Medien
Wirtschaft und Management
Medientage bei adhibeo
von Redaktion, am 07.11.2013
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Wirtschaft und Management
von Redaktion, am 07.11.2013
Lärmend zog Twitter heute an die Börse: Laut Medienberichten wird der Börsengang dem Internetunternehmen über 2 Milliarden Dollar in die Kassen spülen. Kritiker zweifeln jedoch daran, ob die Aktie, deren Ausgabepreis bei 26 US-Dollar pro Stück liegt, hält, was sie verspricht. Andere wiederum sehen in Twitter „the next big thing since Facebook“. Egal, wer am Ende recht behält: Die adhibeo-Redaktion nimmt den Börsengang zum Anlass, ein mehrteiliges Medienspezial zu starten. In insgesamt fünf Artikeln werden in den kommenden Tagen aktuelle Medienthemen vorgestellt und von Experten beleuchtet. Zum Auftakt spricht Prof. Dr. Dominik Große Holtforth, Studiendekan Medien- & Kommunikationsmanagement an der Hochschule Fresenius Köln, über die Gefahren und Chancen des Twitter-Börsengangs. Es folgen:
An der Börse ist die Zukunftsperspektive entscheidend, weniger die Ergebnisse der letzten Jahre. Die entscheidende Frage für Investoren ist also: Hat Twitter ein Geschäftsmodell, das hohe Renditen ermöglicht, ist die Aktie also attraktiv? Offensichtlich, das kann man schon jetzt sagen, beantworten viele Aktionäre diese Frage positiv, weil sie bei Twitter mit seinen 218 Millionen monatlich aktiven Nutzern ein hohes Umsatz- und Ertragspotenzial sehen.
Die Marktkapitalisierung, die sie ansprechen, lag ja Mittwochabend schon knapp unter 20 Milliarden Dollar. In der Tat stellt sich die Frage, wie solche Aussagen zum Unternehmenswert zustande kommen. Rechnerisch ist die Bestimmung der Marktkapitalisierung relativ einfach: Man nimmt die Zahl der ausgegebenen Aktien und multipliziert diese mit dem aktuellen oder einem durchschnittlichen Kurswert der Aktie.
Damit ist aber noch nicht die Frage beantwortet, ob die Marktkapitalisierung den tatsächlichen Unternehmenswert wiedergibt. Ohne allzu sehr in das komplexe Thema Unternehmensbewertung einzusteigen, sind bei der Marktkapitalisierung als Wertindikator für Unternehmen Zweifel anzumelden. Die Höhe der Marktkapitalisierung ist vor allem vom Kurswert bestimmt, der ja bei den meisten Aktien durchaus volatil ist. Kurswerte entstehen durch Abgleich von Angebot und Nachfrage nach bestimmten Aktien, sie sind also maßgeblich durch das Börsengeschehen geprägt. Und das wiederum hängt eben nicht nur von den geschäftlichen Parametern der Unternehmen ab, sondern auch von der Lage am Kapitalmarkt insgesamt, vom Zinsniveau, von der Risikoneigung der Investoren und von vielen anderen, häufig auch sehr subjektiven Faktoren. Will man ein Unternehmen dagegen aus betriebswirtschaftlicher Perspektive möglichst objektiv bewerten, geht man in der Regel über den künftigen Ertragswert, der bei einem Unternehmen erwartet werden kann. Danach ist der aktuelle Wert eines Unternehmens die auf die Gegenwart diskontierte Summe zukünftig zu erwartender Erträge. Aber auch hier sieht man, dass das Ertragswertverfahren, das üblicherweise als Discounted Cash Flow-Methode bezeichnet wird, auch nicht frei von Subjektivität ist. Es muss stets eine Einschätzung der zukünftigen Unternehmens- und Marktentwicklung durchgeführt werden und die ist nun mal subjektiv unterschiedlich.
Bei Twitter geht es vor allem um die Monetarisierung der 218 Millionen Nutzer und deren Aktivitäten auf Twitter. Eine Monetarisierung dieser Aktivitäten gelingt ja bereits schon, Twitter erzielt Umsätze durch Werbung, die vor allem bei der mobilen Nutzung eine Rolle spielen dürften. Also ist der Businessplan von Twitter danach zu bewerten, ob die getroffenen Annahmen zur weiteren Nachfrage nach mobiler Werbung insgesamt und speziell auf der Twitter-Plattform zutreffend sind oder nicht. Grundsätzlich – und da teile ich die Auffassung der Investoren – wächst der für Twitter relevante Markt. Entscheidend wird aber sein, welche Rolle Twitter dabei spielt. Ob Twitter es wirklich schafft, die oder eine entscheidende Plattform für kommerzielle Werbung zu werden, ohne dass Nutzer verloren gehen. Wir müssen grundsätzlich davon ausgehen, dass Mediennutzer werbeavers sind. Aber vielleicht gelingt Twitter ja das, was Google gelungen ist: relevante Werbung einzusetzen, die als weniger störend empfunden wird.
Twitter muss das akquirierte Kapital vor allem dazu einsetzen, um das Geschäftsmodell weiter auszubauen und die Umsätze zu erhöhen. Man braucht neben Entwicklern, die neue Lösungen programmieren, vor allem Werbefachleute, die für die werbetreibende Industrie neue Konzepte entwickeln. Es ist ja nicht so, dass wir einen Mangel an Werbemöglichkeiten haben, die Konkurrenz ist riesig. Nicht zuletzt Facebook zeigt, dass es kein Selbstläufer ist, ein soziales Netzwerk durch Werbung zu finanzieren.
Man hört ja häufig, dass irgendwo Nutzerdaten verkauft werden. Diese Formulierung ist mir zu allgemein, denn es geht nicht um den rechtlich nicht zulässigen Verkauf von Datensätzen. Die wirtschaftliche Leistung von Twitter, Facebook und anderen Netzwerken ist die Vermittlung eines Kontakts zu allen oder spezifischen Nutzern. Ich kann als Werbekunde aus der sehr großen Zahl von Nutzern einzelne Segmente herausfiltern und gegenüber diesen meine Werbung ausspielen. Das heißt, die Daten, die Nutzer freiwillig über an das Netzwerk übertragen haben, werden herangezogen, um die Relevanz der Werbung zu erhöhen. Grundsätzlich ist das ja durchaus im Sinne der Nutzer.
Twitter muss meines Erachtens noch daran arbeiten, ein spezifisches, innovatives Werbemodell zu entwickeln. Bislang sehe ich nur Sponsored Posts, die Werbekunden ja auch bei Facebook buchen können. Twitter muss für mein Dafürhalten den hohen Grad an Viralität nutzen, den bestimmte Tweets haben. Es entstehen ganz kurzfristig sehr viele qualifizierte Nutzerkontakte, wenn sich irgendwo auf der Welt ein ungeahntes Ereignis ergibt. Das dürfte viele Werbekunden interessieren.
Natürlich haben die USA in vielen Medien eine Vorreiterrolle gespielt und spielen sie noch. Aber genauso gut sind die Kultur und strukturelle Unterschiede in der Mediennutzung ein wichtiger Faktor, warum ein Dienst in Deutschland seltener genutzt wird als in den USA. Entscheidend bei Twitter ist die Verbreitung von Smartphones, da sind die USA noch etwas weiter. Ich denke aber, dass der Anteil der Smartphone-Nutzer auch in Deutschland bald deutlich über 60 Prozent liegen wird. Bei den kulturellen Faktoren sehe ich allerdings Unterschiede, die nachhaltiger sein dürften: die Deutschen gelten als weniger technikaffin und in Sachen Unterhaltungsmedien weniger begeisterungsfähig als die Amerikaner.
Nein. Twitter sollte nicht ignoriert werden, wenn der Dienst für die wesentlichen Zielgruppen des Unternehmens relevant ist. In diesem Fall, zum Beispiel bei jungen, urbanen Zielgruppen, lässt sich Twitter gut in die Social Media-Strategie des Unternehmens einbinden, das können auch kleinere und mittelgroße Unternehmen hinbekommen. Es geht darum, in einem vernünftigen Rhythmus soziale Signale auszusenden, die die Ziel- und Kundengruppen an das Unternehmen und – bei Twitter vor allem wichtig – an einzelne Personen aus den Unternehmen zu binden. Es gibt ja bereits viele Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer oder Vorstände, die bloggen, bei Facebook posten und twittern. Natürlich machen sie das in der Regel nicht persönlich, sondern stellen nur ihren Namen, ihr Profil zur Verfügung. Aber wenn auf diese Weise ein authentisches, interessantes Bild vom Unternehmen vermittelt werden kann, ist das ein hervorragendes Instrument der Kundenbindung. Nebenbei gibt es eine Vielzahl von Tools, die Social Media Marketing erleichtern, was ja für kleine Unternehmen wichtig ist. Ich empfehle zum Beispiel die Hootsuite, mit der sie mehrere soziale Netzwerke gleichzeitig betreuen können.
Redaktion
Die adhibeo-Redaktion veröffentlicht regelmäßig Artikel zu verschiedensten Themen der Angewandten Wissenschaften, die an der Hochschule Fresenius stattfinden.
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