Wirtschaft und Management
Mensch, Materialismus!
von Redaktion, am 29.09.2014
Wirtschaft und Management
von Redaktion, am 29.09.2014
„Wie zahlreich sind doch die Dinge, derer ich nicht bedarf“ – Mit diesem Zitat des griechischen Philosophen Sokrates leitete Prof. Dr. Fabian Christandl seine Antrittsvorlesung an der Hochschule Fresenius in Köln ein. Dachte Sokrates bereits vor über zweitausend Jahren so, was würde er wohl zu unserer heutigen Konsumgesellschaft sagen? Christandl nahm den zeitgenössischen Materialismus genauer unter die Lupe und befasste sich insbesondere mit dem Einfluss von Materialismus auf die Preis-Qualität-Überzeugung. Doch nicht nur Materialismus, auch der Faktor Paarungsbereitschaft wurde als Determinante untersucht. Wie diese Determinanten zusammenhängen, was die Ergebnisse seiner Studien sind und wieso der Mensch seinem Wesen nach materialistisch ist, erklärt der frisch ernannte Professor exklusiv im Gespräch mit adhibeo.
Zunächst einmal ist Materialismus ein sehr weit gefasster Begriff. Beispielsweise existiert in der Philosophie die erkenntnistheoretische Bedeutung von Materialismus, auf die ich mich in meiner Forschung allerdings nicht bezogen habe. Ich habe mich an der Vorstellung von Richins und Dawsons (1992) orientiert, die in der Konsumentenforschung weit verbreitet ist. Sie gehen davon aus, dass sich Materialismus in drei Wertorientierungen äußert. Das eine ist die zentrale Bedeutung von materiellen Dingen; das heißt, der Erwerb von materiellen Gütern wird in den Mittelpunkt des Lebens gestellt. Das andere ist der Erfolg, der sich nach außen durch die Dinge, die man hat, äußert. Weiterhin sind Materialisten davon überzeugt, dass nur der Erwerb von materiellen Dingen glücklich macht.
Das ist eine gute Frage. Warum ist der Mensch materialistisch, obwohl es viele Studien gibt, die zeigen, dass Materialismus eher unglücklich macht? Einen möglichen Erklärungsansatz habe ich in meiner Antrittsvorlesung präsentiert: Materialistische Konsumenten vertrauen eher darauf, dass ein hoher Preis für eine hohe Qualität steht. Sie lassen sich in ihrer Produkt- und Qualitätswahrnehmung von Labels wie z. B. der Marke oder dem Preis eines Produktes leiten. Das führt dazu, dass man letzten Endes meistens das bekommt, was man auch erwartet und das Risiko einer potentiellen Fehlinvestition minimiert. Man lernt auf diesem Wege allerdings nicht, dass es auch günstige Produkte gibt, mit denen man zufrieden wäre.
Auch dafür gibt es verschiedene Erklärungen. Zum einen wurde bereits nachgewiesen, dass materialistische Konsumenten immer extrem hohe Erwartungen an die Produkte haben. Das bedeutet natürlich im Umkehrschluss, dass man auch wahnsinnig enttäuscht werden kann. Je höher die Erwartungen sind, desto größer ist letztendlich die Wahrscheinlichkeit, dass man enttäuscht wird.
Weiterhin gibt es Studien, die aufweisen, dass Materialisten Schwierigkeiten mit dem Geldmanagement haben. Sie neigen eher dazu, sich zu verschulden und Kredite aufzunehmen, die sie womöglich nicht zurückzahlen können. Dies kann natürlich auch dazu führen, dass man unglücklich wird. Erschwerend kann dann noch hinzukommen, dass man nicht mehr über die finanziellen Ressourcen verfügt, um sich andere, notwendigere Sachen zu kaufen. Beispielsweise kann es sein, dass man nur Geld für Luxusprodukte ausgibt, dann aber keine Mittel mehr hat, um Versicherungen abzuschließen, die auf Dauer gesehen wichtiger wären.
Das Interessante hierbei ist, dass Materialismus in allen Gesellschaftsschichten auftritt. Es gibt sowohl Leute aus einem eher niedrigen sozio-ökonomischen Umfeld, die materialistisch sind, als auch extrem vermögende Menschen, die materialistisch sind. Man kann im Grunde nicht sagen, dass es eine bestimmte Personengruppe gibt, die sich dadurch auszeichnet. Es gibt insbesondere in Städten bestimmte Gegenden, durch die Personen mit Luxusautos fahren, nur um von anderen Personen gesehen zu werden. Sie wollen so ihren Status zur Schau zu stellen. Ein Teil dieser Personen ist sicherlich sehr wohlhabend, andere hingegen investieren einen Großteil ihres Vermögens in solche Luxusobjekte, ohne diesen Standard halten zu können.
Das ist eine sehr interessante Frage, da diese Sharing-Effekte einen Aspekt darstellen, der materialistischen Konsumenten eigentlich überhaupt nicht passt. Es zeichnet sie nämlich aus, dass sie Sachen ungern mit anderen teilen. Von daher könnte man sich im Grunde zwei Entwicklungen vorstellen: Die eine Entwicklung könnte natürlich sein, dass materialistischer Konsum in der Folge zurückgeht. Meine Prognose wäre allerdings, dass es beides gibt. Sharing kann zwar zunehmen, aber es sind nicht unbedingt materialistische Konsumenten, die sich am Sharing beteiligen.
Wir haben insgesamt eine ganze Reihe von Studien zu dem Thema durchgeführt. Im Rahmen meiner Antrittsvorlesung habe ich zwei Studien zum Thema Materialismus vorgestellt. In der ersten Studie haben wir 298 Personen mit Rotwein verköstigt. Wir haben den Probanden den gleichen Rotwein gegeben und gesagt, eine Flasche koste 3 Euro, die andere 20 Euro. In einer anderen Studie haben wir 141 Probanden Mineralwasser gegeben und ihnen vorher gesagt, dass sie entweder San Pellegrino bekommen oder Kölner Leitungswasser, welches vorher mit Kohlensäure angereichert worden ist. Im Anschluss sollten die Probanden diese Getränke beurteilen. Über Fragebögen haben wir später auch noch die Materialismusausprägung der Probanden erfasst.
Auch bei ganz verschiedenen Produkten zeigt sich immer wieder das gleiche Muster. Der Effekt, dass wir uns von Labelinformationen bzw. Preisinformationen in unserem Qualitätsurteil beeinflussen lassen, tritt vor allem bei materialistischen Konsumenten auf – aber eben nur in sehr abgeschwächter Form bei nicht-materialistischen Konsumenten. Dieser Labellingeffekt, der insbesondere durch den sogenannten Pepsi-Test weltweit bekannt wurde, ist im Grunde ein Effekt, der nicht unbedingt auf alle Konsumenten zutrifft.
Darin zeigt sich vor allem diese Unterschiedlichkeit zwischen verschiedenen Konsumenten. Wie ich in meiner Antrittsvorlesungen gezeigt habe, sind es hauptsächlich materialistische Konsumenten, die sich hiervon beeinflussen lassen oder darauf besonders ansprechen. Das bedeutet umgekehrt auch, dass es viele nicht-materialistische Konsumenten gibt, denen der Preis bei der Einschätzung von Qualität nicht so wichtig ist.
Daraus könnte man die Vermutung ableiten, dass zu den Schnäppchenjägern auch viele wenig- bzw. nicht-materialistische Konsumenten gehören. Genauso gut kann es aber natürlich sein, dass materialistische Konsumenten die Gelegenheit nutzen, Luxusgüter zu günstigen Preisen zu bekommen, weil sie so trotzdem Status und Prestige nach außen hin kommunizieren können. Von daher ist das auch eine offene Frage. Aber insgesamt kann man eben zeigen, dass es sehr viele verschiedene Motive beim Konsumenten gibt.
Aus der Literatur weiß man, dass Preise verschiedene Funktionen für uns ausüben können und bei materialistischen Konsumenten ist es so, dass vor allem der Statusaspekt von Preisen im Vordergrund steht. Das heißt, dass ein hoher Preis, den man bezahlt, nach außen hin Prestige verkörpert. Es gibt Studien, die zeigen, dass dieser Prestigeaspekt von Preisen auch wiederum sehr stark mit dem Glauben an die Überzeugung zusammenhängt, dass Preis und Qualität von Produkten zusammenhängen.
Daraus hat man die angesprochene Verbindung zwischen Paarungsbereitschaft und Materialismus schließlich abgeleitet, da man aus evolutionspsychologischer Sicht das Argument entwickeln kann, dass paarungswillige Männer nach außen hin Prestige und Status verkörpern wollen, um das andere Geschlecht zu beeindrucken und eine möglichst attraktive Paarungspartnerin zu gewinnen. Ihnen sollte wiederum der Prestigeaspekt von Preisen besonders wichtig sein. Dies ist gerade bei Männern der Fall und kann auch erklären, warum materialistischer Konsum so ausgeprägt ist. Wenn man darauf aus ist, andere zu beeindrucken und einen Status nach außen hin zu verkörpern, bleibt einem auch nichts anderes übrig – auch, wenn es letztendlich doch nicht wirklich glücklich macht.
Redaktion
Die adhibeo-Redaktion veröffentlicht regelmäßig Artikel zu verschiedensten Themen der Angewandten Wissenschaften, die an der Hochschule Fresenius stattfinden.
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