Psychologie und Wirtschaftspsychologie

Wirtschaft und Management

Serie „Junge Unternehmen“, Teil 2: Die Matchmaker

von Redaktion, am 26.06.2013

Nur knapp drei Prozent aller Bewerbungen von Hochschulabsolventen führen zu einem Arbeitsvertrag. Der Grund für das Debakel: Zu spät stellt der Personaler fest, dass ihm die Nase des Bewerbers nicht passt. Verschwendete Zeit, meint Robin Sudermann, Absolvent der Hochschule Fresenius Köln. Er hat deshalb die Firma Talents Connect gegründet, die vorab Passungsanalysen zwischen Absolvent und Unternehmen durchführt. Die Idee kommt gut an – so gut, dass sich Sudermann und seine Geschäftspartner schon jetzt mit den typischen Problemen eines erfolgreichen Startups auseinandersetzen müssen.

Vier Vorstellungstermine in vier Monaten, keiner verlief erfolgreich. Davon berichtet Nutzer „Hullulullu“ im Forum studis-online.de. Trotz dieser Rückschläge bleibt er aber optimistisch: „Sechs Monate suchen, ist, denke ich, normal“, schreibt er weiter. So wie er haben sich viele Hochschulabsolventen damit abgefunden, dass nach dem Abschluss erst einmal einiges an Zeit und Energie für die Jobsuche drauf geht.

In der JobTrends-Studie 2013 ist die missliche Lage der Absolventen in Zahlen ausgedrückt: Von rund 182 000 Bewerbungen führen nur 13 Prozent zu einem Vorstellungsgespräch. An dieser zweiten Hürde scheitern anschließend nochmal über drei Viertel der Personen. Unterm Strich münden also nur knapp drei Prozent der Bewerbungen in ein Beschäftigungsverhältnis.

Robin Sudermann kennt diese Statistiken. Er führt sie bei jeder Unternehmenspräsentation an. Denn diese Statistiken sind der Grund, warum es sein Unternehmen Talents Connect überhaupt gibt. „Häufig bemerken Arbeitgeber und Absolvent einfach viel zu spät, dass sie nicht zusammenpassen“, erklärt Sudermann, der ein Studium der Wirtschaftspsychologie an der HS Fresenius Köln absolviert hat. Seine Geschäftspartner und er haben deswegen eine Art Früherkennungssystem entwickelt: Auf talentsconnect.com müssen Unternehmen und Jobsuchende je fünf Fragen zum eigenen Profil beantworten, dann wird ein Matching durchgeführt. Ein Prozentwert, die sogenannte Matching Score, gibt anschließend Aufschluss über die Passgenauigkeit – je höher der Wert, desto wahrscheinlicher, dass beide Parteien am Ende auch zueinander finden.

Personalsuche mit wissenschaftlichen Methoden – ein ideales Betätigungsfeld für Wirtschaftspsychologen

Dieses Prinzip kommt gut an: Seit der Unternehmensgründung im März 2013 haben sich rund 350 Unternehmen und knapp zehnmal so viele Jobsuchende, darunter nicht nur Hochschulabsolventen, bei Talents Connect registriert – Tendenz steigend. Als Verantwortlicher für das Produkt bei Talents Connect hat sich Sudermann aber nicht auf dem Erreichten ausgeruht: „Wir haben das Matching-Verfahren wissenschaftlich weiterentwickelt“, erklärt er. Wo bislang nur fünf einfache Fragen beantwortet werden mussten, wird jetzt ein psychologischer Test durchgeführt: „Unternehmen und Jobinteressenten haben nun die Möglichkeit, grundlegende Werte anzugeben, sich selbst zu beschreiben und Angaben zu einem möglichen Arbeitsalltag zu machen“, erläutert der 30-Jährige.

Um sicher zu gehen, dass hierbei auch verwertbare Ergebnisse zustande kommen, hat Talents Connect einen Experten an Bord geholt: Mit Prof. Dr. Christian Dries, Wirtschaftspsychologe an der HS Fresenius Köln, hat man sich erst kürzlich auf eine strategische Zusammenarbeit geeinigt. „Er wird uns bei der Validierung des Fragebogens unterstützen und uns außerdem zu Kundenterminen begleiten“, so Sudermann.

Neben fertig ausgebildeten arbeiten aber auch angehende Wirtschaftspsychologen für das Unternehmen: Sechs der insgesamt 18 Mitarbeiter befinden sich noch Mitten im Studium. Sudermann ist sehr zufrieden damit, wie die Nachwuchs-Wirtschaftspsychologen „ihr wissenschaftliches Verständnis auf die Unternehmenspraxis übertragen.“ Er vertraue ihnen blind, beteuert er. Allerdings gelte das auch für den Rest seiner Kollegen: „Die meisten von ihnen kenne ich schon sehr lange. Hier ist über die Zeit eine sehr enge Verbindung entstanden.“

Wachstum geht über Schmerzen – jedes erfolgreiche Startup gelangt irgendwann an den Punkt, an dem strukturelle Veränderungen notwendig sind

In dieser familiären Atmosphäre haben formale Mittel der Arbeitsorganisation bislang eher wenig Platz gehabt: „Wir haben uns immer gegen diese Strukturen gewehrt, führen zum Beispiel immer noch kein Arbeitszeitreporting durch“, so Sudermann. Seit der Erstgründung im Jahr 2010 – damals noch als Beraterfirma und unter dem Namen 22 Talents – ist das Unternehmen aber derart stark gewachsen, dass Sudermann und seine Geschäftspartner heute nicht mehr umhin kommen, sich mit den typischen Problemen eines erfolgreichen Startups auseinanderzusetzen.

„Es kommt der Tag, an dem junge Unternehmen Prozesse formal fixieren und einen bürokratischen Apparat aufbauen müssen“, weiß auch Dr. Robert Paust, Organisationsforscher und Dozent an der HS Fresenius München. Er spricht in diesem Zusammenhang von „Wachstumsschmerzen“: „Es kann durchaus Unbehagen hervorrufen, gewohnte Freiräume gegen Standards und klare Regeln einzutauschen“, sagt Paust. Doch nur so könne verhindert werden, dass man nicht mit jedem ausscheidenden Mitarbeiter wieder von vorne beginnen muss: „Der Ausscheidende nimmt das Wissen, wie etwas läuft, ja mit – dem Unternehmen fehlt dieses Wissen dann.“

Es wird sich zeigen, wie Talents Connect diese Umbruchphase übersteht. Klar ist, dass das Unternehmen weiter wachsen wird – und zwar mindestens solange, bis kein Absolvent mehr sechsmonatige Bewerbungsphasen für normal hält.

Serie: Junge Unternehmen

Im Laufe ihres Studiums haben viele Studierende eine gute Geschäftsidee. Zumeist jedoch fehlt ihnen der Glaube an den eigenen Erfolg oder das Wissen über den Markt – die Idee bleibt in der Schublade liegen. Einige wenige aber wagen den nächsten Schritt und gründen ein eigenes Unternehmen. In unserer Serie „Junge Unternehmen“ stellen wir Hochschule-Fresenius-Absolventen vor, denen die Idee nicht genug war. Heute: Robin Sudermann, Mitgründer von Talents Connect.

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Die adhibeo-Redaktion veröffentlicht regelmäßig Artikel zu verschiedensten Themen der Angewandten Wissenschaften, die an der Hochschule Fresenius stattfinden.

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