Wirtschaft und Management

„Management-Entscheidungen bedeuten nicht immer gleich den Tod von Kreativität und Kultur“

von Redaktion, am 17.08.2016

Kultureinrichtungen wie Theater, Museen oder Ausstellungshäuser haben es nicht leicht: Einerseits sollen sie der Ort sein, an dem Künstler und Kuratoren ihrer Kreativität freien Lauf lassen können, andererseits müssen sie sich zunehmend am Markt orientieren – und das bedeutet, auch die Interessen externer Anspruchsgruppen zu berücksichtigen. Diesen Spagat dauerhaft zu meistern, ist die Aufgabe von Kulturmanagern. Im Interview erklärt Prof. Dr. Erwin Hoffmann, Dozent an der Hochschule Fresenius Düsseldorf, wie man dieser Aufgabe gerecht werden kann.

Herr Prof. Hoffmann, Sie haben jahrelang als Unternehmensberater gearbeitet und dabei viele Kultureinrichtungen als Kunden betreut. Was hat sich in der jüngeren Vergangenheit im Kulturbereich verändert?

Zum einen wurden in den vergangenen Jahren die staatlichen und kommunalen Subventionen für kulturelle Einrichtungen merklich zurückgefahren. Von öffentlichen Trägern ist also heute weniger finanzielle Unterstützung zu erwarten, wodurch es im Kulturbereich zu einer stärkeren betriebswirtschaftlichen Führung und Marktorientierung und in der Konsequenz teilweise auch zu einer stärkeren Orientierung am Geschmack der Massen gekommen ist.

Zum anderen – und das ist natürlich nicht losgelöst vom gerade genannten Punkt zu betrachten – werden in Kultureinrichtungen immer häufiger ausgebildete Kulturmanager eingesetzt. Das heißt, es ist heute im Gegensatz zu früher nicht mehr so, dass an der Spitze von Ausstellungshäusern oder Theatern nur künstlerisch ausgebildete Personen stehen, die in diese Leitungsposition über die Jahre hineingewachsen sind.

Eine ähnliche Entwicklung wie im Gesundheitssektor: Auch dort wurden ja zum Beispiel Krankenhäuser traditionell von Ärzten geleitet, in den vergangenen Jahren machen sich aber in den Führungsebenen mehr und mehr Gesundheitsökonomen und -manager breit. Heißen Sie diese Entwicklung gut?

Ich denke, es ist eine notwendige Entwicklung. Im Kultur- wie im Gesundheitsbereich müssen sich die Einrichtungen aufgrund veränderter Rahmenbedingungen stärker an ökonomischen Regeln orientieren. Und in dieser Situation kann man vom Fachwissen ausgebildeter Manager natürlich durchaus profitieren. Trotzdem: Gerade im Kulturbereich müssen die Führungskräfte auch branchenspezifische Kompetenzen mitbringen, die in anderen Bereichen weniger wichtig sind. Sonst funktioniert es nicht.

Welche Kompetenzen sind das genau? Was macht die Arbeit von Kulturmanagern so speziell?

Zunächst einmal müssen Sie bedenken, dass Kultureinrichtungen meistens sehr personalintensive und arbeitsteilige Betriebe sind. Alleine im Theaterbereich gibt es zum Beispiel potenziell 100 verschiedene Berufe – angefangen beim Dramaturg über den Maskenbildner bis hin zum Schauspieler. Zudem lässt sich die menschliche Arbeit, die in Kulturbetrieben geleistet wird, nur in geringem Maße automatisieren oder technisieren. Es geht ja überwiegend um Kreativleistungen.

Die Künstler und handwerklichen Kräfte sind die internen Stakeholder, mit denen sich ein Kulturmanager auseinandersetzen muss. Jetzt kommt aber noch hinzu, dass Kultureinrichtungen in besonderem Maße im Fokus der Öffentlichkeit stehen – eben, weil sie teilweise öffentlich finanziert werden und einen Bildungs- und Kulturvermittlungsauftrag erfüllen sollen. Deswegen mischen sich Medien, Politiker oder prominente Personen gerne und regelmäßig in die Arbeit der Häuser ein. Und dann gilt es aufgrund neuer finanzieller Rahmenbedingungen ja noch, Sponsoren und Spender zu finden. Auch deren Interessen müssen berücksichtigt werden.

Sie sehen also: Ein Kulturmanager muss den Erwartungen vieler verschiedener Stakeholder gerecht werden. Und oft stehen sich dabei interne und externe Anspruchsgruppen unversöhnlich gegenüber – freiheitsliebende Künstler möchten ihre Arbeit eben nicht von profitorientierten Sponsoren beeinflusst wissen.

Wie lässt sich dieses Dilemma für den Kulturmanager lösen?

Der Kulturmanager muss als Steuermann der Kultureinrichtung fungieren und dabei sozusagen den unangenehmen Begleiterscheinungen der Kulturarbeit trotzen. Eingebunden in ein Netz vielfältiger Abhängigkeiten und vor dem Hintergrund laufender Veränderungen muss er auf der einen Seite eine klare Vorstellung davon haben, wo die Reise – auch qualitativ-künstlerisch – hingehen soll und wie diese Route zurückgelegt werden kann. Auf der anderen Seite muss er auf jeden Fall den Dialog mit all den genannten Gruppen suchen und ein offenes Ohr für deren Wünsche und Vorstellungen haben. Er darf und muss auf diese eingehen, darf sich aber nicht alles diktieren lassen, von keiner der Parteien. Hier ist Verhandlungsgeschick gefragt.

Und natürlich muss er sich im jeweiligen Spektrum auskennen und die Sprache der Künstler sprechen. Sie sind es schließlich, die das Kulturprodukt erschaffen – egal, ob das nun ein Theater- oder Musikstück oder eine Ausstellung ist. Den Künstlern muss er verständlich machen, dass Management-Entscheidungen nicht immer gleich den Tod von Kreativität und Kultur bedeuten. Das ist eine große Herausforderung.

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Die adhibeo-Redaktion veröffentlicht regelmäßig Artikel zu verschiedensten Themen der Angewandten Wissenschaften, die an der Hochschule Fresenius stattfinden.

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