Wirtschaft und Management

„Nachhaltigkeitsbemühungen in Zahlen ausdrücken“

von Redaktion, am 25.06.2013

Prof. Dr. Ulrich Schwarzmaier, Dozent für Rechnungswesen an der Hochschule Fresenius München, möchte mit einer Publikation eine Debatte über nachhaltiges Controlling anstoßen. Außerdem erzählt er im Interview, warum Controller heute mit dem Management Ringkämpfe austragen müssen.

In Ihrem Artikel stellen Sie einen Wandel im Berufsbild des Controllers fest. Was genau hat sich hier verändert?

Richtig, ab Mitte der 90er Jahre setzt dieser Wandel ein. Davor war der Controller der Ersteller der Kosten- und Leistungsrechnung – mehr nicht. Heute ist er umfassender zuständig: der Controller ist zum Sparringspartner für das Management geworden. In dieser Rolle soll er aktiv Entscheidungen vorbereiten und dabei Aufgaben aus dem externen Rechnungswesen, dem Risikomanagement, der strategischen Planung und der Investitionsrechnung übernehmen. Neben diesen inhaltlichen Veränderungen muss man im Beruf „Controller“ heute aber auch viel schneller arbeiten und bereit sein, auch mal Entscheidungen vorzuschlagen, die nicht auf hundertprozentig valider Datenbasis stehen.

Seit einigen Jahren kommt man als Manager nicht mehr umhin, sich mit dem Thema Corporate Social Responsibility auseinander zu setzen. Soziale Verantwortung übernehmen – das bedeutet auch, nachhaltig zu wirtschaften. Warum ist das Thema heute so populär? Und was heißt das für die Arbeit des Controllers?

Begonnen hat alles mit den großen Bilanzskandalen am Ende des 20. Jahrhunderts. Danach wurde die Forderung nach Risikomanagementsystemen laut, ein entsprechendes Gesetz (Aktiengesetz, Anm. d. Red.) wurde kurz darauf ja auch verabschiedet. Der Controller sollte derjenige sein, der dieses System etabliert und auch pflegt. Die Wertediskussion, die nach Bekanntwerden der Skandale geführt wurde, sorgte dafür, dass sich das Management veränderten Umweltanforderungen ausgesetzt sah. Deshalb wurden Visionen und Leitsätze entwickelt, die gewisse Werte in der Unternehmenskultur verankern sollten. Die neuen Leitbilder waren die Grundlage für die strategische Ausrichtung und Planung – und wer strategisch arbeitet, der muss auch mit Zahlen arbeiten. Der Controller entwickelte also von nun an bestimmte Kennzahlen, an denen man ablesen konnte, ob ein Unternehmen neben seiner wirtschaftlichen auch seiner sozialen und ökologischen Verantwortung gerecht wird oder nicht.

Ende des 20. Jahrhunderts erschüttern Bilanzskandale die Republik. Der wohl berühmteste: Der Skandal um den Baulöwen Jürgen Schneider.

Immobilienunternehmer Jürgen Schneider narrte über einen Zeitraum von zehn Jahren die Banken und erschlich sich immer wieder Kredite in Millionenhöhe. Um die Banken von seiner Kreditwürdigkeit zu überzeugen, manipulierte er Geschäftszahlen, legte gefälschte Mietverträge und Rechnungen vor und ließ Experten falsche Gutachten erstellen. Im Jahr 1994 waren seine Verbindlichkeiten gegenüber verschiedenen Banken auf 5,6 Milliarden DM angewachsen. Im wenig später eingeleiteten Konkursverfahren konnten rund 3 Mrd. DM wieder eingeholt werden. Der Restbetrag musste von den Gläubigern, darunter zahlreiche kleinere Handwerksbetriebe, ausgebucht werden.

Zum Beispiel den Social Value Added oder den Ecologic Value Added, die Sie in Ihrer Arbeit beschreiben. Mit diesen Kennzahlen sollen die Nachhaltigkeitsbemühungen eines Unternehmens für die Öffentlichkeit nachvollziehbar sein. Was genau versteht man darunter?

In der Vergangenheit war der Shareholder-Value die wichtigste Kennzahl des Unternehmens. Er zeigt den Unternehmenswert und dessen Veränderungswert auf und spiegelt damit die wirtschaftlichen Interessen des Anlegers wider. Man hat also das Handeln des Unternehmens am Shareholder ausgerichtet. Im Gegensatz dazu sollen der Social Value Added oder der Ecologic Value Added einem ganzheitlichen Schema folgen und die ökonomische Sichtweise des Anlegers um die ökologische und soziale Perspektive erweitern. Aufgrund der Nachhaltigkeitsdebatte müssen sich die Unternehmen heute vermehrt auch um die Belange der Stakeholder kümmern. Der Social Value Added und der Ecologic Value Added sollen diese Bemühungen in Zahlen ausdrücken.

Was genau misst der Social Value Added?

Die Kennzahl bildet ab, inwiefern das Unternehmen durch Aufwendungen für die Mitarbeiter und die unmittelbare gesellschaftliche Umwelt einen Wert geschaffen hat.

Darunter fallen dann zum Beispiel die Ausgaben für die Betriebliche Gesundheitsförderung…

… für Gesundheitsförderung, für Betriebskindergärten, für Kantinen, für Weiterbildung – alle Maßnahmen, die den Mitarbeitern des Unternehmens oder auch zum Beispiel der Stadt, in der die Firma ihren Sitz hat, zugutekommen.

Wie berechnet der Controller diese Kennzahl?

Natürlich sollen hier nicht nur Ausgaben berücksichtigt werden. Auch der Nutzen, der gestiftet wurde, muss in die Rechnung miteinfließen. Beim Shareholder-Ansatz vergleicht das Unternehmen ja auch die Rendite mit den Kapitalkosten. Analog sollte man beim Social Value Added vorgehen: man vergleicht den Beitrag, der Ausgaben und Nutzen berücksichtigt, mit einem Branchendurchschnittswert. Alles, was über diese Zahl hinausgeht, hat man als Wert geschaffen. Ich habe konkrete Ideen, wie eine solche Kennzahl aussehen kann. Mit meinem Aufsatz möchte ich aber vor allem eine Diskussion anregen.

Der Aufsatz „Entwicklungstendenzen des Controllings unter besonderer Berücksichtigung der Veränderungen durch die Nachhaltigkeitsdiskussion“ von Prof. Dr. Ulrich Schwarzmaier erscheint in der Juli-Ausgabe des Controller Magazins.

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Die adhibeo-Redaktion veröffentlicht regelmäßig Artikel zu verschiedensten Themen der Angewandten Wissenschaften, die an der Hochschule Fresenius stattfinden.

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