Medien
Pauken per Chat
von Redaktion, am 16.01.2014
Medien
von Redaktion, am 16.01.2014
Social Networks – einst als Freundschafts- und Kontaktnetzwerke groß geworden, werden sie heute vielmehr dazu genutzt, Informationen zu suchen und auszutauschen. Das kann auch im Studium sehr nützlich sein: Im Chat mit Kommilitonen brütet man über dem Prüfungsstoff, in Foren recherchiert man Hausarbeitsthemen oder Klausurfragen. Auf welche Weise Studierende im Social Web lernen, damit hat sich Dr. Birgit Spies, Medienwissenschaftlerin an der Hochschule Fresenius Hamburg, in ihrer Doktorarbeit auseinandergesetzt – und dabei auch einen Vergleich mit dem Mutterland der Social Networks gezogen.
„Update Sturm! Aufgrund eines Schadens am Gebäude der Alten Rabenstraße 1 bleibt die Hochschule heute geschlossen!“, verbreitete der AStA der Hochschule Fresenius Hamburg Anfang Dezember auf seiner Facebook-Seite. Zu dieser Zeit bedrohte Orkan Xaver die Hansestadt und machte nicht nur an der Hochschule Fresenius den Unterricht unmöglich.
Wie viele Studierende tatsächlich über den Facebook-Auftritt des AStA vom Unterrichtsausfall erfahren haben, lässt sich heute nur schwierig beantworten. Der über das Social Network verbreitete Warnhinweis macht jedoch deutlich: Facebook & Co. sind für Studierende längst mehr als nur Freundschaftsnetzwerke. Sie dienen vielmehr der Weitergabe und Aufnahme von Informationen – in den seltensten Fällen geht es dabei allerdings um Katastrophen-Updates.
Vor allem beschaffen sich die Studierenden hierüber nämlich studienrelevante Infos. Bis wann muss der Sozialbetrag gezahlt werden? Wo muss ich mich für meine Prüfungen anmelden? Oder: Wie funktioniert das Coase-Theorem? Antworten auf diese und andere Fragen suchen die Hochschüler in den Social Networks, vornehmlich in Facebook. Dort, im mit rund 26 Millionen Mitgliedern größten sozialen Netzwerk in Deutschland, schließen sie sich in Gruppen zusammen, chatten mit ihren Kommilitonen oder versorgen sich über offizielle Fanseiten, wie jene der AStA, mit Neuigkeiten.
„Es ist erstaunlich, wie viele Studierende das Social Web zum studienbezogenen Austausch nutzen“, sagt auch Dr. Birgit Spies, Dozentin an der Hochschule Fresenius Hamburg. Die Medienwissenschaftlerin war schon vor einigen Jahren auf das veränderte Informationsverhalten ihrer Studierenden aufmerksam geworden und entschloss sich wenig später, genauere Untersuchungen dazu anzustellen. Die Ergebnisse der umfangreichen Studie können heute in ihrer Dissertationsschrift „Lernen im Social Web“ nachgelesen werden.
Im Zentrum der Doktorarbeit stehen, das kann man bereits dem Titel entnehmen, Aktivitäten im Social Web, von denen die Studierenden aus lerntheoretischer Sicht profitieren können. „Das kann sich auf die Weitergabe von Wissen, die Recherche von Informationen aber auch auf organisatorische Tätigkeiten beziehen“, erklärt Spies. Um herauszufinden, welche dieser Praktiken im Social Web am häufigsten zu beobachten sind, hat sie rund 400 deutsche Studierende befragt. Knapp die Hälfte gab an, das Social Web mindestens einmal in der Woche oder sogar mehrmals täglich für organisatorische Absprachen zu nutzen. Immerhin noch ein Viertel leitet im selben zeitlichen Takt Wissen an andere Personen weiter.
„Das ist durchaus als solidarischer Akt unter Studierenden zu verstehen“, sagt Spies, verweist aber auch darauf, dass dieser Altruismus im Vergleich mit einem anderen wichtigen Industrieland weniger stark ausgeprägt ist: „In den USA geben die Studierenden über die sozialen Netzwerke viel häufiger Wissen an andere weiter als hierzulande.“ Für organisatorische Zwecke und Absprachen werden sie dort dagegen seltener genutzt. So geht es aus der Analyse der Tagebücher von neun deutschen und acht US-amerikanischen Studierenden hervor, die diese eigens für die Untersuchung geführt hatten.
Auch damit hatte Spies sich im Rahmen ihrer Studie nämlich auseinandergesetzt, denn „wie weit deutsche Studierende bei der Nutzung der Social Networks für Lernzwecke sind, das zeigt sich erst im Vergleich mit einem Land wie den USA.“ Dort sei die digitale Durchdringung der Gesellschaft nun mal noch stärker – vor allem bei der jüngeren Bevölkerung: „Vergleicht man die Aktivitäten der jungen deutschen und amerikanischen Erwachsenen miteinander, so ist auffällig, dass die jungen Amerikaner im Netz deutlich aktiver sind, häufiger Beiträge bereitstellen und stärker in Sozialen Online Netzwerken zu finden sind“, drückt Spies es in ihrer Doktorarbeit aus.
Die stärkere Verbreitung und längere Nutzungsgeschichte der sozialen Netzwerke, darin sieht die Medienwissenschaftlerin mögliche Ursachen für die abweichenden studienbezogenen Aktivitäten US-amerikanischer Hochschüler. Genauso könne aber ein anderes Verständnis des Begriffs „Lernen“ dafür verantwortlich sein: „Wie es aus meiner Befragung hervorgeht, hat Lernen für US-Studierende viel mehr mit einer Erweiterung der Lebenserfahrung oder dem Gewinnen neuer Einsichten zu tun“, erklärt Spies und ergänzt: „Es könnte sein, dass sie deswegen stärker den Wissensaustausch mit anderen suchen.“
Ganz gleich, was die Ursache auch ist: Fest steht, dass das Social Web das Lernverhalten Studierender in den USA wie in Deutschland verändert hat und weiter verändern wird. Für die Lernforschung hat das zur Konsequenz, dass es hier in Zukunft unbedingt notwendig ist, „die Aktivitäten einer Person im Netz im Zusammenhang mit Lernprozessen zu betrachten, gleich ob sie der unmittelbaren Lösung von Lernaufgaben dienen oder erst später als Fragment zu einem größeren Ganzen zusammengesetzt werden“, appelliert Birgit Spies in ihrer Doktorarbeit.
Redaktion
Die adhibeo-Redaktion veröffentlicht regelmäßig Artikel zu verschiedensten Themen der Angewandten Wissenschaften, die an der Hochschule Fresenius stattfinden.
Herzlichen Dank für diesen sehr informativen Beitrag. Mich hat er angespornt eine eigene Geschichte dazu zu schreiben. Er wirkte auf mich inspirierend.
https://www.socialmedialernen.com/evaluation/schule-wird-sich-radikal-veraendern-muessen/