder Erwachsener: Wenn es weiterhin zu häufigen Alpträumen, also mehr als einmal pro Woche kommt, oder Angst- und Alpträume so belastend sind, dass man sich beeinträchtigt fühlt, oder wenn sich deshalb sogar eine Angst vor dem Schlafengehen entwickelt, sollte man sich an einen Psychotherapeuten bzw. Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten wenden. Und auch der Kinder- oder Hausarzt ist eine gute erste Anlaufstelle, nicht zuletzt, weil Alpträume auch mit organischen Erkrankungen zusammenhängen oder durch Medikamente oder Suchtstoffe ausgelöst werden können.
Abschließend bleibt im Zusammenhang mit Träumen in Zeiten von Corona die Frage, ob unsere Träume sich durch die beginnenden Lockerungen wieder normalisieren, wenn sich in vielen Bereichen des Lebens wieder eine Art „Normalität“ einstellt.
Zur erwähnten Kontinuitätstheorie würde auch passen, dass mit mehr „Normalität“ (was auch immer das sein mag) im Alltag auch wieder mehr „Normalität“ in den Träumen einkehrt – ob Normalität im Sinne von „wie vor Corona“ oder im Sinne einer „neuen Normalität“ mit Corona. Außerdem sinkt unser Stress ja auch in dem Maß, in dem wir es geschafft haben, uns an eine neue Situation anzupassen, insbesondere wenn wir uns mehr Orientierung und Kontrolle verschafft haben. Auch das ist ja im Verlauf der vergangenen Wochen der Pandemie passiert: Wir haben uns Umgangsstrategien, Wissen und Fertigkeiten angeeignet, uns Mundschutze genäht, an Videokonferenzen und Online-Unterricht gewöhnt, wer es noch nicht konnte hat inzwischen skypen & Co gelernt.
Ich selbst als mit Computern auf Kriegsfuß stehende „digital-un-native“ produziere inzwischen digitale Vorlesungen, zusammen mit meinen Patienten und Studierenden habe ich mich an Therapie- und Beratungssitzungen per Videosprechstunde gewöhnt, weiß neuerdings wie man Screenshots in SMS-Nachrichten einbaut und benutze mehr Emojis, von deren Existenz ich vor Corona gar nichts wusste (wie dem mit dem Mundschutz). Mein zweiter „Corona-Traum“ vergangene Woche war überdies so unspektakulär, dass ich mich gar nicht mehr daran erinnere. Von einem Studenten oder einer Studentin, die zum Thema „Träume(n) in Zeiten von Corona“ Bachelor- oder Masterarbeit bei mir schreiben möchte, träume ich allerdings immer noch… Interessierte Studierende, auch von anderen Standorten dürfen sich gerne bei mir melden!
Zur Autorin: Beate Klofat ist Diplompsychologin und approbierte Psychotherapeutin. Sie arbeitet seit 2009 als Dozentin für Klinische Psychologie an der Hochschule Fresenius Hamburg, außerdem praktiziert sie in eigener Psychotherapiepraxis in der Speicherstadt – bzw. aktuell in „virtueller Praxis“ über Video-Sprechstunden und unterrichtet aus dem Homeoffice. Ihre Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind Traumafolgestörungen und Parasomnien, insbesondere Schlafwandeln und Alpträume. Angesichts der schrittweisen Corona-Erleichterungen freute sie sich am meisten über die erweiterte Kita-Notbetreuung für Alleinerziehende und hofft, bald wieder „Live“ vor Ihren Studierenden unterrichten zu dürfen. Ihren ersten Traum in der Corona-Zeit hatte sie vor etwa vier Wochen, sie befand sich in einem im Dschungel abgelegenen asiatischen Tempel, wo ihr bei der Begegnung mit anderen Rucksackreisenden entsetzt einfiel, dass sie ihren Mundnasenschutz vergessen hatte und sich mit den anderen fragte, was nun zu tun sei. Daraufhin hat sie das Thema „Träume in Zeiten von Corona“ als Bachelorarbeitsthema einem ihrer Bacheloranden vorgeschlagen – zu ihrem großen Bedauern hat sich der Psychologie-Student dann aber doch für ein anderes Thema entschieden.
Beate Klofat
Beate Klofat ist Diplompsychologin und approbierte Psychotherapeutin. Sie arbeitet seit 2009 als Dozentin für Klinische Psychologie an der Hochschule Fresenius Hamburg, außerdem praktiziert sie in eigener Psychotherapiepraxis in der Speicherstadt.
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