Medien

„Lernen ist mit mentaler Arbeit verbunden – daran werden neue Technologien nichts ändern!“

von Redaktion, am 19.12.2014

Unser Leben ist von Technologien durchdrungen, ohne Smartphone oder Internet kommen wir heute kaum mehr durch den Tag. Auch im Bildungsbereich setzen Lehrende und Lernende vermehrt auf digitale Medien: Auf diese Weise soll der Unterricht aufgewertet und die Prüfungsvorbereitung erleichtert werden. Doch ist der Medieneinsatz hier tatsächlich immer sinnvoll? Der Wirtschaftspsychologe Prof. Dr. Peter Bak warnt vor blinder Euphorie.

In einem kürzlich erschienenen Aufsatz behandeln Sie das Thema „Digitale Medien und Lernen“. Darin behaupten Sie, die meisten Menschen seien in diesem Zusammenhang Anhänger zweier diametral entgegengesetzter Positionen. Welche Positionen sind das?

Auf der einen Seite die Medieneuphoriker, die vor allem den Nutzen und die Vorteile der neuen Medien betonen. Zum anderen die Kulturpessimisten, die vor allem auf die Gefahren und Risiken hinweisen.

Welcher der Standpunkte ist Ihnen persönlich näher?

Wenn ich mich da wirklich verorten muss, dann vermutlich irgendwo dazwischen, mit, ich gebe es zu, Tendenz zur kritischen Seite. Aber, es geht hier nicht um eine Position, es geht um die Frage, auf welchem Weg und durch welche Mittel wir welches Ziel am besten erreichen. Diese Frage geht mir in der Diskussion über den Einsatz neuer Technologien in der Bildung einfach unter. Man tut häufig so, als würde die Erziehung und Bildung automatisch besser, nur weil man jetzt moderne Technologien einsetzt. Das ist ungefähr genauso sinnig wie zu behaupten, man würde mit einer elektrische Gitarre das Gitarrenspiel schneller und einfacher lernen als mit einer akustischen.

Sie mahnen den Aufforderungscharakter der neuen Technik an. Was ist darunter zu verstehen?

Neue Technologien sind einfach attraktiv. Uns fasziniert das technisch Mögliche. Wir sind heute zu Dingen in der Lage, von denen wir vor kurzem noch nicht einmal geträumt hätten. Denken wir nur an die Möglichkeiten der modernen Kommunikation oder auch des Wissensmanagements. Wie schnell kann ich heute vielen Menschen gleichzeitig etwas mitteilen, wie schnell kann ich heute auf Informationen zugreifen, die noch vor kurzem nur umständlich zu erhalten waren.

Das pure Verwenden der neuen Technologien lässt uns staunen, macht Spaß und eröffnet uns ganz neue Horizonte. Aber aus dem Können wird hier irgendwie auch ein Müssen. Wer kann sich eigentlich noch dem digitalen Druck entziehen? Versuchen Sie einmal 24 Stunden ohne die neuen Technologien auszukommen. Das erfordert sehr viel Disziplin und Willensstärke, vergleichbar mit dem Selbstversuch eines Rauchers, für einen Tag ohne Glimmstängel auszukommen. So faszinierend unsere heutigen Möglichkeiten sind, wir nutzen sie in erster Linie, weil wir sie nutzen können und nicht, weil sie uns bei der Erreichung eines bestimmten Ziels sinnvoll unterstützen. Wer will denn schon 200 Personen zu seinen Freunden zählen? Wer will denn ständig erreichbar sein? Wer will sich eigentlich permanent durch das Gebimmel der Smartphones oder allein den Gedanken an neue Nachrichten ablenken lassen?

Sie plädieren also für den sinnvollen und zielorientierten Einsatz von digitalen Medien – und zwar nicht nur im Allgemeinen, sondern speziell auch beim Lernen.

Ja, gerade im Bereich des Lernens wird hinsichtlich des Einsatzes neuer Technologien falsch argumentiert. Es wird doch der Eindruck vermittelt, dass das Lernen mit den neuen Medien besser, einfacher und mit mehr Motivation abläuft. Außerdem ist der Einsatz neuer Medien ein Beleg für Modernität. Schön wär‘s! Lernen ist in den meisten Fällen mit mentaler Arbeit verbunden. Leider. Aber daran werden auch neue Technologien nichts ändern! Kein Schüler oder Student lernt besser, weil wir heute statt Overheadfolien Powerpointfolien einsetzen. Eine komplizierte Mathe-Aufgabe bleibt auch dann kompliziert, wenn ich sie am PC lösen muss. Und der Stoff wird nicht weniger oder einfacher, weil ich ihn auf einer eLearning-Plattform up- und downloaden kann. Ein sinnvoller und zielorientierter Einsatz von Lerninstrumenten, zu denen ich die digitalen Medien zähle, hängt von der Frage ab, ob sich dadurch das Lernziel besser, also ökonomischer und nachhaltiger, erreichen lässt.

Können Sie Beispiele geben, wie eine sinnvolle Anwendung digitaler Medien beim Lernen aussieht?

Gerne. Zwei Beispiele. In manchen Fächern gibt es klare Anforderungen, z. B. in Mathe oder bei den Sprachen. Hier können neue Technologien sehr nützliche Dienste leisten, indem sie den Studierenden individuell angepasste Lerneinheiten vorgeben und eine Auskunft über Stärken und Schwächen oder allgemein den Lernstand geben.

In anderen Fächern, sagen wir Philosophie oder Psychologie, geht es oftmals nicht um richtig oder falsch, sondern um das Reflektieren bestimmter Positionen. Dazu gehört auch die tätige Auseinandersetzung mit dem Dozierenden bzw. den Mitstudierenden. Hier ist die geeignete Form des Unterrichts die mündliche Kommunikation.

Und noch ein Satz zur Motivation, von der man sich durch den Einsatz neuer Medien häufig eine Steigerung verspricht. Ich kann mich noch an eine Zeit erinnern, da war es ein Geschenk und ein Genuss, sich bilden zu können. Ich selber habe übrigens um einen Studienplatz im Fach Psychologie gebangt und war überglücklich, als ich ihn hatte. Wenn man Bildung tatsächlich als Chance versteht, ist doch Motivation das geringste Hindernis. Heute scheint es dagegen diesbezüglich offenbar grundlegende Missverständnisse zu geben.

Über den Autor

Redaktion
Die adhibeo-Redaktion veröffentlicht regelmäßig Artikel zu verschiedensten Themen der Angewandten Wissenschaften, die an der Hochschule Fresenius stattfinden.

0 Kommentare

Ihr Kommentar

Sie möchten Sich an der Diskussion beteiligen? Hinterlassen Sie uns Ihren Kommentar!
Bitte beachten Sie dabei unsere Netiquette. Vielen Dank.

Schreiben Sie einen Kommentar