Wirtschaft und Management
Flaggschiffe mit sensorischem Innenraum
von Redaktion, am 11.06.2013
Wirtschaft und Management
von Redaktion, am 11.06.2013
Im Konzert der großen Marken kann man nicht mehr auf ihn verzichten: den Flagship Store. Ob Apple, Louis Vuitton oder adidas – alle sind sie in den großen Metropolen mit einem Vorzeigeshop präsent. Dabei gilt es, bei der Konzeption und Gestaltung dieser Filialen einiges zu beachten – damit negative Kundenerlebnisse ausbleiben, wie Marketingspezialist Jürgen Jacob erklärt.
München, 24.04.2013 – Dicht drängen sich die Menschen. Zur Eröffnung des adidas Flagship Stores in der Münchner Innenstadt sind jede Menge Besucher gekommen. Der Sportartikelhersteller hat für sein neues Aushängeschild eine exklusive Adresse gewählt: Der Hofstatt, das neue, 15.000 Quadratmeter große Shoppingquartier in der Sendlinger Straße. Kundschaft ist an dieser Stelle garantiert: die Sendlinger Straße gilt nach der Kaufinger- und der Maximiliansstraße als die attraktivste Verkaufszone Münchens, in Reiseführern wird sie aufgrund ihres besonderen Flairs gelobt.
„Die Location eines Flagship Stores will gut ausgesucht sein“, sagt Jürgen Jacob, Dozent für Marketing und Retail an der Hochschule Fresenius München. In bester Frequenzlage sollte er liegen, „damit möglichst viele Passanten aufmerksam werden.“ Um diese Lage zu finden, greifen Unternehmen auf Marktforschungsdaten zurück: „Die Daten geben Aufschluss darüber, wo und wie sich die Menschenmassen durch die Stadt bewegen“, erklärt Jacob, der zwölf Jahre lang das Marketing der MediaMarkt-Saturn Unternehmensgruppe geleitet hat. Für die Sendlinger Straße liegen hierzu beeindruckende Zahlen vor: Über 7500 Passanten gehen dort durchschnittlich an den Geschäften und Cafés vorüber – pro Stunde wohlgemerkt.
Bei der Analyse sind aber nicht nur quantitative Daten von Bedeutung. Es kommt auch darauf an, wer sich durch die Straßen bewegt. „Die Touristenströme sind unbedingt zu berücksichtigen“, sagt Jacob. Im Urlaub sei man nämlich eher bereit, sich etwas zu gönnen – „vom klassischen Shoppingtourismus ganz zu schweigen!“
Viele Flagship Stores in München haben sich deshalb ganz bewusst auf die Touristen eingestellt: „Im Maison Residenzpost, dem neuen Flagship Store von Louis Vuitton, findet man zum Beispiel sehr viele chinesisch oder russisch sprechende Verkäufer“, weiß Jacob. Und für Besucher aus den arabischen Golfstaaten, die 2012 die drittgrößte ausländische Touristengruppe in München darstellten, wird auch schon mal der Umkleidebereich komplett umgestaltet. Diese Maßnahmen seien notwendig, um die Touch Points positiv zu gestalten, erklärt der Marketingspezialist, denn „jede sinnlich erfahrbare Berührung mit der Marke muss in guter Erinnerung bleiben.“ Fühlt man sich also aufgrund von Sprachschwierigkeiten schlecht beraten oder beim Anprobieren eines Kleidungsstücks unwohl, wird diese negative Emotion mit der Marke verknüpft – „das sollte natürlich vermieden werden.“
Auch das äußere Erscheinungsbild ist ein wichtiger Touch Point. „Beim ersten Anblick eines Flagship Stores müssen die Augen richtig groß werden“, fordert Jacob. Um das zu erreichen, beauftragen Unternehmen bekannte Architekten und wenden Millionenbeträge auf. Auf das Geld dürfe man beim Projekt „Flagship Store“ aber ohnehin nicht achten, weiß der Handelsexperte: „Die meisten dieser Filialen sind Zuschussgeschäfte und tragen sich nicht selbst – aber an dieser Stelle muss anders gerechnet werden.“ Denn im Flagship Store werden die Grundlagen für zukünftige Kaufhandlungen geschaffen: Wem der Store imponiert, bei dem fällt die nächste Kaufentscheidung vielleicht zugunsten der Marke aus.
Er sei vom Anblick des adidas Flagship Stores in der Hofstatt allerdings nur mäßig begeistert gewesen, gibt Jacob zu. Doch trotz fehlender Erlebnisoptik könne adidas natürlich von dem Store profitieren: „Eine solche Filiale hat ja auch immer eine Marktforschungsfunktion.“ Mit Hilfe von Befragungen werden die Meinungen zu einem neuen Produkt eingeholt. Noch viel häufiger aber setzt man die technische Ausrüstung des Shops zu Forschungszwecken ein. So registrieren Kameras, vor welchen Artikeln die Kunden am längsten verweilen, Infrarotsensoren erfassen, auf welchen Wegen sich die Besucher durch den Shop bewegen.
Auch Greg Varner hat diese Beobachtungsinstrumente schon eingesetzt. Vor rund zehn Jahren war der US-Amerikaner, der heute die Münchner Unternehmensberatung mindglobal führt, für die Planung des adidas Flagship Stores in Stockholm mitverantwortlich. Wie er in einem Gastvortrag an der HS Fresenius München darstellt, förderten sensorische Messungen damals folgendes Problem zu Tage: „Die Shop-Besucher bewegten sich anders durch die Räume, als wir es ursprünglich angenommen hatten“, berichtet Varner. Daraufhin seien Produkte bewusst an den Hot-Spots des Stores platziert worden – die Verkaufszahlen stiegen.
„Erkenntnisse, die bei Untersuchungen im Flagship Store gewonnen werden, fließen dann häufig in die Gestaltung kleinerer Filialen mit ein“, weiß Jürgen Jacob. Und sollte der adidas Flagship Store in der Hofstatt auch das Ziel verfehlen, große Augen zu machen: ein wichtiges Marktforschungslabor bleibt er allemal.
Redaktion
Die adhibeo-Redaktion veröffentlicht regelmäßig Artikel zu verschiedensten Themen der Angewandten Wissenschaften, die an der Hochschule Fresenius stattfinden.
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