Chemie, Biologie und Pharmazie
Wirtschaft und Management
„Das Potential der Pharmakologen wird selten ausgeschöpft“
von Redaktion, am 13.06.2013
Chemie, Biologie und Pharmazie
Wirtschaft und Management
von Redaktion, am 13.06.2013
Für den 13. Juni 2013 hat die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände den „Tag der Apotheke“ ausgerufen. Die Branche hat durchaus Grund zu feiern: Täglich besuchen rund vier Millionen Deutsche eine Apotheke, viele Menschen ziehen den Apothekenbesuch dem Arztbesuch vor. Dennoch glaubt Prof. Dr. Andreas Beivers, Studiendekan für Gesundheitsökonomie an der Hochschule Fresenius München, dass sich in der Branche in den nächsten Jahren einiges verändern wird. Im Gespräch erklärt Beivers, in welche Richtung sich die Apotheken bewegen müssen – und wann eine Schnittwunde zu einer lebensgefährlichen Verletzung werden kann.
Ja, danke. Im Moment geht es mir gut.
Bei langwierigen Geschichten gehe ich schon zum Arzt und hole mir eine Diagnose. Aber häufig weiß ich, welches Mittel mir hilft und dann kaufe ich es schnell in der Apotheke.
Das muss man differenziert betrachten. Generell kann man in Deutschland nicht beobachten, dass die Menschen zu wenig zum Arzt gehen – im Durchschnitt immerhin 18 Mal pro Jahr. Dabei ist zwar nicht jeder Arztbesuch auch gleichbedeutend mit einer Behandlung, dennoch sind die Deutschen in dieser Statistik europaweit führend. Es ist aber richtig, dass heute potentiell Behandlungsbedürftige aus Zeitmangel auf den Arztbesuch verzichten und sich in der Apotheke nur schnell ein Medikament besorgen. Angst müssen die Ärzte deswegen aber nicht haben.
Richtig. Der Behandlungsbedürftige kann hier nur aus einem begrenzten Sortiment wählen. Um Zugang zu stärkeren Medikamenten zu erhalten, muss er sich immer erst eine ärztliche Diagnose einholen.
Aspirin zum Beispiel, ein klassisches nicht verschreibungspflichtiges, aber apothekenpflichtiges Medikament. Das heißt, das Mittel ist zwar frei verkäuflich, muss aber in einer der rund 21 000 Offizin Apotheken (gleichbedeutend mit „Öffentliche Apotheke“, Anm. d. Redaktion) in Deutschland erstanden werden. Hintergrund ist, dass der Kunde hier beim Kauf von einem Experten, der Apothekerin oder dem Apotheker, beraten werden soll. Zwar ist Aspirin kein wirklich gefährliches Produkt. Nimmt man aber zehn Tabletten ein und schneidet sich dann aus Versehen tief in den Finger, ist die Gefahr, zu verbluten, durchaus vorhanden – der blutverdünnenden Wirkung von Aspirin sei Dank. Auf diese Risiken und Nebenwirkungen soll der Apotheker hinweisen.
Durchaus. Durch die vielen Apotheken wird in Deutschland ein sehr hohes Niveau in Sachen Arzneimittelsicherheit erreicht. Dafür dürfen sich die Apotheken auch ruhig mal loben. Dennoch werden Globalisierung und fortschreitende Industrialisierung natürlich auch vor der Apothekenbranche nicht Halt machen. Ein wichtiges Bollwerk gegen diese Einflüsse ist momentan noch das Mehr- und Fremdbesitzverbot: Danach dürfen nur ausgebildete Pharmakologen eine Apotheke besitzen und zudem nicht mehr als vier Filialen betreiben. So wird den großen Discountern der Markteintritt etwas erschwert.
Ich glaube, die Apotheken werden in Zukunft stärker in den Behandlungsprozess miteingebunden. Denn gerade in Gegenden, in denen die Ärzteversorgung aufgrund des demografischen Wandels knapp ist, müssen die Apotheker Aufgaben in diesem Prozess übernehmen – und das können Sie auch! Apotheker besitzen eine sehr anspruchsvolle pharmakologische Ausbildung, im beruflichen Alltag wird dieses Potential aber nur selten ganz ausgeschöpft.
Genau! Um die Ursache hierfür zu finden, muss man zu den Anfängen der Industrialisierung zurückgehen. Seit dem Einsetzen dieses Prozesses Mitte des 19. Jahrhunderts hat sich aus einem mittelständischen Apothekertum eine pharmazeutische Industrie entwickelt. Ein gutes Beispiel: Die Hirsch Apotheke in Frankfurt. Aus ihr entstand im Laufe der letzten 150 Jahre das Großunternehmen Fresenius Medical Care. Viele der großen Pharmafirmen in Deutschland können auf eine ähnliche Geschichte zurückblicken. Die pharmazeutische Industrie hat sich in Deutschland schneller und professioneller entwickelt als in anderen Ländern, die Apotheke wurde dabei früh als idealer Distributionskanal erkannt. Dabei ist es geblieben.
Ich denke schon. Die Franchise-Idee, wie sie zum Beispiel von SaniPlus angeboten wird, könnte für Gesundheitsökonomen durchaus interessant sein. Aber natürlich ist das Wissen eines Pharmakologen in einer Apotheke unverzichtbar.
Eine Möglichkeit sind medizinische Versorgungszentren, von denen es ja in Deutschland immer mehr gibt. Hier schließen sich Fachärzte, Physiotherapeuten und auch Apotheker zusammen und handeln entlang einer Wertschöpfungskette.
Das regelt der Markt: Wenn die Apothekerin oder der Apotheker es schafft, persönliche Beziehungen zu unterhalten und zudem noch gut berät, dann wird das Geschäft auch in Zukunft gut laufen. Die Rosen-Apotheke, als Beispiel für eine klassische Offizin Apotheke, wird es weiter geben.
Redaktion
Die adhibeo-Redaktion veröffentlicht regelmäßig Artikel zu verschiedensten Themen der Angewandten Wissenschaften, die an der Hochschule Fresenius stattfinden.
Ihr Kommentar
Sie möchten Sich an der Diskussion beteiligen? Hinterlassen Sie uns Ihren Kommentar!Bitte beachten Sie dabei unsere Netiquette. Vielen Dank.