Medien

„Augmented Reality ist auf dem Weg, zur Normalität zu werden“

von Redaktion, am 21.11.2014

Drei Messebesuche in drei Wochen – Prof. Dr. Ludwig Hinkofer, Studiendekan Media & Communication Management (B.A.) und Mediamanagement & Entrepreneurship (M.A.) an der Hochschule Fresenius München, hat ein straffes Programm hinter sich. Im Interview mit adhibeo berichtet er, welche Eindrücke er auf seinen Besuchen gewonnen hat.

Sie haben in den vergangenen Wochen einen wahren Messemarathon hingelegt. Wo waren Sie überall?

Ja, das war in der Tat ein straffes Programm, aber es war sehr informativ und hat wirklich viel Spaß gemacht. Zunächst war ich Ende Oktober auf den Medientagen München zu Gast, dort waren wir als Hochschule auch mit einem Stand vertreten. Ein paar Tage später bin ich auf der Fachmesse „Inside AR“ gewesen, auf der jedes Jahr die Vertreter der „Augmented Reality“-Branche zusammentreffen. Der Veranstalter der Messe, Metaio, hatte mich und eine Gruppe Studierender dorthin eingeladen, wir führen aktuell zusammen mit dem Unternehmen eine Projektstudie durch. Zum Abschluss dann noch ein Besuch auf den Münchner Wissenschaftstagen, die in diesem Jahr unter dem Motto „Digitale Welten“ standen.

Dort haben Sie auch einen Vortrag gehalten. Worum ging es?

Der Vortag trug den Titel „Social Network meets Augmented Reality – Wohin geht unsere digitale Reise?”. Wie der Titel schon erahnen lässt, ging es darin um zwei Megatrends der digitalen Gegenwart. Zum einen, Social Networks. Sie durchdringen unseren Alltag, mehr als drei Viertel der deutschen Internetnutzer sind heute Mitglied bei Facebook, Xing & Co. Abseits dieser klassischen Social Networks entstehen in der digitalen Welt aber auch neue Netzwerkformen, in denen es weniger um Kommunikation und Selbstdarstellung geht, als um den temporären Tausch oder das gemeinsame Nutzen von Waren und Dienstleistungen. Man spricht in diesem Zusammenhang von der sogenannten Share Economy, Dienste wie airbnb oder leihdirwas.de fallen zum Beispiel in diese Kategorie.

Zum anderen habe ich in dem Vortrag die Augmented Reality-Technologie behandelt, die zwar noch nicht ganz so weit in unterschiedliche Gesellschaftsbereiche diffundiert ist, die aber immer mehr an Bedeutung gewinnt – und zwar nicht erst seit Google Glass.

Die Themen AR und Social Networks standen also auf allen drei Messen auf der Agenda?  

Absolut. Klar, natürlich wurde auch viel über die Zukunft des Fernsehens oder die Chancen des mobilen Internets gesprochen. Aber Social Networks und AR haben schon seit einiger Zeit auf den Programmen der Fach- und Publikumsmessen ihren festen Platz, wobei vor allem dem Thema AR in den letzten zwei, drei Jahren sehr viel Aufmerksamkeit geschenkt wurde. So auch in diesem Jahr.

Mit was beschäftigt sich die Medienbranche in Sachen AR?

In diesem Jahr war eindeutig zu beobachten, dass AR zunehmend in der Marktrealität ankommt. Auf den Messen standen weniger die Show- und die Aha-Effekte im Mittelpunkt, die mit AR ohne Zweifel erzeugt werden können. Vielmehr will man in der Branche nun Ideen umsetzen, die am Ende auch praxistauglich und nutzerfreundlich sind. Es geht um marktgerechte Lösungen und weniger um Spielereien, die einen zum Staunen bringen.

Das gibt auch dem Konsumenten mehr Sicherheit und Vertrauen im Umgang mit der neuen Technologie. AR ist in einigen Bereichen auf dem Weg, zur Normalität zu werden. Dieser Weg dürfte allerdings für alle Beteiligten noch durchaus steinig werden – da haben die Veranstalter der Medientage München mit ihrem Slogan „Kein Spaziergang – Wege zur digitalen Selbstverständlichkeit“ in diesem Jahr wirklich ins Schwarze getroffen.

Wie kann dieser Weg am besten zurückgelegt werden?

Indem man, wie gesagt, Nutzerfreundlichkeit schafft und darüber hinaus einen Mehrwert generiert. Es gibt hier inzwischen zahllose Anbieter, die zeigen, wie es geht. Zum Beispiel die Entwickler der App „Pixum Wandbild Simulator“: Wer diese App auf sein Smartphone herunterlädt, kann über die AR-Technik Bilder an die Wand projizieren. Zuvor muss der Nutzer einfach ein Blatt Papier mit einem QR-Code versehen, es ausdrucken und an die Wand kleben. Hält er das Smartphone anschließend vor das Papier, ist auf dem Display statt des Blattes mit dem QR-Code das gewünschte Bild zu sehen. Bevor ich das Bild also in der Realität aufhänge, kann ich in der erweiterten Realität testen, wie es überhaupt wirkt.

Ähnlich funktioniert die Ikea-App, mit deren Hilfe Möbelstücke in Zimmern hin- und hergeschoben werden können – auch wenn sie physisch noch gar nicht vorhanden sind.

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Ein weiteres Beispiel aus dem Marketingbereich ist die McMission-App von Mc Donald. Dabei kann der Nutzer aus vier verschiedenen spielerischen Missionen rund um das Thema „Nachhaltigkeit“ wählen, beispielsweise geht es dabei um Ökostrom oder Recycling. Am Ende gilt es, Quizfragen zu beantworten – mit der Aussicht auf tolle Gutscheine, die in der „realen“ Welt eingelöst werden können.

Und noch eine interessante AR-Anwendung: die eKurzinfo-App für den Audi A1. Ausgerüstet mit der App, richtet man die Smartphone-Kamera auf Schalter oder Armaturen des Fahrzeuges, deren Funktionen dann über das Display erläutert werden.

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Die AR-Technik wird also natürlich auch für Marketingzwecke genutzt. Hier zählen dann doch vor allem wieder die Show-Effekte, oder?

Auf jeden Fall. Nehmen Sie das Beispiel BMW. In einer deutschlandweiten Werbekampagne hat das Unternehmen den neuen i8 an mehreren Flughäfen ausgestellt. Wer Lust hatte, konnte dann, ausgestattet mit einer Google Glass, um das Auto herumspazieren und es aus einer ganz anderen Perspektive kennen lernen. Über die Brille erhielt der Betrachter Zusatzinformationen zu Motor oder Gehäuse, es war sogar möglich, sich in den Innenraum des Fahrzeugs hineinzuversetzen – ohne dass man sich darin befindet.

Hier kommen wir übrigens schon ganz in die Nähe der Virtual Reality: Man erhält, anders als bei der Augmented Reality, nicht nur Zusatzhinweise zur realen Umwelt, sondern taucht mit Hilfe einer sogenannten Oculus Rift-Brille direkt in eine computeranimierte Parallelwelt ein. Dort könnte man dann zum Beispiel mit dem eben erwähnten i8 ein Rennen fahren.

Die Marketingverantwortlichen haben also die Wahl zwischen beiden Techniken. Bei einem Produkt wie dem i8 ist aber vermutlich die Anwendung von AR sinnvoller, da beim Autokauf ja auch die Haptik eine wichtige Rolle spielt.

AR hat also in diesem Messejahr wieder eine wichtige Rolle gespielt und wird es auch in den nächsten Jahren tun. Wenn Sie ganz allgemein die Stimmung in der Medienbranche, von der man sich auf Messen ja immer ein gutes Bild machen kann, beschreiben müssten, wie würde Ihr Urteil ausfallen?

Zum einen ist die Branche weiterhin euphorisch, auch weil dank des stetigen technologischen Fortschritts ständig neue Perspektiven eröffnet werden. Zum anderen schwingt auch Skepsis mit, ob sich mit den neuen Technologien wirklich Geld verdienen lässt. Genauso ist man beim Thema Datenschutz unsicher, man möchte mit seinen Produkten ja nicht zur Zielscheibe von Kritik werden.

Was meiner Meinung nach mittlerweile aber eindeutig weniger zu spüren ist, ist die Weltuntergangsstimmung der letzten Jahre. In der jüngeren Vergangenheit war immer wieder zu hören, dass bestehende Geschäftsmodelle durch die Ausbreitung neuer Technologien oder die Markteintritte innovativer Unternehmen vor dem Aus stünden. So hat man nach dem Launch der Huffington Post-Website das Ende des klassischen Journalismus angekündigt, so wie man auch jetzt wieder nach dem Markteintritt von Netflix das Ende des Pay-TVs vorhersagt.

In der Medienbranche konnte in den letzten Jahren jedoch gezeigt werden, dass eine Anpassung an die digitale Zukunft gelingen kann. So generieren inzwischen viele große Unternehmen aus klassischen Mediensektoren wie Print und Fernsehen bereits einen erheblichen Anteil ihres Umsatzes über digitale Geschäftsmodelle.

Für Konzeption und Umsetzung braucht es natürlich Personal, das die notwendigen Qualifikationen mitbringt, um das Tempo des technologischen Wandels mitgehen zu können. Ein gutes Talent-Management und Employer Branding werden deshalb zu wichtigen Erfolgsfaktoren für die Unternehmen, um nicht nur auf die Möglichkeiten der Digitalisierung reagieren zu können, sondern diese maßgeblich mitzugestalten und vorauszudenken.

Über den Autor

Redaktion
Die adhibeo-Redaktion veröffentlicht regelmäßig Artikel zu verschiedensten Themen der Angewandten Wissenschaften, die an der Hochschule Fresenius stattfinden.

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