Psychologie und Wirtschaftspsychologie

„Alte Gewohnheitsmuster sollen aufgebrochen werden“

von Redaktion, am 04.03.2016

Für gewöhnlich ist eine Hochschule der Ort für Forschung und nicht der Gegenstand. Im Fall des im Januar 2016 gestarteten Projekts „Energieeffizienz und CO2-Einsparungen an Hochschulen“ (ECHO) trifft beides zu: An ausgewählten Hochschulen soll im Rahmen des dreijährigen Projekts das Energienutzungsverhalten optimiert werden. Die Maßnahmen, die dabei zum Einsatz kommen, werden wiederum von der Hochschule Fresenius Idstein, der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und dem HIS-Institut für Hochschulentwicklung e.V. erarbeitet und evaluiert. Am Ende sollen die Erkenntnisse der Öffentlichkeit, insbesondere Hochschulen, zugänglich gemacht werden. Prof. Dr. Andreas Homburg, Studiendekan Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Fresenius Idstein, leitet die großangelegte Untersuchung für die Hochschule Fresenius. Im Interview klärt er über Inhalte und Zielsetzungen auf.

Das Projekt ECHO ist im Januar 2016 angelaufen. Insgesamt hat es eine Laufzeit von drei Jahren. Was ist in der gegenwärtigen Projektphase zu tun?

Derzeit sichten wir noch die Bewerbungen. Es haben nämlich ziemlich viele Hochschulen in Deutschland ihr Interesse bekundet, sich gewissermaßen als Untersuchungsobjekte zur Verfügung zu stellen – oder besser: mit uns zu kooperieren. Schließlich hat das Projekt zum Ziel, die teilnehmenden Hochschulen innerhalb der drei Jahre zu energieeffizienteren Einrichtungen zu formen – und das ist für Hochschulen aus sozialer, ökologischer, aber natürlich auch aus ökonomischer Sicht sehr sinnvoll.

Wie viele Hochschulen werden denn am Ende als „Untersuchungsobjekte“ teilnehmen?

Wir werden bis April zehn bis elf Hochschulen ausgewählt haben.

Für jede der kooperierenden Hochschulen wird dann – gemeinsam mit einem Projektteam vor Ort – eine Energiesparkampagne entwickelt. Was genau beinhaltet die Kampagne?

Es geht darum, den Energiebeauftragten der teilnehmenden Hochschulen ein Instrumentarium an die Hand zu geben, mit dem diese das Energieverbrauchsverhalten ihrer Kollegen positiv beeinflussen können. Ziel ist es, eine effektive und effiziente Kampagne zu entwickeln und umzusetzen. Deswegen hat das Projekt auch einen psychologischen Schwerpunkt: Schließlich sollen Verhaltensänderungen herbeigeführt bzw. Mitarbeiter und gegebenenfalls auch Studierende zu energieeffizientem Verhalten im Arbeitsalltag motiviert werden. Alte Gewohnheitsmuster sollen aufgebrochen werden. Das ist kein leichtes Unterfangen. Mit welchen Methoden dies gelingen kann, wollen wir den Energiebeauftragten im Rahmen von Workshops und Schulungen vorstellen.

Nehmen wir an, die geschulten Energiebeauftragten machen ihren Job gut und motivieren ihre Kollegen, stärker auf den Energieverbrauch zu achten: In welchen Situationen sollten sich diese Kollegen danach anders verhalten?

Ich gebe ein paar Beispiele: Um frische Luft ins Zimmer zu lassen, sollten sie beispielsweise das Fenster nicht länger auf Kipp stellen, sondern stoßlüften. Bei längerer Abwesenheit sollten sie den Computer herunterfahren, statt ihn im Standby-Modus weiterlaufen zu lassen. Sie sollten das Licht beim Verlassen des Raumes ausschalten und kurz vor Feierabend die Heizung drosseln.

Damit sind nur einige Punkte genannt. Wichtig ist, dass sich die Kampagnen vor Ort auf eine konkrete Verhaltensweise konzentrieren, sonst – das zeigen unsere Erfahrungen – verzetteln sich solche Maßnahmen schnell. Aber wenn diese konkreten Verhaltensweisen nach der Kampagne mehrheitlich umgesetzt werden, dann war unser Projekt schon ziemlich erfolgreich.

Die genannten Verhaltensänderungen wirken sich in der Summe logischerweise positiv auf die Energiebilanz der Hochschulen aus. Haben Sie sich in diesem Zusammenhang ein messbares Ziel gesetzt?

Ja, am Ende sollen die teilnehmenden Hochschulen in den für die Kampagne ausgewählten „Interventionsgebäuden“ ihren Energieverbrauch um sieben bis zehn Prozent gesenkt haben. Wir werden eine Vorher-Nachher-Messung – auch bei „Kontrollgebäuden“ – durchführen, um zu überprüfen, ob wir dieses Ziel erreicht haben. Zudem werden unsere Workshops und die Kampagnenarbeit vor Ort evaluiert, um aus den Praxiserfahrungen für uns als Forschende und für Nachfolger – das heißt andere Hochschulen, die energieeffizienter werden wollen – möglichst viel zu lernen.

Es wird klar: Die Energiebeauftragten der Hochschulen spielen gewissermaßen die Schlüsselrolle in Ihrem Projekt. Viele dieser Personen haben vermutlich einen Bildungshintergrund als Ingenieur oder Techniker. Welche Kompetenzen müssen Sie den Energiebeauftragen – Sie nennen sie in Ihrer Untersuchung auch „Change Agents“ – vermitteln, damit die Projektziele erreicht werden?

Wir wollen sie darin unterstützen, Klimaschutz auch als „sozialen Prozess“ zu begreifen. Es geht darum, Kompetenzen in bestimmten Bereichen zu vermitteln, z.B. wie man Unterstützer für die Sache gewinnen und die Kampagnen systematisch planen kann. Ein Plakat aufzuhängen, auf dem über Energiesparmöglichkeiten informiert wird, ist zu wenig.

Man muss hier vielmehr Potenziale im Nutzerverhalten erkennen können, die Zielgruppen angepasst ansprechen und Auftaktveranstaltungen durchführen. Einzelne Interventionsmaßnahmen sollten nach psychologischen Erkenntnissen ausgewählt werden. Man muss den Kollegen außerdem vermitteln, dass die Führungspersonen hinter der Kampagne stehen.

Wir hoffen, den Change Agents zu zeigen, wie sie das umsetzen können. Wie schon gesagt, hoffen wir aber auch, als Forschende Neues zu lernen! Kooperationen mit der Praxis sind keine Einbahnstraße.

Über den Autor

Redaktion
Die adhibeo-Redaktion veröffentlicht regelmäßig Artikel zu verschiedensten Themen der Angewandten Wissenschaften, die an der Hochschule Fresenius stattfinden.

0 Kommentare

Ihr Kommentar

Sie möchten Sich an der Diskussion beteiligen? Hinterlassen Sie uns Ihren Kommentar!
Bitte beachten Sie dabei unsere Netiquette. Vielen Dank.

Schreiben Sie einen Kommentar