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Wirtschaft und Management

Schlechte Ladeinfrastruktur und geringe Reichweite

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von Prof. Dr. Mahammad Mahammadzadeh, Magnus Hermann (M.A.), Prof. Dr. Lutz Becker, am 20.11.2017

Elektrofahrzeuge sind derzeit überall im Gespräch. Bisher sind aber weder das Angebot noch die Ladeinfrastruktur groß genug, um potentielle Käufer zu überzeugen. Was schreckt die Konsumenten ab und wie können Elektrofahrzeuge besser in den Markt integriert werden? Ein Gastbeitrag von Prof. Dr. Mahammad Mahammadzadeh, Studiendekan Automotive & Mobility Management (B.Sc.) an der Hochschule Fresenius Köln, Fachbereich Wirtschaft & Medien, Magnus Hermann (M.A.) und Prof. Dr. Lutz Becker, Studiendekan Master Sustainable Marketing & Leadership (M.A.) an der Hochschule Fresenius Köln, Fachbereich Wirtschaft & Medien. 

Der Automobilmarkt befindet sich derzeit in einem Umbruch. Umweltschutz wird immer wichtiger, zusätzlich hat der Diesel-Skandal die Konsumenten verunsichert. Dennoch sind Elektrofahrzeuge noch nicht vollständig im Markt integriert. Die Vorteile, die ein vollelektrischer Antrieb gegenüber den konventionellen Antrieben bietet, können bisher nicht die Nachteile überbieten, die die Konsumenten empfinden.

Nachhaltigkeit: Bedeutung und Herausforderungen

Der weltweite Ausstoß von Emissionen ist seit dem 20. Jahrhundert um mehr als das Zwanzigfache angestiegen. Die Debatte zur Schonung von Ressourcen oder der Reduktion von CO2-Ausstößen wird infolgedessen immer lauter. In den meisten Industriezweigen werden neue Ansätzen gesucht, um den Klimawandel zu verlangsamen oder gar vollständig zu stoppen [1]. Die Umstellung der PKW mit Verbrennungsmotoren auf Elektromotoren ist dabei einer von vielen Ansätzen. Das Thema der alternativen Antriebe wird nicht nur in der Politik intensiv diskutiert, sondern gewinnt auch bei Autofahrern zunehmend an Bedeutung. Schlagzeilen wie „Diesel-Affäre“ oder „Zu hohe Feinstaubwerte“ verstärken das Interesse an einer sauberen Mobilität. Da der Electric Vehicle (EV)-Boom“ aber noch nicht ausgebrochen ist, investieren Automobilkonzerne nur begrenzt in die Entwicklung neuer Elektrofahrzeuge. Zudem muss weiterhin zur Förderung der alternativen Antriebe eine komplett neue Infrastruktur in Form von E-Tankstellen aufgebaut werden [2]. Aktuell ist das Fahrzeugangebot jedoch nicht attraktiv und vielfältig genug, um den heutigen Autofahrer zu überzeugen. Auch die derzeitige Ladeinfrastruktur weist weiterhin Lücken auf, Ladestationen sind noch nicht flächendeckend vorhanden. Diese Faktoren sind große Hindernisse und prägen die Kaufentscheidung stark.

Auch E-Gebrauchtwagen werden bisher kaum nachgefragt

Die Hochschule Fresenius Köln hat 2017 eine Studie mit 266 Autofahrern durchgeführt, in der die Motive beim Gebrauchtwagenkauf abgefragt wurden. Auch Elektrofahrzeuge kamen darin vor. Die Bewertung des sogenannten Kaufrisikos des Stromers wurde anhand von 22 diversen Eigenschaften gemessen. Diese Eigenschaften wurden in sechs wahrgenommene Kaufrisiken untergliedert, gruppiert und nach absteigender Bewertung der Wichtigkeit geordnet: Physisches Risiko, psychisches Risiko, funktionales Risiko, finanzielles Risiko, zeitliches Risiko sowie soziales bzw. ökologisches Risiko [5], [6].

Laut dieser Studie erfährt der ökologische Faktor bei einem Gebrauchtwagenkauf kaum Beachtung. Doch gerade bei einem Elektrofahrzeug liegt hierin eines der Hauptargumente für den Kauf. Deutsche Autofahrer sind derzeit verunsichert und nehmen die neue Mobilität der Elektrofahrzeuge als riskante Alternative wahr. Die schlechte Ladeinfrastruktur, die geringe Reichweite sowie die hohen Anschaffungskosten sind Größen der Kaufentscheidung, die der Staat sowie die Automobilkonzerne signifikant reduzieren müssen.

Wesentliches Kaufmotiv ist die Reduktion von Emissionen

In der Umfrage konnten die befragten Autofahrer Argumente für den Kauf eines gebrauchten Elektrofahrzeugs frei äußern. Demgemäß war eine Kategorienbildung möglich, welche auf eine sich wiederholende Antwortstruktur aufgebaut ist. Dabei wird sichtbar, dass das wesentliche Kaufmotiv die Reduktion von Emissionen im Straßenverkehr ist. Diese Wahrnehmung spiegelt auch die Realität wider. Vollelektrische Fahrzeuge können als „Zero Emission Vehicles“ bezeichnet werden. Das bedeutet, dass Fahrzeuge bei örtlicher Betrachtung bzw. Nutzung keine schädlichen CO2-Emissionen ausstoßen. Derzeit ist die Klimabilanz eines Elektroautos um 23 Prozentpunkte besser als die eines konventionellen Fahrzeuges. Bis 2020 wird eine Steigerung der Bilanz der Elektrofahrzeuge im Vergleich zu Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren auf bis zu 30 Prozent erwartet [7]. Zudem wird deutlich, dass der finanzielle Faktor von starker Relevanz ist. Die günstigeren Anschaffungskosten eines Gebrauchten, die günstigeren Kosten des Aufladens bzw. Tankens sowie die niedrigeren Unterhaltskosten des Fahrzeuges werden als wichtige Kaufmotive genannt. Zudem geben knapp zehn Prozent eine staatliche Förderung als Grund für einen Gebrauchtwagenkauf eines Elektrofahrzeuges an.

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Grafik 1: Gründe für den Kauf eines gebrauchten Elektrofahrzeugs (266 befragte Autofahrer, Mehrfachnennung möglich)

Quelle: Eigene Darstellung

Schlechte Ladeinfrastruktur und Reichweite halten die Kunden vom Kauf ab

Die schlechte Ladeinfrastruktur und die geringe Reichweite der reinen Elektrofahrzeuge sind wesentliche Kritikpunkte der neuen Mobilität. Derzeit ist das deutsche Ladenetz noch lückenhaft. Dies zwingt die E-Autofahrer, ihre Routen intensiv zu planen. Die in Deutschland erwerblichen Elektrofahrzeuge mit der höchsten Reichweite kommen durchschnittlich nach etwa 230 Kilometern  zum Stehen. Den höchsten Wert erreicht das Tesla Model S mit ca. 400 bis 450 realen Kilometern [8]. Darüber hinaus existieren Faktoren, die die Maximalreichweite weiter beeinflussen können. Die Nutzung der Heizung bzw. Klimaanlage, hohe Geschwindigkeiten oder auch niedrige Außentemperaturen verringern die Reichweite enorm.

Neben der geringen Reichweite nimmt der Ladevorgang eine deutlich größere Zeitspanne ein als der Tankvorgang bei konventionellen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren. Bei einer 30 kWh Batterie beträgt die Ladezeit, je nach verwendeten Komponenten, etwa eine bis maximal 13 Stunden. Eine Aufladung bis 80 Prozent verringert die kurzmöglichste Ladezeit auf etwa eine halbe Stunde. Doch an der Behebung dieser Problematik wird bereits gearbeitet. So veröffentlichte Daimler eine neue Ladetechnik, mit der in Zukunft innerhalb von fünf Minuten etwa 100 Kilometer Reichweite geladen werden können [9]. Auch Continental gab eine neue Ladetechnik bekannt. Mit der „AllCharge-Lösung“ wird der elektrische Antriebsstrang des E-Autos zum Universal-Ladegerät (AC-einphasig, AC-dreiphasig oder DC-Schnelladen) und macht eine maximale Ladeleistung von bis zu 800V und 350kW möglich [10].

Werden die reinen Anschaffungskosten zwischen einem Elektro- und Verbrennungsfahrzeug gegenübergestellt, so wird deutlich, dass das Elektrofahrzeug bei vergleichbaren Spezifikationen deutlich teurer ist. Dies lässt sich auf die Herstellungskosten des Akkumulators zurückführen. Vor fünf Jahren lagen die Kosten einer Elektrofahrzeugbatterie bei durchschnittlich 600 Euro pro kWh. Durch die Nutzung von Skaleneffekten liegt der Preis heute unter 220 Euro pro kWh Batterieleistung. Um jedoch vergleichbar bezüglich der Anschaffungskosten mit konventionellen Fahrzeugen zu sein, müsste der Preis pro kWh der Batterie bis auf unter 140 Euro sinken. Bis Ende des Jahrzehnts werden die Herstellungskosten pro kWh auf weniger als 100 Euro prognostiziert [11], [12], [13].

E-Mobility2

Grafik 2: Gründe gegen den Kauf eines gebrauchten Elektrofahrzeugs (266 befragte Autofahrer, Mehrfachnennung möglich)

Quelle: Eigene Darstellung

Fehlende Anreize von gebrauchten Elektrofahrzeugen

Die Elektromobilität ist ein sinnvoller Trend, der allerdings zukünftig weiterer Förderungen bedarf, um sich am Markt durchsetzen zu können. Durch die Minimierung von Kaufrisiken können die Absatzzahlen von neuen und gebrauchten vollelektrischen Fahrzeugen gesteigert werden. Um dies in der Praxis umsetzen zu können, müssen der Kaufprozess, das Angebot und die Kommunikation auf die Merkmale und die individuellen Persönlichkeiten des Gebrauchtwagenkäufers ausgerichtet werden. Es sollen die Informationsasymmetrien der potentiellen Käufer minimiert bzw. vollständig eliminiert werden.

Zielgruppenorientierte Information und Kommunikation

Durch die Analyse der persönlichen Risiken der Käuferschaft und mithilfe einer gezielten Ansprache können Kaufinteressenten optimal erreicht werden. Nachhaltig orientierte Personen benötigen eine Kommunikation, die auf der Grundlage der lokalen Emissionsfreiheit des Gebrauchtwagens basiert. Darüber hinaus können Angebote gefertigt werden, die das Umweltbewusstsein weiter stärken. Ein Beispiel hierfür wäre das „Vehicle-to-Grid“-Konzept. Durch die Kombination des Fahrzeugerwerbs und weiterer nachhaltiger Konzepte anhand einer monetären Unterstützung, können ausschlaggebende Anreize zum Kauf eines gebrauchten Elektrofahrzeugs für diese Zielgruppe geschaffen werden. Geringverdiener bzw. Personen, die keine hohen finanziellen Mittel für ein Fahrzeug ausgeben möchten, benötigen günstige Angebote der gebrauchten Elektrofahrzeuge. Der hohe Kaufpreis des Fahrzeugs ist hauptsächlich von den Batteriekosten abhängig. Spezielle Angebote wie Batteriemieten, Batteriegarantien, allgemeine Gebrauchtwagengarantien oder günstige Finanzierungsmöglichkeiten wecken das Interesse dieser Zielgruppe. Darüber hinaus sollte die Kommunikation auf die niedrigen Folgekosten ausgerichtet sein. Die geringe Abnutzung der einzelnen Fahrzeugkomponenten und die damit verbundene Langlebigkeit der vollelektrischen Fahrzeuge sind Vorteile, die das wahrgenommene finanzielle Kaufrisiko anhand einer konkreten Informationsweitergabe größtenteils reduzieren.

Staatliche Förderung

Damit das Interesse der Allgemeinheit an der Elektromobilität im Gebrauchtwagensektor weiter steigt, können die wahrgenommen Kaufrisiken mittels des Staates bzw. der Automobilhersteller minimiert werden. Eine Möglichkeit dabei wäre der Ausbau der Ladeinfrastruktur anhand von neuen E-Tankstellen. Ebenfalls kann durch die Forschung und Entwicklung eine höhere Maximalreichweite mit einer Batterieladung sowie die Verkürzung eines Ladevorgangs erreicht werden. Explizit kann der Staat durch eine Verschärfung der CO2-Grenzwerte für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren oder mit der Bewilligung einer monetären Unterstützung die Forschung, die Technologie sowie den Ausbau der Infrastruktur in diesem Bereich ankurbeln.

Stärkung des Umweltbewusstseins

Doch nicht nur die Technik muss den Autofahrer überzeugen, sondern auch die Intension des Wandels der Mobilität muss verstanden werden. Zwar geben mehr als zweidrittel der Autofahrer an, gebrauchte Elektrofahrzeuge wegen der Emissionsfreiheit und der Umweltfreundlichkeit als höchst attraktiv zu empfinden, jedoch überwiegen die wahrgenommenen Kaufrisiken. Gerade der ökologische Faktor wird bei einem Gebrauchtwagenkauf außer Acht gelassen. Darum scheitern schon einige Kaufprozesse der Stromer in den frühen Stadien. Durch einen Dialog zwischen der Wirtschaft bzw. dem Staat mit den Autofahrern, können umweltrelevante Wissensinhalte vermittelt und die Aufklärung weiter gefördert werden. Dies hätte nicht nur Auswirkungen auf die Mobilität, sondern auch positiven Einfluss auf die Verwendung und Nutzung von äquivalenten ökologischen Produkten zur Ressourcenschonung oder auf die Reduzierung weiterer Umweltbelastungen.

Ausblick

Mit Spannung kann die zukünftige Entwicklung der Branche betrachtet werden. Aus aktueller Perspektive sind viele Zukunftsszenarien möglich, welche jedoch anhand der heutigen Forschung noch nicht konkretisiert werden können. Ob und wie stark sich der Klimawandel und die Klimapolitik auf die Nachfrage von vollelektrischen Neu- oder Gebrauchtwagen auswirkt, lässt sich erst in den kommenden Jahren beantworten. Weitere Faktoren werden in diese Entwicklungen mit einfließen: Die mediale Resonanz ebenso wie die politische Agenda (Gesetze, Steuererhöhungen, Fahrverbote). Zuletzt wird es darauf ankommen, wie schnell sich die angewendeten Techniken in diesem Bereich weiterentwickeln.

Literatur

[1] Bertram, M./Bongard, S. (2013): Elektromobilität im motorisierten Individualverkehr – Grundlagen, Einflussfaktoren und Wirtschaftlichkeitsvergleich, Springer-Verlag, Heidelberg 2013.

[2] Proff, H./Proff, H./Fojcik, T./Sandau, J. (2014): Management des Übergangs in die Elektromobilität: Radikales Umdenken bei tiefgreifenden technologischen Veränderungen, Springer-Verlag, Wiesbaden 2014.

[3] Kraftfahrt-Bundesamt (2017): Nachgefragte Gebrauchtwagen, verfügbar unter: http://www.kba.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2016/Fahrzeugzulassungen/pm01_2016_n_01_16_pm_komplett.htm (06.01.2017).

[4] Deutsche Automobil Treuhand GmbH (2016): DAT Report 2016, Deutsche Automobil Treuhand GmbH, Ostfildern 2016.

[5] Kuß, A./Diller, H. (2001): Kaufrisiko, in Diller, H. (Hrsg.): Vahlens Großes Marketing Lexikon, S. 757-758, Beck und Vahlen, München 2001.

[6] Hoyer, W./MacInnis, J./Pieters, R. (2016): Consumer Behavior, 7. Auflage, Cengage ELT, Boston 2016.

[7] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (2016): Wie klimafreundlich sind Elektroautos, verfügbar unter: http://www.bmub.bund.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Verkehr/emob_klimabilanz_2015_bf.pdf (10.05.2017).

[8] Verkehrsclub Deutschland (2016) Ranking der Elektroautomodelle mit der größten Reichweite in Deutschland, verfügbar unter: https://www.vcd.org/fileadmin/user_upload/Redaktion/Themen/Auto_Umwelt/VCD_Auto-Umweltliste/VCD_Elektroauto-Liste_2016.pdf (10.05.2017).

[9] Daimler AG (2017): Mythos Ladeproblematik, verfügbar unter: https://www.daimler.com/innovation/next/mythos-ladeproblematik.html (24.08.2017).

[10] Continental Corporation (2017): AllCharge-Lösung von Continental macht Elektroautos fit für jede Ladetechnik, verfügbar unter: https://www.continental-corporation.com/de/presse/pressemitteilungen/allcharge-loesung-von-continental-macht-elektroautos-fit-fuer-jede-ladetechnik-63852 (16.11.2017).

[11] Nykvist, B./Nilsson, M. (2015): Rapidly falling costs of battery packs for electric vehicles, in: Nature Climate Change, Vol. 5, No. 4, 2015, S. 329-332.

[12] Milan, C. (2013): Geschäftsmodelle in der Elektromobilität. Wirtschaftlichkeit von Elektroautos und Traktionsbatterien, Tredition, Hamburg 2013.

[13] Horváth & Partners (2017): Studie: Preise für E-Autos stagnieren – trotz rasant fallender Batteriekosten, verfügbar unter: https://www.horvath-partners.com/de/presse/aktuell/detail/date/2017/07/03/studie-preise-fuer-e-aut

Über den Autor

Prof. Dr. Mahammad Mahammadzadeh, Magnus Hermann (M.A.), Prof. Dr. Lutz Becker
Prof. Dr. Mahammad Mahammadzadeh lehrt als Studiendekan für Automotive & Mobility Management (B.Sc.) und Prof. Dr. Lutz Becker als Studiendekan für den Masterstudiengang Sustainable Marketing & Leadership (M.A.) an der Hochschule Fresenius in Köln. Magnus Hermann absolvierte seinen Master in Sustainable Marketing & Leadership an der Hochschule Fresenius.

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