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„Unternehmen sind soziale Akteure“

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von Redaktion, am 23.09.2014

Die Arbeit von PR-Managern wird in Zeiten von Internet und Social Media für Unternehmen immer wichtiger. Doch welches Wissen müssen Unternehmens- kommunikatoren eigentlich mitbringen, damit sie ihren Job erfolgreich erledigen können? Ein grundlegendes Verständnis von soziologischen Theorien, meint Prof. Dr. Jan Rommerskirchen, Studiendekan des Masterstudiengangs Corporate Communication an der Hochschule Fresenius Köln. Im Interview mit adhibeo erklärt er, warum.

Sie haben kürzlich das Lehrbuch „Soziologie & Kommunikation“ veröffentlicht, das gleichzeitig auch als Begleitmaterial für den von Ihnen betreuten Masterstudiengang Corporate Communication dient. Warum ist es für angehende Unternehmenskommunikatoren so wichtig, gesellschaftliche Vorgänge und Rahmenbedingungen zu verstehen und zu kennen?

Bei der Entwicklung des Masterstudiengangs Corporate Communication zusammen mit meinen Partnern aus Agenturen und Unternehmen gab es eine einfache Leitidee: Unternehmen und die meisten Organisationen müssen zwei Dinge möglichst gut machen, Verkaufen und Kommunizieren. Wenn ein Unternehmen oder eine Organisation eines davon schlecht macht, wird auch das andere schwierig. Ums Verkaufen kümmern sich die betriebswirtschaftlichen Studiengänge, wir machen den anderen Teil.

Beides – Verkaufen und Kommunizieren – findet jedoch in der Gesellschaft statt, Unternehmen und Organisationen sind soziale Akteure. Das heißt, dass sie gesellschaftlichen Veränderungen unterworfen sind und diese manchmal auch beeinflussen können. Hinter dem viel zitierten Wandel vom Shareholder- zum Stakeholdermodell stand ja eigentlich eine andere, soziologische Erkenntnis: Der Homo oeconomicus, lange Zeit das vorherrschende Menschenbild in den Wirtschaftswissenschaften, wurde als Typus für unzureichend erkannt, der Homo sociologicus rückte stattdessen ins Zentrum der Aufmerksamkeit.

Wie macht sich dieser Wandel bemerkbar?

Die Soziologie hat das Thema ja schon in den 1960er Jahren ausdiskutiert, die Ökonomen haben es in 1990er Jahren dann auch langsam in ihre Überlegungen integriert und seit einigen Jahren gibt es Nobelpreise nur noch für soziologisch geschulte Wirtschaftswissenschaftler wie Amartya Sen oder Robert Shiller. Sogar Alan Greenspan, der langjährige Vorsitzende der US-Notenbank, hat sich letztes Jahr dafür entschuldigt, dass sein Glaube an die Rational-Choice-Dogmen mit zur Finanzkrise geführt hatte.

Insofern dürfte heute den meisten Menschen, die sich ums Verkaufen oder ums Kommunizieren kümmern, klar sein, dass die Soziologie als Lehre von der Gesellschaft und ihrer Beziehung zu Unternehmen und Organisationen unverzichtbar ist. Ökonomen, die ihre Modelle nach wie vor als eine Art Naturwissenschaft verstehen, bei der das Verhalten ihrer Untersuchungsgegenstände durch wirtschaftspolitische Maßnahmen gesteuert wird, sollten sich mit Kreationisten und Astrologen eine Clubjacke machen lassen. Soziologische Theorien sind daher nicht nur für angehende Unternehmenskommunikatoren wichtig, sondern für alle Menschen, die in Unternehmen oder Organisationen Entscheidungen treffen.

Als Mitarbeiter in der Unternehmenskommunikation ist es eine zentrale Aufgabe, den eigenen Arbeitgeber in einem günstigen Licht erscheinen zu lassen. Lange Zeit versuchte man dieses Ziel zu erreichen, indem man die Medien als Verbreitungskanal nutzte und dort seine Botschaften platzierte. Heute kann man sich über das Internet und die Sozialen Medien selbst an eine breite Öffentlichkeit wenden. Was hat das für den Bereich Unternehmenskommunikation zur Folge?

Zunächst eine kurze historische Einordnung: Die klassische Unternehmenskommunikation hieß früher „Öffentlichkeitsarbeit“ und war bestenfalls ein kleiner Teilbereich des Marketings, oftmals erledigte ein Mitarbeiter diese Aufgabe nebenbei, schlimmstenfalls kümmerte sich der Chef im mittelständischen Unternehmen um die „Presse“. Das gibt es heute auch noch, da lädt der Chef zur Pressekonferenz ein und wundert sich, dass keiner kommt. Bei den erfolgreichen Unternehmen ist die Unternehmenskommunikation heute ein einflussreicher Berater der Geschäftsführung, der Vertrauen entgegengebracht wird und die auf Augenhöhe mit den anderen Teilbereichen arbeitet. Die Trennung von Marketing und Public Relations ist für akademische Tagungen ein gutes Thema, führt in der Praxis aber nur zu Kompetenzstreitigkeiten und Reibungsverlusten.

Die übliche Metapher für den angesprochenen Wandel durch Social Media lautet: vom Bowling zum Flippern. Die Aufgabe des klassischen Marketings war es, mit einer Kugel möglichst viele Pins zu treffen. Effizienz war das Ziel und die PR verkündete lediglich den Spielstand. In der modernen Unternehmenskommunikation geht es darum, mit einem Thema möglichst viele Gruppen zu kontaktieren und auf Interaktionen zu hoffen, durch die das Thema weitergetragen wird – so wie beim Flipper die Kugel möglichst lange im Spiel bleiben soll. Die Social Media als Transformationsmedien, die Kommunikationen in Interaktionen umwandeln können, spielen dabei eine wesentliche Rolle.

Die Möglichkeiten der Unternehmenskommunikation sind in diesem Spiel jedoch begrenzt, daher kann es nicht nur um Effizienz gehen. Das Spiel geht anders und man muss die Regeln, das heißt die verborgenen Prozesse der Kommunikation, kennen und beherrschen. Sonst landet die Kugel schnell in der Outlane und nicht beim Bumper – um in der Metapher zu bleiben.

Im Zusammenhang mit diesen „verborgenen Prozessen“ wird auch immer wieder von der Bedeutung von Meinungsführern gesprochen. Warum? Und wie kann man diese Personen identifizieren? Und vor allem, wie kann man Sie dazu motivieren, sich am Flipper-Spiel zu beteiligen?

Die Identifikation von Meinungsführern ist auf den ersten Blick in diesem Spiel sicherlich einfacher geworden, die Datensammlungen der Social Media und die Algorithmen zu ihrer Auswertung werden immer besser und zuverlässiger bei der Erfassung von Kommunikationsströmen in Netzwerken.

Mindestens genauso schnell wächst aber auch das Misstrauen gegenüber jeder Form der Unternehmenskommunikation. Die Menschen stehen der Werbung und der PR sehr kritisch gegenüber, egal in welchem Medium. Die wichtigste Aufgabe der Unternehmen und Organisationen ist heute, Vertrauen durch Kommunikation zu ermöglichen. Kooperationen mit loyalen Stakeholdern – seien es Mitarbeiter, Analysten oder Kunden – sind sicherlich das höchste Ziel der Arbeit von Unternehmen und Organisationen, aber ohne Vertrauen kommen sie diesem Ziel keinen Schritt näher, auch nicht mit viel Geld.

Wie man dieses Ziel erreichen kann, ist noch nicht geklärt, und auch meine eigene Forschung zu diesem Thema wird noch andauern – aber in den Seminaren diskutieren wir das Thema ja oftmals und wichtige Impulse für meine Arbeit kommen auch von den Masterstudierenden.

Über den Autor

Redaktion
Die adhibeo-Redaktion veröffentlicht regelmäßig Artikel zu verschiedensten Themen der Angewandten Wissenschaften, die an der Hochschule Fresenius stattfinden.

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