Psychologie und Wirtschaftspsychologie
Wirtschaft und Management
„Man sollte Fehler als notwendigen Bestandteil innovativer Leistungen begreifen“
von Redaktion, am 28.07.2016
Psychologie und Wirtschaftspsychologie
Wirtschaft und Management
von Redaktion, am 28.07.2016
Arbeitnehmer und Studierende fühlen seine Präsenz derzeit am deutlichsten: das Sommerloch breitet sich langsam aus! In den urlaubsverwaisten Büros hierzulande geht es vergleichsweise entspannter zu, Studierende genießen nach der stressigen Prüfungsphase ihre Semesterferien. Eine Zeit, in der deutlich weniger Druck zu spüren ist, hat begonnen – auch eine Zeit, um besonders innovativ zu sein? Schließlich wird immer wieder behauptet, unter Druck könne man nicht kreativ sein. adhibeo hat den Psychologen und Kreativitätsexperten István Garda gefragt, was dran ist.
Kreativitätsforscher sind hier unterschiedlicher Meinung. Einerseits wird immer wieder belegt, wie Zeitdruck und geringer Handlungsspielraum innovatives Denken in Unternehmen unterbinden. Andererseits ist es erstaunlich, wie im Krieg die technologische Entwicklung sprunghaft voranschreitet. So war das Flugzeug 1914 als Waffe noch unbekannt, 30 Jahre später war es dann der entscheidende Kriegsfaktor und es gab bereits erste Düsenjäger.
Nicht unbedingt, wenn man sich anschaut, wie genau der Druck hier wirkt. Nehmen wir aber zunächst ein Beispiel aus Friedenszeiten: den VW-Abgasskandal. In der Wirtschaftswelt von heute gibt es einen hohen Perfektions- und Erfolgsdrang. In Unternehmen werden anspruchsvolle Ziele vorgegeben und gleichzeitig Fehler kaum toleriert. Das führt einerseits dazu, dass Mitarbeiter lieber keine Risiken eingehen – oder in der Not auf schädliche Weise kreativ werden, wie es bei VW der Fall war. Der VW-Skandal ist deshalb ein sehr schönes Beispiel für kreatives Out-of-the-Box-Denken – zugegebenermaßen waren die positiven Effekte daraus nur sehr kurzfristig zu beobachten.
Wie Sie schon richtig gesagt haben, herrscht im Krieg natürlich gewaltiger Erfolgsdruck. Das hat aber auch zur Folge, dass viele Ressourcen auf das Problem fokussiert werden. Gleichzeitig gibt es, wenn man wie im Krieg fast ständig am Abgrund steht, auch eine vergleichsweise höhere Fehlertoleranz – und das ist entscheidend!
Um auf das Flugzeug-Beispiel zurückzukommen: In der aktuellen Lage wäre es in Deutschland völlig undenkbar, einen Testpiloten in ein neu entwickeltes, noch nicht sicheres Flugzeug zu setzen, selbst wenn die Erkenntnisse des Testflugs sehr wertvoll wären. Im Zweiten Weltkrieg ist man diese Risiken dagegen ständig eingegangen.
Das stimmt und darüber hinaus ist Krieg natürlich auch kein wünschenswerter Zustand. Trotzdem sollte man aus dem, was in kriegerischen Zeiten im Zusammenhang mit Kreativität zu beobachten ist, seine Lehren ziehen. Historisch dokumentierte Beispiele, wie der Fall des Luftfahrtpioniers Roland Garros, zeigen auf, wie kreative Leistungen zustande kommen können. Garros, der im ersten Weltkrieg als französischer Kampfpilot gekämpft hat, steht exemplarisch für das sogenannte Chancendenken. Dieses Denken wirkt dem Phänomen entgegen, dass Menschen für gewöhnlich die Schwierigkeiten und Nachteile neuer Ideen viel eher sehen als das verborgene Potenzial.
Wie schon angesprochen, haben es neuartige Ideen nicht leicht: die Gegenargumente sind dem Entwickler meist sofort gedanklich parat, die Ablehnung der Idee erfolgt sozusagen automatisch, reflexhaft. Das ist der Weg, den wir normalerweise beschreiten. Wir sollten diesen Weg aber meiden und uns stattdessen fragen: Wie könnte die Idee trotzdem funktionieren? Welche Teile der Idee haben vielleicht Potenzial? Auf diese Weise schöpft man das kreative Potenzial viel stärker aus.
Andererseits – auch das lernen wir aus den Kriegsbeispielen – ist zur Förderung von Kreativität auch eine gewisse Fehleroffenheit erforderlich. Man sollte Fehler – ganz generell – als notwendigen Bestandteil innovativer Leistungen begreifen, anstatt sie zu bestrafen. Diesen Gedanken sollten vor allem Unternehmen, die von ihren Angestellten kreative Leistungen einfordern, berücksichtigen: Die Mitarbeiter müssen sich trauen, Neues auszuprobieren, wohl wissend, dass es auch schiefgehen kann. Und sie dürfen dabei keine Angst vor Bestrafungen haben. Ohne Fehler keine Innovation.
Redaktion
Die adhibeo-Redaktion veröffentlicht regelmäßig Artikel zu verschiedensten Themen der Angewandten Wissenschaften, die an der Hochschule Fresenius stattfinden.
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