Wirtschaft und Management

Der Chef/Coach

Jacob Ammentorp Lund/iStock

von Redaktion, am 14.01.2016

Die Anforderungen an die Führungskräfte von heute sind hoch. Gerade die Generation Y, die derzeit mit Macht auf den Arbeitsmarkt drängt, gibt sich selbstbewusst und autoritätskritisch. Da kommen altbekannte Befehl-und-Gehorsam-Prinzipien nicht mehr gut an. Die Führungskräfte müssten heute vielmehr als Coaches agieren, fordern einige Personalexperten. Doch kommen sie mit dieser Doppelrolle in der Praxis auch zurecht? Laura Sedlaczek, Absolventin der Hochschule Fresenius Köln, und der Psychologe Thomas Webers haben sich in einem Aufsatz mit dieser Frage auseinandergesetzt.

Experten sind sich weitestgehend einig: Mit der Generation Y – damit sind alle Personen gemeint, die zwischen 1980 und 2000 geboren sind – steht derzeit eine Arbeitnehmergeneration in den Startlöchern, die die Unternehmenswelt gehörig durcheinanderwirbeln wird. „Die Vertreter der ‚Gen Y‘ legen sehr großen Wert darauf, Freiräume zu haben und diese individuell zu gestalten. Starre Strukturen im Berufsleben werden daher oft abgelehnt“, erklärte Frank Lasogga, Professor an der Hochschule Fresenius Köln, dazu unlängst in einem Interview mit adhibeo.

Auf die Ansprüche der Ypsiloner reagieren auch die Unternehmen: Viele neue Führungskonzepte wurden in den vergangenen Jahren entwickelt und ausprobiert. Eines dieser Konzepte rückt die Führungskraft als Coach in den Fokus. „Um den richtigen Umgang mit jungen, gut ausgebildeten Arbeitnehmern zu gewährleisten, steht von Seiten einiger Personalexperten seit einiger Zeit die Forderung im Raum, Führungskräfte sollten Coaching-Werkzeuge anwenden und eine entsprechende Coaching-Haltung einnehmen“, weiß Thomas Webers, Lehrbeauftragter an der Hochschule Fresenius Köln und selbstständiger Business-Coach.

Die Beziehung zwischen Coach und Coachee ist für gewöhnlich symmetrisch – das kann für die Führungskraft zum Problem werden

Auch er sieht die Sinnhaftigkeit eines solchen Konzepts, kennt aber genauso die Argumente jener, die Zweifel haben, dass es sich in der Praxis auch umsetzen lässt: „Ein Coach begegnet seinem Klienten für gewöhnlich auf Augenhöhe. Setzt man das Konzept konsequent in der Unternehmenspraxis um, muss die Führungskraft mit dem untergebenen Mitarbeiter plötzlich eine partnerschaftliche Beziehung eingehen. Das kann zu Problemen führen.“ Denn der gecoachte Arbeitnehmer müsse sich seinem Coach gegenüber öffnen und Schwächen preisgeben. „Da der Coach gleichzeitig der Vorgesetzte ist, müsste dieser die Schwächen aber eigentlich auch als Minderleistungen bei seiner Mitarbeiterbewertung berücksichtigen – ein Rollenkonflikt“, gibt Webers zu bedenken.

Soweit die theoretischen Überlegungen zum Thema. Laura Sedlaczek, deren an der Hochschule Fresenius Köln entstandene Bachelorarbeit von Thomas Webers betreut wurde, hat nun überprüft, welche Probleme leitende Angestellte, die nach dem „Führungskraft als Coach“-Konzept agieren, tatsächlich haben. Dazu hat sie insgesamt fünf Experteninterviews geführt. Die Befragten hatten zum Zeitpunkt der Untersuchung im vergangenen Sommersemester allesamt Personalverantwortung und waren zudem im Besitz eines Coaching-Zertifikats einer vom Deutschen Bundesverband Coaching (DBVC) anerkannten Weiterbildungseinrichtung.

Ohne den notwendigen Tiefgang: Die Befragten praktizieren kein Coaching im engeren Sinne

Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen: Die Befragten setzen ihre erworbenen Coaching-Kompetenzen tatsächlich ein und versuchen, den Umgang mit den Mitarbeitern transparenter und partnerschaftlicher zu gestalten. Dabei sind die meisten Probanden sich aber durchaus bewusst, dass bestimmte Grenzen gewahrt werden müssen. „Die Antworten zeigen ganz klar, dass die befragten Führungskräfte Rollenkonflikten aus dem Weg gehen wollen, indem sie in den Gesprächen einen für das klassische Coaching notwendigen Tiefgang vermeiden“, kommentiert Webers. Es werde also gar kein Coaching im engeren Sinne betrieben. „Zudem versuchen einige der Interviewten, ihren Mitarbeitern stets zu signalisieren, in welcher Rolle sie gerade auftreten – zum Beispiel, indem sie ein Treffen an einem Ort außerhalb der Arbeit arrangieren oder sich formloser kleiden“, berichtet der Psychologe.

Zwar seien die Ergebnisse aufgrund der kleinen Stichprobe natürlich nicht repräsentativ, neue Erkenntnisse habe die Untersuchung dennoch geliefert, so Webers. „Die Frage, die sich Personaler stellen müssen, ist nach dieser Studie nicht mehr, ob das Konzept ‚Führungskraft als Coach‘ überhaupt funktioniert, sondern, wie das Konzept in der Praxis verantwortlich umgesetzt werden kann. Hier hat Frau Sedlaczek mit ihrer Studie wirklich einen wichtigen Beitrag geleistet!“

Der von Laura Sedlaczek und Thomas Webers gemeinsam verfasste Aufsatz ist unter dem Titel „Ist eine Coaching-Kompetenz nützlich für Führungskräfte?“ in Ausgabe 4/15 der Fachzeitschrift Organisationsberatung, Supervision, Coaching erschienen.

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Die adhibeo-Redaktion veröffentlicht regelmäßig Artikel zu verschiedensten Themen der Angewandten Wissenschaften, die an der Hochschule Fresenius stattfinden.

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