Medien

„Private und werbliche Kommunikation ist in den Sozialen Medien selten unterscheidbar – und keinen scheint es zu stören“

von Redaktion, am 24.06.2015

Schleichwerbung gab es bislang vor allem im Fernsehen. Doch mit zunehmender Bedeutung der Sozialen Medien müssen die deutschen Medienaufsichtsbehörden ihren Blick auch dorthin richten  was sie aber noch zu selten tun, sagt Prof. Dr. Markus Ruttig, Dozent für Recht an der Hochschule Fresenius Köln. Im Interview erklärt er, was Blogger, YouTuber und Instagramer beachten sollten, wenn sie rechtskonform handeln wollen.

Über das Thema Schleichwerbung wird derzeit wieder fleißig diskutiert – doch diesmal geht es nicht ums Fernsehen. Stattdessen stehen Plattformen wie YouTube und Instagram im Fokus. Wo liegt das Problem?

Es geht darum, dass viele bekannte Blogger, YouTuber oder Instagramer in ihren Beiträgen, die im Netz hundertausendfach gelesen oder angeschaut werden, Werbung für Produkte machen, ohne diese Werbung entsprechend zu kennzeichnen. Die genannten Plattformen wurden aber vom Gesetzgeber vor einigen Jahren als rundfunkähnliche Dienste eingestuft. Das heißt, dort gelten dieselben rechtlichen Regelungen, die auch beim Fernsehen oder in Zeitungen zur Anwendung kommen. Und diese besagen eben, dass es eine sichtbare Trennung zwischen redaktionellem Inhalt und Werbung geben muss. So lässt es sich aus § 4, Nr. 3 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb ganz allgemein ableiten. Und so ist die Schleichwerbung auch spezialgesetzlich für alle Medien geregelt und verboten.

Diese Einheitlichkeit in der medialen Kommunikation macht auch Sinn. Denn wenn der Werbecharakter in TV-Programmen, Presseerzeugnissen oder eben bei den auf YouTube und Co. gezeigten Handlungen verschleiert wird, besteht die Gefahr der Irreführung der Zuschauer – und unter diesen finden sich bekanntermaßen gerade bei YouTube und Instagram sehr viele Kinder und Jugendliche, die hiergegen noch zu wenig sensibilisiert sind.

Ab wann genau ist in diesen Fällen die Grenze zur Werbung überschritten? Wie müssten die Blogger, YouTuber und Instagramer ihre werblichen Tätigkeiten kennzeichnen?

Sie müssen schlichtweg darauf hinweisen, dass die betroffenen Beiträge Werbung enthalten. Private und werbliche Kommunikation muss für den Zuschauer eindeutig unterscheidbar sein. Das ist in den Sozialen Medien allerdings nur selten der Fall – und keinen scheint es wirklich zu stören: Die Jugendlichen, die die Videos anschauen, behaupten, die Schleichwerbung sei ihnen egal und die Landesmedienanstalten verschließen bislang zu oft die Augen. Auch Klagen anderer Unternehmen blieben bisher aus, obwohl es sich hier eindeutig um unlauteren Wettbewerb handelt. Scheinbar möchte sich die Branche diese schöne neue Möglichkeit, Native Advertising zu betreiben, nicht nehmen lassen.

Wenn dann doch mal Werbung in den Sozialen Medien gekennzeichnet wird, passiert das häufig so: Neben einem Bild auf Instagram wird im dazugehörigen Post der Hashtag „sponsored“ genutzt – ein kleines Wörtchen, meist inmitten von ganz viel Text. Reicht das wirklich aus?

Nein, das reicht nicht aus. Die Hinweise müssen dem Gesetz nach, erstens, deutlich zu erkennen sein und, zweitens, zu Beginn oder am Ende eines Beitrags auftauchen.

Gerade im Zusammenhang mit Kleidung ist die Frage „Schleichwerbung oder nicht?“ doch bestimmt oft schwierig zu beantworten. Nehmen wir an, ein YouTuber hat einmalig einen Geldbetrag dafür erhalten, damit er die Kappe der Marke X in einem seiner Videos trägt, ganz rechtskonform mit entsprechendem Werbehinweis natürlich. Nehmen wir weiter an, er findet die Kappe persönlich tatsächlich sehr schön und trägt sie ab sofort auch in vielen weiteren Clips – ohne dafür Geld zu erhalten, aber auch ohne entsprechenden Hinweis. Ist das nun Schleichwerbung?

Das ist ein schwieriges Beispiel. Vermutlich dürfte der Protagonist in den Folgesendungen auf den Hinweis verzichten. Denn wenn er dafür kein Geld mehr erhält, handelt es sich ja tatsächlich um rein private Kommunikation, ohne die Absicht fremde Geschäfte zu fördern. Welche Kleider man bei einem Auftritt in den Medien trägt, darüber hat der Gesetzgeber nicht zu entscheiden. Jedenfalls dann nicht, wenn dafür kein Geld bezahlt wird oder eine andere Form der Vergütung erfolgt.

Übertragen wir das Beispiel mal von der virtuellen in die reale Welt: Stellen wir uns vor, eine nicht prominente Person wird einer Firma bezahlt, sich eine Woche lang in der Öffentlichkeit einer Großstadt zu bewegen – ständig gehüllt in Klamotten der Firma. Müsste man das entsprechend kennzeichnen? Schließlich wird diese Person von so vielen anderen Menschen gesehen, dass sich die Reichweite der Aktion mit der eines YouTube-Clips vergleichen lässt.

Ähnliche Maschen sind uns ja von Sportübertragungen schon bekannt: Dort laufen Trainer und Verantwortliche auch mit Firmenlogos auf der Kleidung durch das Stadion. Aber bei einer Person handelt es sich eben nicht um einen Mediendienst oder ein Presseerzeugnis. Hier besteht keine Notwendigkeit, Inhalt und Werbung voneinander zu trennen – die Person aus Ihrem Beispiel muss also kein Sternchen neben dem Markenlogo platzieren und so einen Hinweis auf seine werbliche Tätigkeit geben.

Sobald aber Medien ins Spiel kommen, ändert sich das: Wenn die Person beispielsweise vor der Kamera interviewt wird und dabei eine Firma oder Marke über den grünen Klee lobt, dann handelt es sich wieder um Werbung, die eigentlich kennzeichnungspflichtig wäre.

Die Unternehmen, auf deren Internetplattformen Schleichwerbung gezeigt wird, haben ihren Sitz häufig nicht in Deutschland. Inwiefern spielt das eine Rolle für die Belangungsmöglichkeiten im Falle von Rechtsverletzungen durch Schleichwerbung?

Eigentlich ist der Sachverhalt relativ klar: Alle Aktivitäten von Personen in den Sozialen Medien, die einen klaren Bezug zum deutschen Inland aufweisen, fallen auch unter die deutsche Rechtsprechung. Ob das so ist, kann man anhand der Sprache feststellen oder anhand der gezeigten Produkte.

Aber natürlich gibt es auch auf diesem Feld immer wieder Rechtsstreitigkeiten: Die deutsche Sprache wird ja bekanntermaßen auch in Österreich und der Schweiz gesprochen, genauso kann man dort Produkte kaufen, die es auch hier gibt. Und mal fernab der Schleichwerbung: Was macht man mit dem rechtswidrigen, auf Deutsch verfassten Kommentar eines deutschen Staatsbürgers auf der englischsprachigen Facebook-Fanpage des Wall Street Journals? Hier käme wohl allein das US-amerikanische Gesetz zur Anwendung.

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Redaktion
Die adhibeo-Redaktion veröffentlicht regelmäßig Artikel zu verschiedensten Themen der Angewandten Wissenschaften, die an der Hochschule Fresenius stattfinden.

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