IT, Mobilität und Technologie

„Die Technik ist nur ein Mittel zum Zweck“

von Redaktion, am 19.02.2015

Die rasante technische Entwicklung lässt uns kaum durchatmen: Gerade haben wir uns an eine Technologie gewöhnt, wird sie schon von der nächsten abgelöst – und wir gehen den Trend natürlich mit. Doch man sollte sich von begeisterten Frühadoptoren nicht blenden lassen. Denn auch wenn die Technik und die damit verbundenen Möglichkeiten neu sind, bleiben die Gesetze der Physik, der Psychologie oder der Ergonomie doch immer die gleichen, wie Eberhard Wolf, Professor für Visuelle Kommunikation im Fachbereich Design an der Hochschule Fresenius München, im Gespräch erklärt. Die Fortsetzung unseres Interviews vom 10.02.

Das digitale Zeitalter und die ikonografische Gesellschaft bedingen sich gegenseitig: Gerade in den Sozialen Medien werden wir von Bildern überschwemmt – weil jeder Facebook-Nutzer den Skitrip vom Wochenende fotografisch dokumentiert und jeder Instagram-User sein Abendessen ablichtet. Wo schlittern wir da hinein?

Ich sehe das noch halbwegs gelassen. Ich bin schon so lange dabei und habe schon so viele digitale Kollisionen er- und überlebt, dass ich neuen Entwicklungen in diesem Bereich – wie sie zum Beispiel  die Sozialen Medien darstellen – nicht mehr mit dieser Aufgeregtheit begegne, wie früher.

Damals, als Anfang der 80er Jahre die ersten Desktopcomputer auf den Markt kamen, zum Beispiel der Apple II, haben die ersten begonnen mit QuarkXPress zu experimentieren, dem Urahn des heutigen Publishing. Und plötzlich setzte man nicht mehr wie bisher drei Schriftarten ein, sondern 25. Viele dachten, dadurch verändert sich alles, es sei kreativ, alle Möglichkeiten auszuschöpfen. Der Trend hat aber nur wenige Jahre angehalten, bevor man sich wieder auf das Wesentliche konzentriert und an den Erfahrungen der alten Buchgestalter orientiert hat. Die menschliche Ergonomie lässt sich leider nicht wegkreieren.

Nicht anders war es beim Aufkommen des Internets Anfang der 90er Jahre. Zuerst musste es auf jeder Webseite blinken und leuchten. Heute kennt und achtet man die Regeln der Medienergonomie. Von Webseiten, die damals en vogue waren, würde sich der heutige Internetnutzer nur angewidert abwenden. Ich sehe auch den momentanen Trend im Webdesign schon bald wieder enden. Letztendlich geht es immer um den Endkunden, der seine Informationen schnell und komfortabel konsumieren möchte.

Glauben Sie also, dass diese Rückbesinnung auf das Wesentliche auch im Zusammenhang mit den Sozialen Medien wieder zu beobachten sein wird?

Ja. Die Leute werden irgendwann von dem Bilderstrom genug haben und vielleicht selbst für dessen Versiegen sorgen, indem sie nicht mehr jeden Kram posten. Diese totale Offenheit im Netz hat ja nicht nur Vorteile – das müssen viele Nutzer der Sozialen Medien vielleicht erst einmal lernen. Und die vielen Hobbyfotografen, die gerade auf Facebook oder Instagram ihre kleinen Erfolge feiern, werden auch irgendwann wieder den Finger vom Auslöser nehmen. Weil sie merken, dass sie an Grenzen stoßen und erkennen, dass wahre Kommunikation und Kreativität etwas mit Handwerk, Wissen und Beständigkeit zu tun hat.

Im Bereich der Sozialen Medien wird es zu einer Beruhigung kommen, davon bin ich überzeugt. Danach wird vermutlich die nächste Sau durchs Dorf getrieben und es wird wieder überdreht. Das Problem der digitalen Welt ist, dass eine technische Innovation die nächste jagt. Und die neue Technik hat zunächst einmal eine Erprobungsphase zur Folge: Alle sind gespannt, was man damit tolles anstellen kann, jeder lässt seinem Spieltrieb freien Lauf – was auch gut und richtig ist.

Doch irgendwann stellt man fest, dass es elementare Regeln der Physik, der Psychologie oder auch der Ergonomie gibt, die auch hier wieder gelten. Und das Interesse an der Neuerung lässt nach.

Man sollte also neue Techniken nicht überbewerten?

Richtig, die Technik wird immer viel zu sehr überschätzt. Sie ist nur ein Mittel zum Zweck und wird vermutlich außerdem schon bald von der nächsten Innovation wieder abgelöst. Was tatsächlich aber immer gebraucht wird, ist Kreativität und ein Verständnis für deren sinnvollen Einsatz. Ich muss die Technik natürlich kennen, um die neuen Möglichkeiten einschätzen zu können. Aber letztendlich brauche ich eine tolle Idee – und die setze ich dann mit Hilfe einer Technik um.

Das ist jetzt wieder im Zusammenhang mit dem vieldiskutierten Multimedia-Journalismus zu beobachten. Da spricht man von einer völlig neuen journalistischen Darstellungsform, von der Zukunft des Journalismus. Klar, durch die multimedialen Darstellungsmöglichkeiten mit Bild, Text, Ton und Interaktion kann man eine Geschichte medial anders erzählen als früher. Aber am Ende muss man eben immer noch eines: erzählen können. Und dazu braucht es Kreativität…

… die aber nicht jeder ohne weiteres erlernen kann.

Richtig. Deshalb werden im Bereich der Medien – sei es nun im Bereich der Fotografie oder des Schreibens – auch immer nur einige wenige Personen langfristig erfolgreich sein.

Kreativität setzt sich aber nach meiner Beobachtung immer aus Vision, Handwerk und Organisation zusammen. Im Kreativbereich kann also jeder seine Aufgabe finden. Es werden nicht nur Menschen mit Ideen gebraucht, sondern auch solche, die diese Ideen umsetzen.

Über den Autor

Redaktion
Die adhibeo-Redaktion veröffentlicht regelmäßig Artikel zu verschiedensten Themen der Angewandten Wissenschaften, die an der Hochschule Fresenius stattfinden.

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