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Wirtschaft und Management

„Realität und Virtualität werden immer stärker verschmelzen“

von Redaktion, am 22.11.2013

Ikea oder Lego zeigen uns schon jetzt, wie die Zukunft des Einkaufens dank der Augmented Reality aussehen könnte: Möbelstücke können virtuell im eigenen Wohnzimmer herumgerückt, Modellflugzeuge, noch im Laden zum Fliegen gebracht werden. „Produkte und Dienstleistungen werden schlichtweg erlebbarer“, fasst Prof. Ludwig Hinkofer, Studiendekan Medien- und Kommunikationsmanagement an der Hochschule Fresenius München, die Möglichkeiten der „Erweiterten Realität“ zusammen. Im Interview stellt er aber auch heraus, dass man der neuen Technik, mit der auch sofortige Gesichtserkennung möglich ist, durchaus skeptisch gegenüber stehen sollte.

Wenn man die wissenschaftliche Literatur heranzieht: wie wird der Begriff „Augmented Reality“ dort definiert?

Beschreibungen für Augmented Reality gibt es inzwischen sehr viele. Ich möchte hier eine von Ronald Azuma zitieren. Er definiert Augmented Reality als eine Kombination von virtueller Realität und realer Umwelt mit teilweisen Überlagerungen, mit Interaktion in Echtzeit und dreidimensionalem Bezug von virtuellen und realen Objekten. Bei dieser Definitionen ist es wichtig, dass man zwischen einer „virtuellen“ und einer „wirklichen“ Realität unterscheidet. Ein Beispiel für die „virtuelle“ Realität sind interaktive Rollenspiele, bei denen man in die Rolle eines Avatars schlüpft. Bei der Augmented Reality bleiben wir dagegen in der „wirklichen“ Realität, die aber mit weiterführenden Informationen angereichert wird. So kann man sich – ausgestattet mit der richtigen App – auf dem Smart Phone Zusatzinformationen zu seiner Umgebung einblenden lassen.

Ein konkretes Beispiel, wie die Augmented Reality aussehen kann, wird auch in einem bekannten Video-Clip von Google beschrieben: ein Mensch läuft dort mit einer Datenbrille auf der Nase durch die Welt und erhält über deren Display akustische und visuelle Informationen über seine Umgebung – sogar telefonieren lässt sich mit der Brille. Noch gibt es dieses sogenannte Google Glass noch nicht im Handel, lange wird es aber nicht mehr dauern. Wenn es dann einmal zum Verkauf angeboten wird: was glauben Sie, wird dieses Produkt gleich zum Verkaufsschlager?

Anlässlich des Twitter-Börsengangs am 07.11. hat die adhibeo-Redaktion ein Medienspezial gestartet. In insgesamt fünf Artikeln werden aktuelle Medienthemen vorgestellt und von Experten beleuchtet. Zum Auftakt erläuterte Prof. Dr. Dominik Große Holtforth, Studiendekan Medien- & Kommunikationsmanagement an der Hochschule Fresenius Köln, die Gefahren und Chancen des Twitter-Börsengangs. Es folgten Beiträge zum Berufsbild „Promireporter“ und zur Schnelllebigkeit der Medien.

Heute spricht Prof. Ludwig Hinkofer darüber, wie ein Leben in der Augmented Reality bald aussehen könnte. In der nächsten Woche erscheint der letzte Artikel des Spezials:

  • Druck bleibt frisch: Eine Studie der HS Fresenius belegt, dass Verlage auch zukünftig auf Printprodukte setzen wollen

Ich denke, unter den sogenannten Early Adopters werden vor allem Jugendliche und junge Erwachsene sein. Sie werden es kaum erwarten können, die Funktionen anzuwenden und – und das dürfte entscheidend sein – es sogar „cool“ finden, mit dem Google Glass in der Öffentlichkeit aufzutreten. Sie ist auffällig – und auffallen, kann für viele der jungen Leute auch noch den besonderen Reiz ausmachen.

Erwachsene werden insgesamt eher kritischer an die Sache rangehen und genauer prüfen, ob die Brille ein passendes Accessoire ist und auch über einen längeren Zeitraum, beispielsweise beim Stadtbummel und Shoppen, auf der Nase getragen werden kann. Der tatsächliche Nutzen wird von dieser Zielgruppe stärker geprüft. Entscheidend wird für Jung und Alt aber die Frage sein: hält die Technik der Brille, was das Marketing verspricht? Die technischen Features müssen deswegen einwandfrei funktionieren. Sollten sich die Berichte über Probleme häufen, kann das ein vorzeitiges Aus der Google Brille bedeuten – zumindest vorerst.

Das Google Glass ist nur ein Produkt, das im Zuge der Augmented Reality-Bewegung in den kommenden Jahren auf den Markt gebracht wird. Welche Geschäftsideen stehen derzeit denn noch so im Raum bzw. welche Produkte gibt es heute schon zu erwerben?

Dank der Augmented Reality lassen sich Objekte sozusagen zum Leben erwecken. Hierfür gibt es bereits sehr interessante Beispiele – nehmen wir Lego: wer in die Spielwarenabteilung eines Kaufhauses geht und sich dort beispielsweise für ein Flugzeug aus Legobausteinen interessiert, konnte sich traditionell aufgrund der Fotos auf der Verpackung ein erstes Bild vom fertigen Produkt machen. Heutzutage bekommt er eine dreidimensionale Präsentation, indem er die Lego-Packung vor einen bereitgestellten Bildschirm hält. Dort wird dann auf der Packung das fertig zusammengebaute Flugzeug abgebildet und durch geringfügige Bewegungen der Verpackung dreht sich das Flugzeug sogar. So kann man es von allen Seiten betrachten – selbst die Propeller fangen an, sich zu drehen.

Häufig benötigt man für solche Spielereien ein Smartphone oder Pad und wird in einem ersten Schritt aufgefordert, einen bereitgestellten QR-Code einzuscannen. Über diesen gelangt man dann zu der notwendigen App, die man downloaden kann.

Auch das Einrichtungshaus Ikea experimentiert bereits mit der Augmented Reality.

Richtig. Die Ikea-App soll bei der Möbelauswahl helfen. Steht man im Ikea, stellt man sich ja immer die gleiche Frage: Passt dieses Möbelstück tatsächlich in meine Wohnung, in das Zimmer, das ich einrichten will? Und hier kann man sich nun die Augmented Reality zunutze machen. Man geht in den Raum, für den man die neuen Möbel sucht und nimmt das Smartphone oder Pad zur Hand. Dank der angesprochenen App zeigt sich einem dann auf dem Display, wie beim Fotografieren, der Raum. Das Besondere ist nun, dass auf dem Display auch die gewünschten Möbel zu sehen sind, sie werden sozusagen virtuell eingeblendet. Man kann die Möbel jetzt im Raum positionieren, die Farbe oder die Position verändern. Dann macht man eine Aufnahme davon und kann sich später eine Serie von Bildern mit den unterschiedlichsten Möbeln in aller Ruhe nochmal ansehen.

Auch im Tourismusbereich kommt die Augmented Reality übrigens schon zum Einsatz: beim Spaziergang über den Marienplatz in München werden einem auf dem Smart Phone – wieder ausgestattet mit der richtigen App – Zusatzinformationen zur Umgebung bereitgestellt. Zum Beispiel zur Historie oder dem Baustil des Rathauses oder zu den Restaurants und Geschäften, die darin zu finden sind. Sie halten sich dabei das Smart Phone einfach vor das Gesicht, als ob Sie eine Videoaufnahme machen möchten.

Das klingt nützlich und spannend, ist aber in der Realität noch wenig praktikabel: es ist ja ziemlich umständlich, sich das Smart Phone ständig vors Gesicht halten.

Deshalb findet gerade eine starke Entwicklung in Richtung „Wearable Devices“ statt. Es geht dabei nicht mehr nur um Smart Phones, sondern um Smart Glasses, Smart Watches oder Smart Displays – letztere könnte man auch „Rollbare Displays“ nennen. Darunter versteht man sehr kleine Smart Phone Displays, die sich bis auf die Größe eines Laptop-Bildschirms ausziehen lassen. Das klingt ambitioniert und ist es auch. Man ist hier aber schon sehr weit in der Entwicklung und darf hoffen, dass innerhalb der nächsten ein bis zwei Jahre schon die ersten Produkte auf den Markt kommen.

Die Augmented Reality-Produkte haben einen großen Vorteil: erweiterte Informationen zu der Welt, die man bislang hauptsächlich unmittelbar durch seine Sinne erfahren hat. Können Sie kurz schildern, inwiefern diese Produkte uns den Alltag erleichtern werden?

Produkte und Dienstleistungen werden schlichtweg erlebbarer. Die Augmented Reality unterstützt hier unsere Vorstellungskraft, indem sie uns, wie am Beispiel Lego verdeutlicht, eine dreidimensionale Anmutung liefert. Darüber hinaus werden auch noch unsere Sinne viel stärker involviert – beispielsweise die Haptik: indem ich das Lego-Flugzeug bewegen und steuern, zwischen Perspektiven und Funktionen wechseln kann. Wenn ich es dann starte, die Propeller sich zu drehen beginnen und ich auch noch die Motorengeräusche höre, dann wird – last but not least – auch noch meine auditive Sinneswahrnehmung angesprochen.

Darüber hinaus kann mit Hilfe der Augmented Reality die Suche nach Informationen verkürzt und Zeit gespart werden – beispielsweise bei einfachen Autoreparaturen: wenn mir über eine Augmented Reality-Brille genau angezeigt wird, was jeweils der nächste Schritt ist, wie ich mit den Händen arbeiten oder wo ich den Schraubenzieher ansetzen muss. Über die Brille bekomme ich hier präzise Informationen und Anweisungen. Das spart Zeit, denn ich muss nicht jeden Schritt in einem Handbuch nachlesen und es ist natürlich wesentlich komfortabler.

Die Beispiele, die Sie hier anführen, verdeutlichen, welche neuen Möglichkeiten Unternehmen durch die Augmented Reality-Technik haben. Vor allem auch die Marketing- und Werbeabteilungen dürften sich freuen, oder?

Richtig, vor allem sie können hier kreativ werden. Es ist zwar nicht neu, dass man mit der Werbung die Sinne und Emotionen der Konsumenten ansprechen will – mit Augmented Reality gelingt das aber wesentlich intensiver. Zudem ist das Involvement höher: der Kunde beschäftigt sich stärker mit einer Werbung, da diese erlebbarer und interaktiver wird.

Nehmen wir folgendes Beispiel: auf einem großflächigen Werbeplakat einer Autofirma ist ausnahmsweise mal kein Auto abgebildet. Der Betrachter erhält stattdessen die Information, dass er das entsprechende Auto nur zu sehen bekommt, wenn er sich eine beworbene App herunterlädt – auf dem Display seines Smart Phones oder Pads wird dann plötzlich mehr angezeigt. Das Besondere daran – und sozusagen auch eine Art Belohnung – ist, dass dieses Fahrzeug „lebt“. Das heißt, der Betrachter kann Motorengeräusche steuern und das Fahrzeug bewegen.

Für die Werbung ergeben sich also in der Tat viele neue Möglichkeiten. Noch ein weiteres Beispiel: ein Passant steht vor einem Sportgeschäft und über sein Google Glass werden ihm Sonderangebote zu Laufschuhen eingeblendet. Der Grund: Google weiß, wo sich die Person aktuell befindet – das ist durch die sogenannten Location-based Services möglich – und dass die Person in letzter Zeit häufiger Suchanfragen zu Laufschuhen gestartet hat.

Auch aufgrund dieser Möglichkeiten gibt es Personen, die der Verbreitung dieser Produkte und dem Thema Augmented Reality im Allgemeinen kritisch gegenüber stehen. Welche Position nehmen diese Personen ein? Welche Argumente führen sie gegen die Augmented Reality ins Feld?

Hier werden vor allem Warnungen vor dem sogenannten „Gläsernen Menschen“ diskutiert, die natürlich sehr ernst zu nehmen sind. Bisher sind es zwar meist noch prototypische Augmented Reality-Anwendungen, über die eine Person erkannt und die dazugehörigen, persönlichen Daten und Informationen in sozialen Netzwerken ermittelt werden können. Es ist aber nur eine Frage der Zeit, bis ähnliche Applikationen für den Massenmarkt verfügbar sein und entsprechend genutzt werden – und dann wird das Thema Datenschutz noch viel stärker als jetzt zu diskutieren sein.

Ein anderes Thema, das in diesem Zusammenhang kritisch beäugt wird, ist die sogenannte Mensch-Maschine-Interaktion. Es geht hier um die Sorge vor einer zu großen Abhängigkeit von der Technik. Werden wir irgendwann zu Cyborgs, wie es in Science-Fiction-Filmen gezeigt wird? Welche Technik lassen wir uns irgendwann unter die Haut implementieren? Es gibt hier erste Versuche, die Technik, die demnächst auf Augmented Reality-Brillen zu bewundern sein wird, auch auf Kontaktlinsen zu überführen. So ist der Schritt der Implementation nicht ausgeschlossen.

Realität und Virtualität werden immer stärker verschmelzen. Die Frage ist, wie wir in Zukunft mit dieser Dualität zurechtkommen werden, wenn wir permanent zugeschüttet werden mit Zusatzinformationen der Augmented Reality.

Wie entspannt werden wir in Zukunft noch auf andere Menschen zugehen? Schließlich müssen wir davon ausgehen, dass ein mir unbekannter Gesprächspartner über Facial Recognition, durch das ein sofortiger und direkter Abgleich aller Daten im Internet möglich ist, bereits eine Fülle von Informationen über mich gesammelt hat – noch bevor ich mich überhaupt vorstellen konnte!

Das ist nicht mehr lange fiktional – das ist demnächst Realität. Gerade im Zusammenhang mit der Gesichtserkennung sind es dann natürlich – neben dem Datenschutz – die Fragen nach der Würde des Menschen, die intensiv diskutiert werden müssen.

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Die adhibeo-Redaktion veröffentlicht regelmäßig Artikel zu verschiedensten Themen der Angewandten Wissenschaften, die an der Hochschule Fresenius stattfinden.

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