IT, Mobilität und Technologie

Psychologie und Wirtschaftspsychologie

Entscheidungsstressbewältigung am Computer

von Redaktion, am 15.05.2015

Tagtäglich müssen wir viele Entscheidungen treffen und dabei häufig zwischen zahlreichen Alternativen wählen. Das gilt für das Privat- genauso wie für das Arbeitsleben. Sebastian Pioch, Informationswissenschaftler an der Hochschule Fresenius Hamburg, hat nun ein Online-Tool entwickelt, das den Entscheidungsstress mindern soll.

Noch vor 150 Jahren wurden den Menschen die meisten Entscheidungen in ihrem Leben der Natur oder Gesellschaft abgenommen: Ging die Sonne unter, konnte man vielen Tätigkeiten nicht mehr nachgehen, weil es kein elektrisches Licht gab; Hatte man sich von seinem Ehepartner emotional entfernt, musste man trotzdem bei ihm bleiben – ein Ehebruch hätte gesellschaftliche Ächtung nach sich gezogen.

Heute, in einer Zeit, in der uns der technologische Fortschritt das Leben stetig komfortabler macht und außerdem viele gesellschaftliche Konventionen an Wirkungskraft verloren haben, handeln wir unabhängiger und weniger fremdbestimmt. Das empfinden aber nicht alle Menschen als Vorteil, denn die Frequenz der Entscheidungssituationen ist dadurch höher geworden, ebenso wie die Anzahl der Entscheidungsalternativen. Was esse ich heute zu Abend? Welches Buch lese ich als nächstes? Fahre ich heute mit dem Fahrrad oder doch mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zur Hochschule? – Auf diese und viele weitere Fragen müssen wir tagtäglich Antworten finden. Das ist anstrengend und gemäß der Theorie der Entschleunigung auch ein Grund, warum sich viele Menschen überfordert und erschöpft fühlen.

Wohin in den Urlaub? Eine neue Software hilft bei der Entscheidungsfindung

Kann ein neu entwickeltes Online-Tool dabei helfen, den Entscheidungsstress zu mindern? Die Entscheidungshilfe-Software Proofler habe zumindest diesen Anspruch, erklärt Sebastian Pioch, Informationswissenschaftler an der Hochschule Fresenius Hamburg und Mitentwickler des Tools. „Mit Hilfe der Software sollen die Nutzer systematisch zu einer Entscheidung hingeführt werden und am Ende ein gutes Gefühl dabei haben“, beschreibt Pioch knapp das Prinzip.

In der Anwendungspraxis sieht das so aus: In einem ersten Schritt werden beim Proofler Optionen und allgemeine Bewertungskriterien gesammelt. Benötigt man beispielsweise Hilfe bei der Wahl der Urlaubsdestination, speist man die Optionen „Italien“, „USA“ und „Thailand“ in das Tool ein und verschlagwortet sie kurz (z.B. „Italien“: „Pizza und Pasta, schöne Strände“). Zusätzlich nennt man Kriterien, die man zur Bewertung eines Urlaubs für gewöhnlich heranzieht („Erholung“, „Gutes Essen“). Nun kann man über das Tool abstimmen, inwieweit welches Kriterium bei welchem Urlaubsziel erfüllt ist. Fährt man gemeinsam mit anderen in den Urlaub, hat man außerdem die Möglichkeit, diese Personen an der Entscheidung teilhaben lassen: Über einen Linkversand kann man beliebig viele Nutzer in den Entscheidungsprozess miteinbeziehen.

Der Proofler soll Entscheidungsprozesse dokumentieren – für Startups eine interessante Anwendungsmöglichkeit

Doch nicht nur für private Zwecke kann der Proofler genutzt werden. In erster Linie soll die Software Unternehmen dabei helfen, die richtige Entscheidung zu treffen – und vor allem: den Weg hin zu einer Entscheidung zu dokumentieren. „Der Proofler soll transparent machen, warum Unternehmensangehörige eine Handlungsoption gewählt haben. In einer zunehmend komplexeren Wirtschaftswelt weiß man ja häufig im Nachhinein nicht mehr, wie es dazu kam. Ein Blick in die Proofler-Daten genügt, um zu erfahren: Aha, das waren damals also die relevanten Kriterien“, erklärt Sebastian Pioch. Gerade Startup-Unternehmen, denen es häufig noch an institutionalisierten Prozessen fehle und in denen gerade am Anfang noch einige Fehler gemacht würden, könne das Instrument deswegen weiterbringen, glaubt er.

Wie gut sich der Proofler in der Praxis schlägt, wird sich in den kommenden Monaten zeigen. Anzunehmen ist, dass sich einige Menschen in Deutschland angesichts der heutigen Entscheidungsbelastung über eine derartige Hilfestellung durchaus freuen dürften – ob nun bei der Arbeit oder privat.

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Die adhibeo-Redaktion veröffentlicht regelmäßig Artikel zu verschiedensten Themen der Angewandten Wissenschaften, die an der Hochschule Fresenius stattfinden.

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