Wirtschaft und Management

„Studentische Wissenschaft kann eine Art Korrektiv darstellen“

von Redaktion, am 14.04.2015

Mit einer Auflage von knapp 100 Exemplaren und einem Stückpreis von 3,50 Euro ist an der Hochschule Fresenius Köln vor kurzem die erste Ausgabe von Fregenius erschienen. Das Magazin soll als Plattform für herausragende studentische Aufsätze dienen und regelmäßig zu Beginn jedes Semesters erscheinen. Im Interview sprechen Barbara Lier und Jens Hildebrandt, Herausgeber des Magazins und Wissenschaftliche Mitarbeiter an der Hochschule Fresenius Köln, über den Sinn und Zweck des Projekts.

Frau Lier, Herr Hildebrandt, vor kurzem ist die erste Ausgabe der Zeitschrift Fregenius erschienen. Um was für ein Produkt handelt es sich?

Jens Hildebrandt: Die Zeitschrift Fregenius imitiert gewissermaßen ein wissenschaftliches Fachjournal. Das heißt, es finden sich darin Aufsätze, die hinsichtlich Form und Aufbau klassischen wissenschaftlichen Publikationen in nichts nachstehen. Der Unterschied ist, dass diese Aufsätze nicht von ausgewiesenen Akademikern, sondern von angehenden Akademikern verfasst wurden.

Fregenius soll den Studierenden ein Forum sein, um ihre Hausarbeiten veröffentlichen zu können. Denn unter diesen Hausarbeiten, die überwiegend im Fach Wissenschaftliches Arbeiten entstehen, finden sich richtig gute und vor allem interessante Aufsätze. Es wäre doch schade, wenn diese Texte außer dem Korrektor niemand zu Gesicht bekommt.

War das auch der Grund, warum Sie Fregenius ins Leben gerufen haben?

Barbara Lier: Auf jeden Fall ein ganz zentraler Grund. Neben diesem Wertschätzungsaspekt geht es uns aber auch darum, anderen Studierenden zu zeigen, wie im Rahmen des Studiums anzufertigende wissenschaftliche Publikationen aussehen sollten. Im Fach Wissenschaftliches Arbeiten gab es in der Vergangenheit von Studierendenseite immer wieder die Nachfrage, ob man die besonders guten Hausarbeiten der vergangenen Semester nicht irgendwo einsehen kann, um sich daran zu orientieren. Für gewöhnlich verweisen wir bei solchen Fragen auf unser Handbuch zum Wissenschaftlichen Arbeiten, in dem sehr ausführlich geschildert wird, wie es geht. Jetzt gibt es mit Fregenius eine gute Ergänzung dazu.

Was erhoffen Sie sich, mit dem Magazin zu erreichen?

Jens Hildebrandt: Wir hoffen natürlich, mit der Zeitschrift Begeisterung für wissenschaftliche Themen zu entfachen. Wie gesagt, es entstehen immer wieder wirklich interessante wissenschaftliche Aufsätze, in denen Themen- und Fragestellungen behandelt werden, die den Horizont des Lesers erweitern können. In manchen Fällen zeigt der studentische Autor einen solchen Text vielleicht noch seinen Eltern – jetzt kann er ihn einem größeren Publikum präsentieren.

In der Wissenschaft gibt es eine kontroverse Diskussion darüber, wie mit studentischen Publikationen umgegangen werden soll. Die einen wehren sich dagegen, derartige Arbeiten zu veröffentlichen und in wissenschaftlichen Diskursen zu berücksichtigen, weil den Autoren, also angehenden Akademikern, die Reife fehle. Andere, wie der Gründer der Publikationsplattform aventinus, Dr. Andreas C. Hofmann, sehen studentisches Publizieren als „moderne Form der Wissenschaftskommunikation“. Welchen Standpunkt vertreten Sie?

Jens Hildebrandt: Geht man nach dem Gesetz, sind Studierende, genauso wie Professoren oder Wissenschaftliche Mitarbeiter auch, Träger der Wissenschaftsfreiheit. Das heißt, es steht ihnen frei, zu forschen und zu publizieren. Für gewöhnlich erhält eine studentische Publikation natürlich viel weniger Aufmerksamkeit, als zum Beispiel eine Doktorarbeit. Dabei wissen wir aus der jüngeren Vergangenheit, dass Doktorarbeiten durchaus nicht immer den hohen Anforderungen des wissenschaftlichen Arbeitens gerecht werden – dass dabei sogar, wie in der Affäre Gutenberg, bewusst getäuscht werden kann.

Ausgewiesene Akademiker sind also nicht zwangsläufig reifer, professioneller oder die besseren Wissenschaftler. Das zeigt auch der Fall Reinhart/Rogoff: Die beiden Harvard-Ökonomen Carmen Reinhart und Kenneth Rogoff hatten 2010 einen Aufsatz veröffentlicht, in dem sie sich mit dem Zusammenhang zwischen Staatsschulden und ökonomischem Wachstum beschäftigen. Viele ranghohe Politiker griffen die Ergebnisse der Analyse auf und rechtfertigten damit politische Entscheidungen. Das Problem dabei: Den beiden renommierten Ökonomen war ein Rechenfehler unterlaufen, die Ergebnisse waren also nicht korrekt. Erfahren hat die Welt davon, weil ein Student die Analyse im Rahmen einer Semesterarbeit überprüfte – und die Wahrheit aufdeckte.

Barbara Lier: Das zeigt doch, dass auch studentische Wissenschaft eine Art Korrektiv darstellen kann und deshalb nicht missachtet werden sollte. Auch weil sie häufig noch unbefangen sind, gelingt es Studierenden immer wieder, neue Impulse in eine wissenschaftliche Debatte zu geben. Wir hoffen, dass auch Fregenius derartige Impulse liefern kann.

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Redaktion
Die adhibeo-Redaktion veröffentlicht regelmäßig Artikel zu verschiedensten Themen der Angewandten Wissenschaften, die an der Hochschule Fresenius stattfinden.

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