IT, Mobilität und Technologie
Wirtschaft und Management
Zielgruppe im toten Winkel
von Redaktion, am 14.04.2014
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Wirtschaft und Management
von Redaktion, am 14.04.2014
Deutschland – Autoland. Nirgendwo auf der Welt ist man so stolz auf den eigenen fahrbaren Untersatz, das sagte man den Deutschen jedenfalls lange nach. Doch in Zeiten gesteigerten Umweltbewusstseins scheint davon nicht mehr viel übrig zu sein. Vor allem Jüngere entscheiden sich gegen das Anschaffen eines eigenen Automobils und nutzen stattdessen Carsharing-Dienste. In der Generation 50 Plus allerdings ist das Bedürfnis, einen eigenen Pkw zu besitzen, weiter vorhanden – von der Autowerbung wird sie trotzdem nicht adäquat angesprochen, wie die Wirtschaftspsychologin Julia Hoppe in ihrer Bachelorarbeit herausfand.
Opel möchte einen Imagewechsel herbeiführen – und das gibt der Autohersteller auch ganz offen zu: „Umparken im Kopf“ heißt die Werbekampagne, mit der das Unternehmen derzeit für Aufsehen sorgt und Verbraucher dazu bewegen will, ihre Einstellung zur Marke Opel zu überprüfen.
Dafür haben die Marketingverantwortlichen schwere Geschütze aufgefahren: Beliebte Medienstars wie Jürgen Klopp, Karoline Herfurth oder Fahri Yardım wurden als Testimonials verpflichtet. Bemerkenswert: Mit Ausnahme von Joachim Król hat keiner der sieben offiziellen Werbegesichter das 50. Lebensjahr überschritten. Opel möchte also vor allem jüngere Menschen ansprechen – aber ist das aus absatzpolitischer Sicht überhaupt sinnvoll?
„Annähernd 60% der über 50-Jährigen besitzen im Jahr 2013 zumindest einen Pkw“, schreibt Julia Hoppe, Absolventin der Hochschule Fresenius Köln, in ihrer Bachelorthesis. Das ist im Vergleich mit anderen Altersgruppen der höchste Wert. Außerdem investieren die Vertreter der Generation 50 Plus überdurchschnittlich oft in einen Neuwagen, analysiert sie in ihrer Arbeit weiter.
„Und trotzdem werden diese Personen von der Automobilbranche nur selten zielgruppengerecht adressiert“, äußert sich Hoppe im Interview mit adhibeo. Bereits während des Studiums sei ihr aufgefallen, dass vorrangig die 14- bis 49-Jährigen als werberelevante Zielgruppe im Fokus der Marketingstrategen stehen, vor allem bei generationsübergreifenden Produkten. „Wenn ältere Konsumenten von der Werbung angesprochen werden, dann geht es dabei meist um altersbedingte Defizite“, erläutert die Wirtschaftspsychologin. Das sei gerade mit Blick auf den demographischen Wandel nur wenig sinnvoll.
Die Ergebnisse ihrer Arbeit bestätigen nun, was Hoppe schon vermutet hatte: „Viele Personen über 50 fühlen sich von aktuellen Automobil-Werbeanzeigen nur unzureichend angesprochen“, erklärt sie. Die Abbildungen entsprächen einfach zu selten dem Selbstbild der Altersgruppe, wodurch das Identifikationspotenzial mit dem Produkt sinke. Hoppe fasst zusammen: „Ich habe meinen 91 Versuchspersonen – alle hatten zum Zeitpunkt der Erhebung das 50. Lebensjahr bereits beendet – unterschiedliche Automobil-Werbeanzeigen in Printmedien vorgelegt und bewerten lassen. Die meisten von ihnen fanden sich darin nicht wieder.“
Die Werbung der Autoindustrie zielt also eher auf ein jüngeres Publikum ab. Dabei sind es doch gerade sie, die heute vermehrt ihrer sozialen und ökologischen Verantwortung gerecht werden wollen – und deshalb lieber auf Carsharing-Modelle, das Fahrrad oder öffentliche Verkehrsmittel setzen.
„Die Zielgruppe der Generation 50 Plus ist gerne bereit, sich auch mal etwas zu leisten – zumindest dann, wenn man sie fair anspricht und die Qualität des Produktes oder der Dienstleistung überzeugt“, so Hoppe. Und das nötige Geld, um diese Haltung in die Tat umzusetzen, sei eben auch vorhanden. Vielleicht müssen Autohersteller also ihre derzeitigen Marketingstrategien überdenken – „Umparken im Kopf“ ist angebracht, wie es die Macher der Opel-Kampagne vielleicht ausdrücken würden.
Redaktion
Die adhibeo-Redaktion veröffentlicht regelmäßig Artikel zu verschiedensten Themen der Angewandten Wissenschaften, die an der Hochschule Fresenius stattfinden.
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