Lernen und Studium

Ganz ruhig bleiben: Prüfungsangst – was tun?

In den kommenden Wochen stehen für viele Studierenden Prüfungen an. Aber egal, wie gut man sich vorbereitet hat: Kurz bevor die Prüfung beginnt, werden viele nervös und fragen sich, ob sie gut genug vorbereitet sind. Einige haben Angst davor, in der Prüfungssituation regelrecht zu versagen. Prof. Dr. Katja EhrenbergPsychologieprofessorin an der Hochschule Fresenius in Köln, gibt Tipps, wie man besser mit Prüfungsangst umgehen kann.

Prüfungsangst hat viele Gesichter. Sie zeigt sich in Gefühlen wie Angst, Wut, Verzweiflung oder Niedergeschlagenheit. Sie triggert bestimmte Gedanken und Verhaltensweisen oder äußert sich körperlich. Typische Stresssymptome sind Ruhelosigkeit und überhöhte Aktivität, Appetitverlust oder ungesundes Konsumverhalten. Dies erschwert das Lernen: Man schläft schlecht, kann sich nicht gut konzentrieren und vergisst schneller das bereits Gelernte, was angstvolle Gedanken und Gefühle weiter befeuert. Entsprechend hoch ist der Leidensdruck und viele fragen sich, was sie tun können, um ihre Prüfungsangst besser in den Griff zu kriegen „Es gibt verschiedene Methoden, die man anwenden kann, um mit Angst und Nervosität umzugehen“, so Prof. Ehrenberg.

KOGNITIVE UMSTRUKTURIERUNG

Eine sehr bewährte und effektive Methode ist die kognitive Umstrukturierung aus der Verhaltenstherapie. Hier wird auf der Ebene der Gedanken angesetzt. Die Gedanken kreisen bei den Betroffenen häufig um Katastrophenszenarien, was alles schiefgehen könnte. Hieraus kann sich eine regelrechte Angst vor der Angst entwickeln („Hoffentlich kriege ich während der Klausur keinen Blackout“). Ebenfalls typisch sind Gedanken, die die eigene Person pauschal abwerten („Ich kapier‘ das eh nie, ich bin einfach zu dumm“). Derartige Gedanken ziehen dringend benötigte Zeit und Energie von der Vorbereitung ab und können im Extremfall Panikattacken begünstigen; ein Teufelskreis.

Katja Ehrenbergs Tipp: „Manchmal gelingt es, hier entgegenzuwirken, indem man sich an konkrete vergangene Erfolge erinnert. Auf deren Basis kann man sich dann glaubhaft immer wieder selbst sagen ‚Ich schaffe das‘, oder auch ‚Bleib‘ ruhig, mach eines nach dem anderen‘. Außerdem kann man gewissermaßen von sich selbst lernen: Wie habe ich es denn da gemacht, durch welche Herangehensweisen ist es mir damals gelungen und was davon passt auch jetzt?“

Wer wiederholt schwerwiegendere Prüfungsangst erlebt, sollte professionelle psychologische Beratung oder Therapie aufsuchen. Gemeinsam können hier individuelle Strategien erarbeitet werden, um negative Gedankenschleifen in den Griff zu kriegen.

ROLLENSPIELE

Mögliche Prüfungsfragen und -antworten und kritische Situationen kann man auch gut mit Freund:innen, Geschwistern oder einem Elternteil wiederholt durchspielen. Das vermittelt Sicherheit, wie man zum Beispiel damit umgehen kann, wenn man in einer mündlichen Prüfung oder bei einer Präsentation eine Frage nicht beantworten kann.

Katja Ehrenberg rät: „Je realistischer das Setting, desto besser. Man darf also – wenn das hilft – ruhig überlegen, in welcher Kleidung man sich am Prüfungstag wohlfühlen wird und diese auch im Rollenspiel tragen.“Auch an der Hochschule Fresenius unterstützen die psychosozialen Berater:innen unsere Studierenden gern in persönlichen Terminen mit passenden Übungen oder helfen, längerfristig kompetente externe Ansprechpersonen zu finden. Die Kontaktdaten der psychosozialen Berater:innen an den jeweiligen Standorten sind im ILIAS hinterlegt.

Sport

Wer den Stoff fachlich an sich gut beherrscht und sich letztlich auch gut konzentrieren kann, aber als Preis dafür unter starken körperlichen Stresssymptomen leidet, sollte regelmäßig Entspannungsverfahren und Sport praktizieren. Oft sind es Menschen mit einem sehr hohen Anspruch an sich selbst, die sich das nicht erlauben: Sie bekommen sofort ein schlechtes Gewissen, wenn sie in einer Lernphase etwas Anderes tun als zu lernen. Sie unterschätzen, dass das Gelernte sich auch setzen und vernetzen muss. Dafür benötigen Gehirn wie Körper dringend Ruhe- und Ausgleichsphasen. Auch um mittel- bis langfristig leistungsfähig zu bleiben, ist weniger manchmal mehr.

KLEINE SCHRITTE

Es hilft, den großen Berg, der vor einem liegt, in kleine Etappen zu zerlegen, die jede für sich gleich viel handhabbarer sind.  Ein bisschen wie Beppo Straßenkehrer in Michael Endes Buch Momo sagt: „Man darf nie an die ganze Straße auf einmal denken. Immer nur an den nächsten Schritt, an den nächsten Atemzug, an den nächsten Besenstrich. Und auf einmal merkt man dann irgendwann, dass man Schritt für Schritt die ganze Straße gemacht hat.“

Gute Ziele, gute Vorsätze sind zudem immer konkret. Das gilt auch bei der Prüfungsvorbereitung. Andernfalls, so Ehrenberg, landet man schnell in der Selbstüberforderung, – mit den Folgen Panik oder Resignation.

„Man sollte sich also nicht sagen ‚Morgen fange ich an zu lernen‘, sondern ‚Morgen von 9 bis 11 Uhr lese ich die Kapitel X und Y im Skript und bearbeite die Transferaufgaben dazu. Dann mache ich eine halbe Stunde Pause und gönne mir eine Runde um den Block, Musik, einen Kaffee, ein bisschen Instagram, was auch immer. Von halb 12 bis 12 Uhr fasse ich die zentralen Inhalte nochmal schriftlich für mich zusammen. Danach wiederhole ich Thema Z aus dem anderen Fach‘“, empfiehlt Prof. Ehrenberg.

ERSTE-HILFE-KIT FÜR DEN NOTFALL

Viele haben Angst vor einem Blackout. Hier helfen schnell wirkende Entspannungsstrategien, die man am besten im Vorfeld immer wieder übt, gerade wenn man weiß, dass man für einen Blackout anfällig ist. Denn im Grunde ist ein Blackout die Folge einer akuten Stressreaktion. Unter dem Gefühl elementarer Bedrohung schüttet der Körper Hormone wie Adrenalin, Noradrenalin und Kortisol aus. Eine „Überdosis“ Kortisol führt tatsächlich vorübergehend zu einer vollständigen Blockade der Nervenzellen im Hippocampus, der Hirnregion, die für die Speicherung von Informationen und den Abruf aus dem Gedächtnis zuständig ist.

Was gegen einen echten Blackout hilft, ist also dem Organismus Entwarnung zu signalisieren „Du bist nicht in Lebensgefahr“. Das kann durch gezielte Atemtechniken gelingen oder durch ein inneres Bild von einem schönen Ort, einen Song oder auch einen Duft, die Sicherheit und Ruhe vermitteln. Manchen gelingt es, solche Strategien für sich alleine erfolgreich umzusetzen, anderen helfen einige Stunden professionelle Unterstützung im Rahmen einer psychologischen Beratung, um die Methoden wirksam zu verankern. Auch sinnvoll ist die Strategie, in Klausuren zunächst all die Aufgaben zu beantworten, zu denen einem was einfällt, anstatt sich panisch an den schwierigen festzubeißen und so wertvolle Zeit zu verlieren. Auch in mündlichen Prüfungen kann man darum bitten, dass eine Frage nach hinten gestellt wird, und dies vorher einmal im Rollenspiel üben.

ZUSAMMENGEFASST: PRÜFUNGSANGST – WAS TUN?

Wer seine Prüfungsangst  besser in den Griff bekommen möchte, fängt damit am besten schon bei der Prüfungsvorbereitung an: Einen konkreten Lernplan zu erstellen und dabei auch bewusst Zeit für Pausen und Sport als Ausgleich einzuplanen, sind wichtige Schritte. Rollenspiele helfen zudem, sich auf mündliche Prüfungssituationen vorzubereiten.

Und wer sich bewusst an bereits erreichte Erfolge erinnert, kann so den mit Versagensgedanken verbundenen negativen Gefühlen entgegenwirken und zugleich auf erprobte Erfolgsstrategien zurückgreifen.

Für den Prüfungstag selbst sollte man sich schnell wirkende Entspannungstechniken aneignen, um körperlich möglichst ruhig zu bleiben und einem Blackout vorzubeugen.