Psychologie und Wirtschaftspsychologie
Dem Glück auf der Spur
von Redaktion, am 07.02.2014
Psychologie und Wirtschaftspsychologie
von Redaktion, am 07.02.2014
Woran messen wir gesellschaftlichen Wohlstand? Bislang galt Wissenschaftlern das Bruttoinlandsprodukt hier als verlässlicher Indikator. Das reicht heute aber nicht mehr aus, behaupten unter anderem die Vertreter der Positiven Psychologie. In einer neuen Forschungsinitiative setzen sich nun auch Dozierende und Studierende der Hochschule Fresenius Hamburg mit der jungen Teildisziplin der Glücksforschung auseinander. In Diskussionsrunden, Praxisprojekten und Abschlussarbeiten sollen Ideen für eine alternative Zufriedenheitsmessung entwickelt und deren Einflussfaktoren untersucht werden. Angeregt hat das Projekt zusammen mit ihrem Team Prof. Dr. Claudia Gerhardt, Studiendekanin für Wirtschaftspsychologie und Angewandte Psychologie in Hamburg, die deswegen zum Fresenius-Kopf des Monats Februar gekürt wurde.
24hoursofhappy – mit dieser Aktion sorgt der US-Sänger Pharrel Williams seit einigen Monaten weltweit für Aufsehen. Im ersten Ganztagsvideo der Musikgeschichte lässt der Künstler seinen Hit „Happy“ in 24-Stunden-Dauerschleife ablaufen, dazu tanzen nacheinander unterschiedlichste Personen vor der Kamera – mal ist die Performance professionell, mal schräg.
„I want to make people happy“, erklärte Williams seine Absicht hinter der Aktion – und das dürfte er auch erreicht haben, blickt man auf die Kommentare, die dazu auf Facebook, Youtube & Co. zu finden sind. Doch was genau meint Williams eigentlich damit, dass er Menschen „happy“ machen will? Wie ist dieser Satz im Deutschen zu verstehen? Zunächst scheint die Antwort klar: Williams möchte die Menschen glücklich machen, so wird „happy“ eben gemeinhin übersetzt. Das Problem dabei ist, dass in der deutschen Sprache das Attribut „glücklich“ auch verwendet wird, wenn eine Person mehr durch günstige Schicksalsfügung als durch eigenes Können eine schwierige Situation meistert – „mehr Glück als Verstand“ unterstellt man ihr dann. Im englischsprachigen Raum hat man dagegen mit „luck“ ein eigenes Wort für diese Art des Glücks.[box headline=“Fresenius-Kopf des Monats“]In der Rubrik „Fresenius-Kopf des Monats“ werden Personen porträtiert, die sich auf dem Gebiet der angewandten Wissenschaften hervorgetan haben oder die Hochschule in besonderer Weise unterstützen und mit ihren Ideen verändern. So kann die Veröffentlichung einer Forschungsarbeit genauso Anlass für ein Porträt sein wie Innovationen in der Lehre, Dienstjubiläen, überdurchschnittliches Engagement, herausragende studentische Leistungen sowie bemerkenswerte Werdegänge von Absolventen.
Bislang in dieser Rubrik erschienen:
2013:
2014:
„Die englische Alltagssprache verfügt über die Varianten ‚luck‘, ‚happiness‘ oder ‚pleasure‘, während wir im Deutschen in diesem Zusammenhang immer nur von „Glück“ sprechen“, weiß auch Prof. Dr. Claudia Gerhardt, Studiendekanin für Wirtschaftspsychologie und Angewandte Psychologie an der Hochschule Fresenius Hamburg. Seit Gerhardt Ende letzten Jahres die Intiative „SocioImprovement – Forschungsdach zur Positiven Psychologie“ in Zusammenarbeit mit dem Kollegen Prof. Dr. Joost van Treeck und ihrem Team ins Leben gerufen hat, steht der Glücksbegriff in Hamburg des Öfteren auf der Agenda. „Die Positive Psychologie nach Martin Seligman beschäftigt sich mit der Frage nach einem ‚gelingenden Leben‘. Aus wissenschaftlicher Sicht ist es hier also zunächst wichtig, zu einer sinnvollen Definition dieses Begriffs zu kommen“, erklärt Gerhardt. Und das sei – im Deutschen wie im Englischen – eben gar nicht so leicht. Man habe sich in der Glücksforschung am Ende weitgehend darauf geeinigt, die Variable „Glück“ so zu operationalisieren, „dass darunter ein Zustand relativer Lebenszufriedenheit verstanden wird“, so die Wirtschaftspsychologin.
Diesen Zustand zu messen und vor allem zu beleuchten, wie er entsteht und beeinflusst werden kann, das hat sich das neue Projekt an der Hochschule Fresenius Hamburg zur Aufgabe gemacht. Dabei stehen Gerhardt und ihre Kollegen vor einigen Herausforderungen. Denn um herauszufinden, ob jemand zufrieden ist, ist es ein Weg, ihn oder sie zu befragen – und hier antwortet nicht jeder immer ehrlich. „Natürlich sind Verzerrungseffekte zum Beispiel durch soziale Erwünschtheit möglich“, erläutert Gerhardt, doch dies gelte eben auch für andere Befragungen und könne mit Hilfe geschickter Frageformulierung relativ gut kontrolliert werden.
Sicher sei hingegen, dass die aktuelle Stimmung, in der sich jemand befindet, und seine aktuelle Lebenssituation das Antwortverhalten beeinflusst: „In zahlreichen Untersuchungen konnte nachgewiesen werden, dass Personen ihre Lebenszufriedenheit höher einschätzen, wenn ihnen unmittelbar vor der Befragung etwas Angenehmes widerfahren ist oder die Erinnerung an ein positives Erlebnis aktiviert wurde.“ Dies sei aber auch ein spannender Hinweis auf Möglichkeiten, die wahrgenommene Lebenszufriedenheit zu steigern. Menschen, denen es gelänge, sich an alltägliche kleine Momente des Glücks zu erinnern, sind zum Beispiel zufriedener als Menschen, die sich nur bei „Großereignissen“ wie einer Hochzeit glücklich fühlen. Das zeigte auch eine Befragung unter den Hamburger Studierenden im Dezember vergangenen Jahres.
Diese Einflussgrößen zu ermitteln, ist ein Anliegen der Positiven Psychologie. Damit kann sie durchaus dazu beitragen, den Zufriedenheitszustand eines Landes zu ermitteln – eine Aufgabe, die bis vor einigen Jahren noch fest in der Hand der Volkswirte lag. Für viele von ihnen war und ist auch heute die wirtschaftliche Situation der Menschen für deren Zufriedenheit verantwortlich, das Bruttoinlandsprodukt (BIP) erscheint ihnen deshalb als einzig sinnvoller Indikator. „In den westlichen Ländern, in denen wir ein sehr hohes Wohlstandsniveau erreicht haben, finden wir Wirtschaftslage und Lebenszufriedenheit der Menschen immer stärker entkoppelt“, weiß Gerhardt. Es sei deshalb durchaus an der Zeit, die klassische Messmethode über das BIP zu ergänzen und dabei das subjektive Glücksempfinden stärker zu berücksichtigen.
Über diese alternativen Messverfahren wird übrigens nicht nur in Deutschland nachgedacht. Der Trend ist weltweit zu beobachten, an einigen Orten hat er sogar schon institutionelle Formen angenommen: So gibt es in Bhutan bereits seit einigen Jahren ein offizielles Glücksministerium, das sich mit entsprechenden Fragen auseinandersetzt. Ende 2013 hat auch die venezolanische Regierung eine solche Behörde eingerichtet.
Ob Angela Merkel und ihre Kollegen ähnliche Schritte erwägen, ist nicht bekannt. Ein inoffizielles Glücksministerium gibt es aber auch hierzulande: Es wurde 2012 von Mannheimer Studierenden gegründet und hat seitdem viel Aufmerksamkeit erfahren. Davon erzählte auch „Vize-Glücksministerin“ Saskia Rudolph Ende Dezember auf dem Campus Day an der Hochschule Fresenius Hamburg. Neben ihr nahmen an der Talkrunde, mit der die Forschungsinitiative „SocioImprovement – Forschungsdach zur Positiven Psychologie“ ihren offiziellen Auftakt erlebte, auch der Lach-Yoga Lehrer Alex Bannes, der Berater für angewandte Positive Psychologie Dominik Dallwitz-Wegner und der renommierte Sozialpsychologe und Glücksforscher Prof. Dr. Erich Witte teil. „Wir wollen mit dem Projekt einen interdisziplinären Austausch anregen und das Thema von unterschiedlichen Seiten beleuchten“, begründet Claudia Gerhardt die bunte Zusammenstellung der Runde.
Genau auf derartigen Veranstaltungen, von denen für 2014 noch weitere geplant sind, sollen auch die Studierenden der Hochschule Fresenius mit der Glücksforschung in Berührung kommen. „Ziel ist es natürlich, dass sich die eine oder andere Projekt- oder Abschlussarbeit um das Thema dreht und wir so zu neuen Erkenntnissen gelangen“, so Gerhardt. Erkenntnisse darüber, wie glücklich die Deutschen sind, was sie bei der Arbeit glücklich macht und wo man ansetzen muss, um sie noch glücklicher zu machen – „to make them happier“, wie es in der englischen Sprache wohl heißen würde.
Redaktion
Die adhibeo-Redaktion veröffentlicht regelmäßig Artikel zu verschiedensten Themen der Angewandten Wissenschaften, die an der Hochschule Fresenius stattfinden.
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