Psychologie und Wirtschaftspsychologie

Neues Jahr, alte Gewohnheiten?

von Prof. Dr. Katja Mierke, am 14.12.2016

Im Neuen Jahr wird alles anders?! Zur Psychologie guter Vorsätze und wie Sie sie nutzen können.

Neujahr. Raucher werfen ihre Zigaretten weg, zahlreiche Menschen melden sich im Fitnessstudio an, nehmen sich vor, sich gesünder zu ernähren, disziplinierter zu lernen, oder einen wichtigen Karriereschritt in Angriff zu nehmen. Andere fassen den guten Vorsatz, weniger zu arbeiten, um mehr Zeit für Freunde und Familie zu haben oder ihre Hobbys besser zu pflegen. Leider ist der Mensch aber auch ein Gewohnheitstier und nach der Euphorie der ersten Tage gönnt man sich doch schnell erste Ausnahmen, die schließlich wieder zur Regel werden – bis alles wieder so läuft wie im letzten Jahr und im Jahr davor. Das beste Vorhersagemaß für künftiges Verhalten, so eine psychologische Binsenweisheit, ist nun einmal vergangenes Verhalten.

Auch wenn es ganz sicher keine Patentrezepte zur Umsetzung Ihrer guten Vorsätze gibt, liefert die psychologische Forschung doch ein paar Erkenntnisse, die Sie sich zunutze machen können. So wissen wir, dass es nachweislich hilft, seine Ziele keine abstrakte Idee sein zu lassen, sondern sie sich so genau wie möglich vor Augen zu führen. Das aktiviert zugleich mental die erforderlichen Mittel und Verhaltensmuster mit, hilft Ihnen also bei der Umsetzung. Stellen Sie sich entsprechend möglichst oft und bildhaft vor, wie ein konkreter Tag wirklich aussieht, an dem Sie sich gesund ernähren. Gehen Sie in Gedanken durch, wie Sie beim Einkaufen zum Beispiel die Chipsregale links liegen lassen und den Wagen stattdessen in der Obst- und Gemüseabteilung auffüllen, oder wie Sie sich mittags in der Kantine einen Salat gönnen statt Tagesgericht 1. Wie Sie freundlich „Nein, danke, für mich nicht“ sagen, wenn die Kollegin anbietet, Ihnen beiden noch einen Nachtisch zu holen, oder noch gemeinsam eine Zigarette rauchen gehen will.

Stellen Sie sich auch vor, welche Gedanken oder Gefühle Sie in diesen Momenten wohl haben werden und wie Sie reagieren möchten, wenn die Kollegin dann enttäuscht dreinschaut oder Sie gar zu überreden versucht. Wenn es Ihnen ernst ist und Sie Ihre guten Vorsätze vor allem in Gesellschaft gefährdet sehen, üben Sie das vielleicht sogar im Rollenspiel oder vor dem Spiegel. Denn ein Teil von Ihnen, das Gewohnheitstier, möchte sich ja nur allzu gern überreden lassen und ist für jede Gelegenheit dankbar, sich wieder genüsslich in den Vordergrund zu drängeln. Auch das kann übrigens eine hilfreiche Vorstellung sein: SIE als Person haben sich gute Vorsätze gefasst und wollen bestimmte Dinge in Ihrem Leben verändern! Aber in Ihnen wohnen nicht nur sie selbst, sondern auch dieses Gewohnheitstier, das Sie sich gern ebenfalls bildhaft ausmalen dürfen, zum Beispiel als klein aber zäh, zottelig, irgendwie niedlich, aber eben auch fies. Und dieses Gewohnheitstier will natürlich keinen Platz machen für Neues, sondern sein Territorium verteidigen. Indem Sie zum Beispiel den Wunsch nach Schokolade und Sofa als den des Gewohnheitstiers erkennen, wird es leichter, sich davon zu lösen. SIE wollen ja zum Sport. Diese Distanzierung verhindert, dass Sie hier in die Falle tappen, zu schnell aufzugeben, und zu denken, SIE wollten in Wirklichkeit Sofa und Schokolade.

Eine weitere typische Falle könnte sein, dass der Salat in der Kantine sozusagen die Rechtfertigung für den Nachtisch liefert, weil Sie ja schon auf etwas verzichtet und damit etwas gut haben. Dieses Phänomen der sogenannten moralischen Lizensierung ist in der Forschung auch aus anderen Zusammenhängen bekannt. Wenn eine Handlung Disziplin erfordert und wir damit bereits guten Willen gezeigt haben, neigen wir dazu, uns anschließend weniger diszipliniert zu verhalten. In ähnlicher Weise legt ein harter Arbeitstag nahe, dass man sich abends Chips und Bier zum Fernsehen doch wirklich verdient habe. Daher ist es auch so wichtig, konkrete Alternativen an die Stelle der schlechten Gewohnheiten zu setzen.

Überlegen Sie sich also, was eine Belohnung sein könnte, mit der Sie dennoch ihren Vorsätzen treu bleiben. Und führen Sie sich dann ganz konkret vor Augen, wie es sein wird, wenn Sie nach einem harten Tag nach Hause kommen und genau das genießen: gute Musik, ein Bad, leckeres – aber eben gesundes – Essen, das Sie vielleicht schon vorbereitet haben. Denn gerade wenn wir erschöpft sind, ist die Fähigkeit zur Selbstkontrolle nachweislich herabgesetzt. Das erklärt auch, warum Rückfälle im Rahmen von Diäten, aber auch in Bezug auf den Konsum von Zigaretten, Alkohol und Drogen häufiger abends und nachts zu beobachten sind, also dann, wenn wir uns schon den ganzen Tag über zusammennehmen mussten, um zum Beispiel schwierigen Kunden oder Kollegen gegenüber freundlich zu bleiben.

Aus dem gleichen Grund ist es auch sinnvoll, gute Vorsätze nicht allzu radikal zu fassen, weil sie uns dann dauerhaft zu viel Selbstkontrolle abverlangen – so viel nämlich, dass ein Scheitern vorprogrammiert ist. „Nie wieder Schokolade“ endet viel eher damit, dass man irgendwann eine Tafel am Stück vernichtet und den Vorsatz komplett über Bord wirft, als beispielsweise bei „Pro Tag nicht mehr als einen Riegel“. Gute Ziele, so wissen wir aus der Organisationpsychologie, sind SMART. Das Akronym steht für S_pezifisch, M_essbar, A_ttraktiv (manchmal auch: A_kzeptiert), R_ealistisch und T_ermingebunden. „Nie wieder Schokolade“ ist für die meisten Menschen nicht besonders realistisch.

Ein anderes häufiges Problem mit guten Vorsätzen ist, dass sie viel zu allgemein gefasst sind, so wie beispielsweise beim berühmten „Ich will mich gesünder ernähren“. Ein spezifischeres Ziel wäre „Ich nehme mindestens zweimal pro Woche mittags den Salat“, noch besser: „Ich nehme jeden Montag- und Mittwochmittag den Salat“. Diejenigen, die sich vornehmen, weniger zu arbeiten, sollten ebenfalls bestimmte Wochentage festlegen, an denen sie früher Feierabend machen. Sie möchten stattdessen mehr mit Freunden oder Ihrem Partner, Ihrer Partnerin unternehmen, oder ein Hobby wiederaufnehmen? Konkretisieren Sie auch das. Was möchten Sie genau tun, und wann? Alle vierzehn Tage Freitagabend zusammen ausgehen, den Dienstagabend zum Spieleabend erklären, Donnerstag zu Karate gehen? Überlegen Sie, was realistisch ist, verabreden Sie sich gegebenenfalls mit Ihren Lieben und dann tragen Sie die Termine am besten direkt in den Kalender ein. Wenn es ein Neujahrsvorsatz ist, gleich in die erste Januarwoche. Mit Erinnerungsfunktion. Wie Meister Yoda in Star Wars sagt: „Do or do not. There is no try.”

Über die Autorin

Prof. Dr. Katja Mierke
Katja Mierke ist Professorin für Psychologie an der Hochschule Fresenius in Köln.

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