IT, Mobilität und Technologie

Wirtschaft und Management

„Die Genies, die aus Daten die richtigen Schlüsse ziehen und ein konkurrenzloses Produkt entwickeln können, sitzen im Silicon Valley“

von Redaktion, am 10.06.2015

In der deutschen Industrie geht die Angst um. Die Unternehmen fürchten, dass Tech-Riesen wie Google, Facebook oder Apple ihnen in naher Zukunft den Rang ablaufen könnten – den Möglichkeiten der Informationstechnologie sei Dank. Auch im zweiten Teil des Interviews zum Thema Industrie 4.0 gibt Prof. Dr. Rainer Wagner, Dozent an der Hochschule Fresenius München und Geschäftsführer des Stuhlherstellers TOPSTAR, wieder interessante Einblicke.

Neben der Robotik geht es beim Begriff Industrie 4.0 auch um die Informationstechnologie und ihre Möglichkeiten. Cloud, Big Data, Smart Services – das sind hier die Schlagworte. Wie beurteilen Sie die Entwicklungen in diesen Bereichen?

Die Amerikaner sind hier Vorreiter, soviel ist klar. Google, Facebook, Apple und wie sie alle heißen, beschäftigen sich sehr intensiv damit, wie die Welt durch Datensammlung und -auswertung vermeintlich besser gemacht werden kann. Dabei stoßen diese Unternehmen in Felder vor, die eigentlich von der klassischen Industrie besetzt sind. Denken Sie an das Android Auto, mit dem Google gerade von sich reden macht. Die Software fürs Auto – die kam bislang vor allem von den Autoherstellern selbst.

Bei vielen großen Industriefirmen geht daher die Angst um, diese Tech-Unternehmen könnten sie zu einfachen Zulieferbetrieben degradieren. Nach dem Motto: Karosserie und Motor sind noch von BMW, der Rest von Google. Und Google geht ja noch weiter: Im Rahmen des Self-Driving Car Projects entwickelt man eigene Autos – Autos, die sich selbst steuern. Viele werfen der deutschen Autoindustrie, die sich ja für gewöhnlich nach außen hin abschottet, deswegen vor, dass sie zu wenig auf Google, Apple und Co. zugehe. Angeblich war das auch einer der Gründe für den Machtkampf in der VW-Führungsriege.

Man kann jedenfalls davon ausgehen, dass die nachrückenden Jahrgänge, die demnächst den Führerschein machen oder ihn seit kurzem in der Tasche haben, einem Google-Auto gegenüber aufgeschlossen wären. Googles Image ist ja gerade unter Jüngeren trotz der belegten Datensammelwut immer noch ziemlich gut.

Das stimmt. Es steht ja dann doch keiner auf, wenn es mal einen Grund dazu gäbe. Als Facebook damals WhatsApp übernommen hat, gab es einen kurzen Aufschrei und man hat sich nach alternativen Messanger-Plattformen umgesehen. Am Ende war das aber auch nur ein Strohfeuer.

Die Macht von Google, Facebook und Co. ist weiterhin einfach gigantisch. Wir speisen tagtäglich wahnsinnig viele Daten freiwillig ins Netz ein – wer sie vernünftig auswertet, kann viel damit anfangen. Und die Genies, die am Ende aus den Daten die richtigen Schlüsse ziehen und ein konkurrenzloses Produkt entwickeln können, sitzen nun mal alle im Silicon Valley.

Die digitalen Innovationen, die im Silicon Valley entstehen, machen uns das Leben häufig bequemer, nehmen uns Entscheidungen ab. Aber wenn wir uns immer mehr durch den Computer steuern lassen, verlieren wir dann nicht nach und nach unsere Problemlösekompetenz, unsere Kreativität? Immerhin zwei Eigenschaften, die wir Computern und Robotern momentan noch voraushaben.

Klar, diese Gefahr besteht. Aber auch das sind wieder eher pessimistische Zukunftsszenarien. Soweit ich das im Moment erfassen kann, sind viele Kreative von den Möglichkeiten der Digitalisierung eigentlich sehr begeistert. Sie begreifen gerade digitale Open-Source- und Open-Innovation-Plattformen als Chance, um die Kreativität der Masse – sozusagen die Schwarmkreativität – zu nutzen.

Probleme entstehen in diesem Zusammenhang eher im Bereich Urheberschutz. Wem gehört denn eine Idee, die im Rahmen einer Open-Innovation-Strategie entstanden ist? Wer darf sie am Ende nutzen, um Geld zu verdienen? Antworten auf diese Fragen sind bislang noch nicht gefunden. Deswegen verweigern sich auch viele deutsche Unternehmen dieser neuen Innovationstechniken, weil sie befürchten, dass entstehende Ideen schnell von anderen abgeschaut werden. Ihre Erfahrungen mit Industriespionage haben viele Unternehmen misstrauisch gemacht.

Teil eins des Interviews mit Prof. Rainer Wagner findet sich hier.

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Die adhibeo-Redaktion veröffentlicht regelmäßig Artikel zu verschiedensten Themen der Angewandten Wissenschaften, die an der Hochschule Fresenius stattfinden.

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