Psychologie und Wirtschaftspsychologie

Den Schweinehund zum Tanz auffordern

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von Redaktion, am 14.07.2016

In seinem neuen Buch kritisiert der Psychologe Simon Hahnzog, Dozent an der Hochschule Fresenius München, dass wir unseren Schwächen immer den Kampf ansagen wollen. Stattdessen sollten wir sie akzeptieren und als Chancen begreifen. Insbesondere für prüfungsstressgeplagte Studierende zahle sich das aus.

Gerade jetzt in der Prüfungszeit begegnet er vielen Studierenden regelmäßig: der innere Schweinehund. Oft behält er im Kampf um die Fortsetzung der Lernanstrengungen die Oberhand und sorgt dafür, dass sich die Betroffenen der Prokrastination hingeben: Das Lernen wird aufgeschoben, man widmet sich lieber studienfremden Aktivitäten – und verflucht den Schweinehund.

Doch das sollte man nicht tun, findet Prof. Dr. Simon Hahnzog, Psychologe an der Hochschule Fresenius München. In seinem neuen Buch „Die Chance der Unvollkommenheit“, das aktuell in einigen amazon-Bestsellerlisten weit oben zu finden ist, fordert er vielmehr dazu auf, mit dem inneren Schweinehund „zu tanzen“: „Man sollte sich mit ihm anfreunden, denn der Schweinehund erfüllt ja – wie all unsere Schwächen – auch eine ganz wichtige Funktion: Er schützt uns“, erklärt Hahnzog.

Wenn man seinen Schweinehund und andere Schwächen nicht akzeptiere und ständig versuche, sie zu bekämpfen, laufe man Gefahr, sich zu überlasten. „Zu optimieren gibt es immer etwas und wenn man dabei konsequent wäre, hätte man keine ruhige Minute mehr: man müsste das Lehrbuch auf dem Stepper lesen, damit währenddessen an den figürlichen Makeln gearbeitet werden kann, und dabei gleichzeitig im Hintergrund den Fernseher laufen lassen, um sein Allgemeinbildungsdefizit zu beseitigen. Zieht man das so durch, ist der Burnout nicht mehr weit“, so der Psychologe.

Mit dem Schweinehund zu tanzen bedeutet, seine Schwächen als Chancen zu erkennen

Deswegen solle man, wenn der Schweinehund beim Lernen das nächste Mal auf Unterbrechung pocht, dies doch einfach als eine willkommene Erholungsmöglichkeit sehen, kommt Hahnzog auf das Beispiel des prokrastinierenden Studenten zurück. „Mit neuer Energie kann man sich danach wieder dem Lernstoff widmen.“

Mit seinem Buch möchte er seinen Lesern genau dies vor Augen führen: Schwächen sind eben auch funktional und deshalb nicht immer negativ zu bewerten. Dass Ängste, die gemeinhin als Schwachstellen gelten, etwas bekämpfenswertes sind, hält er zum Beispiel für ziemlich falsch: „Ohne Ängste wäre doch keiner von uns heute mehr hier! Stellen Sie sich vor, unsere frühen Vorfahren hätten bei der Begegnung mit großen Raubtieren keine Angst verspürt. Dann hätten sie sich womöglich nicht in die Flucht geschlagen, sondern den Kampf gesucht – und wären dabei mit hoher Wahrscheinlichkeit ums Leben gekommen.“

Natürlich gebe es Ängste, die einem den Alltag erschwerten und deren Funktion nicht erkennbar sei. Hier seien therapeutische Behandlungen durchaus sinnvoll. „Den Einzelfall muss man immer gesondert betrachten. Aber grundsätzlich möchte ich mit meinem Buch die Menschen dazu aufrufen, das angespannte Verhältnis zu ihren Schwächen zu überdenken – und es ein Stückweit zu harmonisieren“, erklärt Hahnzog abschließend.

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Die adhibeo-Redaktion veröffentlicht regelmäßig Artikel zu verschiedensten Themen der Angewandten Wissenschaften, die an der Hochschule Fresenius stattfinden.

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