IT, Mobilität und Technologie

Wirtschaft und Management

„Beim Thema Klimaanpassung muss man mit Weitblick agieren“

ashes-sitoula-UfEyDdXlRp8-unsplash

von Redaktion, am 18.11.2014

Am Wochenende ist der G20-Gipfel in Brisbane zu Ende gegangen. Die Staatschefs hatten sich bei ihrem Zusammentreffen auch mit den Themen Klimaschutz und Klimawandel beschäftigt. Themen, die auch in deutschen Unternehmen auf der Agenda stehen – das eine weiter oben, das andere weiter unten oder gar nicht. Denn dass sich der Klimawandel negativ auf einzelne Geschäftsbereiche auswirken kann, ist noch nicht in allen Unternehmen angekommen, wie Dr. Mahammad Mahammadzadeh, Dozent an der Hochschule Fresenius Köln, im Interview berichtet. Er fordert die Unternehmen auf, über Klimaanpassungsmöglichkeiten nachzudenken.

Sie beschäftigen sich im Rahmen der BMBF-Fördermaßnahme „KLIMZUG – Klimawandel in Regionen zukunftsfähig gestalten“ mit Unternehmensstrategien zur Anpassung an den Klimawandel und haben dazu kürzlich ein Buch herausgegeben. Darin heißt es, das Thema Klimaschutz sei in der betrieblichen Realität bereits angekommen, für das Thema Klimaanpassung gelte das aber noch nicht. Was ist damit gemeint? Und was ist hier überhaupt der Unterschied?

Das Thema Klimaschutz hat in Forschung und Praxis eine lange Tradition. Bei der Klimaanpassung handelt es sich dagegen um ein jüngeres Forschungsfeld, dem zunehmend mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird. Während es beim Klimaschutz vor allem um die Minderung von Treibhausgasemissionen geht, impliziert der Begriff Klimaanpassung die Anpassung an die Folgen des Klimawandels sowie an die mit ihm verknüpften Extremwetterereignisse wie Starkregen, Stürme und Hitze.

Unternehmen beschäftigen sich bisher, das haben unsere Untersuchungen gezeigt, hauptsächlich mit dem Thema Klimaschutz. Dabei sind sowohl Klimaschutz als auch Klimaanpassung für die Zukunftsfähigkeit eines Betriebs sehr wichtig – und sie schließen sich auch nicht gegenseitig aus: Ohne wirksame Klimaschutzmaßnahmen kann die Anpassung an den Klimawandel an ihre Grenzen stoßen, langfristig können die Anpassungskosten mit fortschreitendem Klimawandel zu hoch werden. Umgekehrt genügt der Klimaschutz allein im Kampf gegen den Klimawandel ebenfalls nicht aus.

Warum zögern die Unternehmen, sich auch dem Thema Klimaanpassung zu widmen?

Es ist doch so, Klimaschutzmaßnahmen werden getätigt, da sie unumgänglich sind und/oder unmittelbare positive Konsequenzen haben. Das zeigt auch eine vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) durchgeführte Umfrage unter Umweltexperten aus Unternehmen und Verbänden. Von den rund 160 Befragten erkennen rund drei Viertel das Erfüllen gesetzlicher Vorgaben auf nationaler und EU-Ebene als zentrales Motiv hinter den Klimaschutzbemühungen von Unternehmen. Etwa jedes zweite Unternehmen, so die Experten, hat beim Klimaschutz die damit verbundene Kostenreduzierung im Auge, rund 42 Prozent der Unternehmen erhoffen sich verbesserte Marktchancen durch den Vertrieb von Klimaschutzprodukten.

Im Vergleich zum Klimaschutz muss man beim Thema Klimaanpassung eher mit Weitblick agieren. Der Wandel geht ja sehr langsam vonstatten, entsprechende Maßnahmen zahlen sich für die Unternehmen also erst auf lange Sicht aus. Man muss sich aber dennoch vor Augen führen, dass der Klimawandel – trotz aller Bemühungen im Bereich Klimaschutz – nicht aufgehalten oder gestoppt werden kann, nur Ausmaß und Intensität können begrenzt werden.

Daher setzt eine wirksame Bewältigung des Klimawandels eine zweigleisige Reaktion bzw. eine strategische Ausrichtung der Handlungen aller Akteure voraus: Klimaschutz und Klimaanpassung. Daran sollten sich auch Unternehmen halten.

Der Klimawandel zeigt sich bislang als langfristiger und auch wenig berechenbarer Veränderungsprozess. Was auf die Unternehmen zukommen wird, ist nur begrenzt vorherzusagen. Wie gehen die Unternehmen mit dieser Unsicherheit um?

Viele Unternehmensentscheidungen sind Entscheidungen unter Unsicherheit, das gilt ganz allgemein. Entscheidungen und Investitionen im Bereich Klimaschutz und Klimaanpassung machen hier keine Ausnahme. Viele Unternehmen sehen fehlende sichere und zuverlässige Informationen und Daten bezüglich des Klimawandels und seiner Folgen als ein Hindernis. Aber eine hundertprozentige Sicherheit wird es einfach nie geben.

Auch aus diesem Grund findet sich derzeit das Thema Klimaschutz deutlich weiter oben auf den Agenden der Unternehmen als das Thema Klimaanpassung. Hier spielen die schon erwähnten Einflüsse aus dem rechtlichen, marktlichen und gesellschaftlichen Umfeld eine wichtige Rolle.

Bei der Klimaanpassung, das haben unsere Analysen verdeutlicht, spielt es eine wichtige Rolle, ob ein Unternehmen durch den Klimawandel bereits persönlich betroffen ist. Nehmen wir das Beispiel Hochwasser: Ich habe es immer wieder erlebt, dass Unternehmensvertreter in weniger hochwassergefährdeten Gebieten in Gesprächen erwidern: „Wozu brauche ich eine Schutzmaßnahme, wenn es gar kein Hochwasser gibt?“ Das Problem ist, der Klimawandel wird dafür sorgen, dass auch in ehemals ungefährdeten Gebieten zunehmend mit Extremwetterereignissen und damit einhergehend mit Überflutungen zu rechnen ist.

Derjenige, der einen Hochwasserschaden bereits am eigenen Leib, also in unserem Zusammenhang zum Beispiel in den eigenen Lagerhallen, erfahren hat, geht danach mit dem Thema Klimaanpassung sensibler um und ergreift Maßnahmen, damit so etwas nicht noch einmal passiert.

Wie reagieren Unternehmen denn nun auf die neuen Bedrohungen durch den Klimawandel? Auf welche Strategien der Klimaanpassung sind Sie in Ihren Studien gestoßen?

Es gibt zahlreiche Anpassungsmaßnahmen. Allerdings ist den Unternehmen selbst nicht immer klar, dass es sich bei einer getroffenen Maßnahme um eine Maßnahme handelt, die in den Bereich der Klimaanpassung fällt. Aber wenn man beispielsweise seine Transportfahrzeuge mit leistungsfähigeren Klimaanlagen ausstattet oder seine Gebäude besser isoliert, sind das Reaktionen auf zunehmend heißere Sommer und kühlere Winter – allgemeiner gesprochen: auf den Klimawandel.

Ein weiteres Beispiel: Viele Unternehmen erhöhen als Reaktion auf klimawandelbedingte Lieferverzögerungen ihre Lagerbestände. Denn bei Extremwetterereignissen, wie zum Beispiel einem Sturm oder starken Regenfällen, kann es durchaus vorkommen, dass die eigenen Lastwagen auf halber Strecke liegen bleiben, die Ware also nicht rechtzeitig eintrifft. Diese Vorkommnisse stellen die Just-in-time-Beschaffung und -Produktion vor ganz neue Herausforderungen, natürlich auch versicherungstechnisch.

Unternehmen müssen profitabel sein, um zu überleben. Häufig verengt dieser Leitgedanke die Perspektive der Geschäftsführung und des Top-Managements: Man will den kurz- und mittelfristigen Erfolg, was in zwanzig Jahren ist, kümmert einen weniger. In Sachen Klimawandel muss man aber vor allem langfristig denken. Auf die Diskrepanz zwischen der Langfristigkeit des Klimawandels und seinen Folgen einerseits und dem begrenzten Planungshorizont andererseits haben Sie ja schon zu Beginn des Interviews hingewiesen. Ist diese Diskrepanz tatsächlich dafür verantwortlich, dass Klimaanpassungsmaßnahmen nicht durchgeführt werden?

Ja, neben der geringeren eigenen Betroffenheit durch den Klimawandel ist das laut unserer Studie tatsächlich einer der Gründe. Rund jedes zehnte Unternehmen gibt bei der IW-Unternehmensbefragung den „langen Investitionshorizont“ als Anpassungshindernis an. Zugleich ist ein etwa gleich großer Anteil der befragten Unternehmen der Auflassung, dass die Anpassungsentscheidungen durch den „kurzfristigen Zeithorizont der Unternehmensplanung“ behindert werden können. Die Großunternehmen mit 250 Beschäftigten und mehr sehen übrigens den kurzen Planungshorizont häufiger als die übrigen Größenklassen als wichtiges Hemmnis an.

Gerade vor dem Hintergrund der kurzfristigen Geschäftsausrichtung ist also nicht auszuschließen, dass bei einigen Unternehmen langfristige Investitionsentscheidungen im Zusammenhang mit Klimaschutz und Klimaanpassung keine Berücksichtigung finden.

Abschließend gefragt: Welchen Rat geben Sie Unternehmen in Sachen Klimaanpassung?

Unsere Ergebnisse machen klar: Von den natürlich-physikalischen Auswirkungen des Klimawandels, wie sie sich in Extremwettereignissen zeigen, fühlen sich derzeit nur wenige Unternehmen betroffen. Das ist natürlich auch auf die relativ guten klimatischen Bedingungen in Deutschland zurückzuführen. Zudem glauben viele Unternehmen, finanziell, personell, technologisch oder infrastrukturell gut gerüstet zu sein, um auf den Klimawandel reagieren zu können. Insgesamt führt das dazu, dass sich die meisten Unternehmen hierzulande in relativer Sicherheit wiegen. Sie erwarten aber, dass die negative Klimabetroffenheit in 20 Jahren viel größer sein wird als heute.

Folgt man dieser Logik, bedeutet das: Wenn ein Unternehmen um 2030 in einer ähnlich komfortablen Situation sein will wie momentan, dann muss es entweder seine Anpassungskapazitäten erweitern oder sich jetzt schon präventiv anpassen, damit die negativen Folgen des Klimawandels später einmal abgefedert werden können. Einen von beiden Wegen sollte man gehen, das ist meine Empfehlung.

Über den Autor

Redaktion
Die adhibeo-Redaktion veröffentlicht regelmäßig Artikel zu verschiedensten Themen der Angewandten Wissenschaften, die an der Hochschule Fresenius stattfinden.

0 Kommentare

Ihr Kommentar

Sie möchten Sich an der Diskussion beteiligen? Hinterlassen Sie uns Ihren Kommentar!
Bitte beachten Sie dabei unsere Netiquette. Vielen Dank.

Schreiben Sie einen Kommentar