Medien

Wirtschaft und Management

Disruption in den Medien: Aktuelle Entwicklung und Ausblick in die Zukunft

von Redaktion, am 02.10.2015

Der schnelle technologische Fortschritt sorgt für stetigen Wandel auf den Märkten. Besonders tiefschürfenden Veränderungen wird dabei gerne das Etikett „disruptiv“ aufgedrückt. Für Unternehmen lautet die Devise in Zeiten der Disruption: wachsam und anpassungsfähig bleiben. Denn was heute noch jeder haben will, danach kräht oft schon morgen kein Hahn mehr. In der Medienindustrie ließ sich das in den letzten Jahren häufig beobachten. Von Stefan Gröner

Disruption“ ist in aller Munde und hat die besten Chancen, zum Medienwort des Jahres gekürt zu werden. Unbestritten ist zudem, dass die digitale Disruption starke Auswirkungen auf das Mediennutzungsverhalten und in der Folge auch auf die Geschäftsmodelle in der Medienindustrie hat und in Zukunft haben wird. Um ein vertieftes Verständnis des Phänomens zu erlangen und mögliche Zukunftsentwicklungen vorhersagen zu können, ist es zunächst notwendig, sich mit dem Begriff als solches und anschließend mit den disruptiven Veränderungen der vergangenen Dekaden zu beschäftigen.

Laut Duden steht „Disruption“ in der ursprünglichen Wortbedeutung für „Zerbrechung“, „Zerreissung“ oder „Spaltung“. Mit dieser zunächst sehr radikal klingenden Definition sind die aktuellen Entwicklungen in der Medienindustrie recht gut beschrieben. Denn der rasante Wandel des Mediennutzungsverhaltens, der in den letzten Jahren durch neue technologische Innovationen und Geschäftsmodelle hervorgerufen wurde, hat die Attraktivität und Werthaltigkeit von Produkten und Dienstleistungen vieler bestehenden Marktteilnehmer dramatisch verändert.

In der aktuellen Diskussion wird allerdings oft vergessen, dass Disruption in der Medienindustrie auch nichts wirklich Neues ist. Man denke nur an das Filmtheater, den Fernseher, die Videokassette oder die DVD. Auch gab es schon immer Fehlentscheidungen in Bezug auf die Einschätzungen zukünftiger Entwicklungen, wenn wir uns beispielsweise daran erinnern, dass Thomas Watson als damaliger CEO von IBM Mitte der 1940er Jahr den gesamten Markt für Personal Computer auf fünf (!) Stück prognostizierte. Das Hauptproblem, mit dem sich die Entscheider in den heutigen Medienunternehmen konfrontiert sehen, besteht aber meist nicht in der fehlenden Erkenntnis, dass die jeweils neuen Technologien Einfluss auf das bestehende Geschäftsmodell nehmen werden. Vielmehr liegt die größte Herausforderung im richtigen Timing. Denn Disruption stellt sich nicht von heute auf morgen ein. Sie ist ein längerer Prozess, bei dem die zu schnelle Abkehr von etablierten Geschäftsmodellen ebenfalls eine Gefahr bedeuten kann. Erst wenn bestimmte Voraussetzungen zur richtigen Zeit vorzufinden sind, entwickelt sich Disruption tatsächlich. Dann allerdings rasend schnell, für die bestehenden Marktteilnehmer ist es oft zu spät, entsprechend zu reagieren.

Sicher ist: Die wichtigsten disruptiven Veränderungen der Medienindustrie wurden durch die zunehmende Digitalisierung hervorgerufen. In der Musikindustrie brachen beispielsweise zu Anfang des neuen Jahrtausends die Ende der 1990er Jahre durch die CD hervorgerufenen Umsatzrekorde ein, da erste illegale Downloadplattformen wie Napster in den Markt eintraten. Auf die daraus resultierende Disruption des analogen Bezahlens folgte 2003, bedingt durch den Start von iTunes, die nächste Disruption: Plötzlich wurde der Zahlungsverkehr in der Musikindustrie digital abgewickelt. Allerdings wurde dadurch auch das sogenannte Bundling, d.h. der Kauf ganzer Werke, disruptiert. Mit dem Aufkommen von Streamingportalen wie Spotify oder jüngst Apple Music wird aktuell – nur wenige Jahre später – die Disruption des Downloads, eingeläutet.

Ähnliche Entwicklungen sind auch in der TV- und Filmindustrie zu beobachten gewesen, wobei sich der Markt hier vergleichsweise noch sehr fragmentiert in Bezug auf das Content-Angebot zeigt. Es dürfte spannend zu beobachten sein, welche Player die zu erwartende Marktbereinigung in den nächsten Jahren überleben werden.

Die Publishing-Industrie hat eine vergleichsweise geringe Disruption durch die Digitalisierung hinnehmen müssen. Das liegt vor allem daran, dass es im Journalismus seit jeher kaum illegale Angebote gibt. Die Verlage haben ihr Printgeschäft vielmehr meist selbst durch kostenlose Online-Angebote kannibalisiert. Allerdings fehlt es hier im Gegensatz zur Musik- und Filmindustrie nach wie vor an einer ernsthaften Bezahlkultur, was die Geschäftsmodelle der Verlagshäuser stark unter Druck setzt.

Die Frage, wie die Entwicklung in den einzelnen Industrien weitergeht, beschäftigt die Experten und Medienmacher tagtäglich. Eine seriöse Prognose ist umso schwieriger, da jederzeit eine neue Technologie auftauchen kann, die wiederum einen kompletten Wandel im Umgang mit den erst mühsam neu etablierten Geschäftsmodellen nach sich ziehen kann. Nach aktuellem Stand können aber drei große Tendenzen ausgemacht werden:

  1. In der Musikindustrie wird das Streaming der neue Standard werden. Aufgrund der großen Nutzerbasis aus dem iTunes-Geschäft hat hier Apple Music gute Chancen, einen wichtigen Teil des Umsatzes aus der Branche abzuschöpfen, obwohl auch immer mehr branchenfremde Player (wie z.B. Aldi) auf das gelernte Geschäftsmodell aufsetzen. Im Gegenzug werden Downloads und CD-Verkäufe weiter abnehmen.
  2. In der TV- und Filmindustrie wird sich ebenfalls Streaming durchsetzen (z.B. via Chromecast oder über ein neues, rein Streaming-basiertes Apple TV). Kabelanbieter und Streaming-Portale wandeln sich dank eigenem Content (z.B. House of Cards) oder eigenen Plattformen (z.B. HBO Now) von Kunden zu Konkurrenten der herkömmlichen TV-Sender, deren Geschäftsmodell zunehmend unter Druck gerät.
  3. Print wird ein Nischenmarkt, da die entgangenen Werbeerlöse nicht über Paid Content kompensiert werden können. Und die herkömmlichen Verlage werden sich noch mehr als jetzt zu integrierten Medienhäusern wandeln müssen, die exklusiven Qualitätscontent maximal kundenfreundlich (z.B. Mobile-First-Zugang und -Format, einfache Bezahlung) anbieten.

Über den Autor: Dr. Stefan Gröner lehrt Medien- und Kommunikationsmanagement an den Hochschule Fresenius München und leitet dort den Master-Studiengang „Corporate Communication“.

Über den Autor

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Die adhibeo-Redaktion veröffentlicht regelmäßig Artikel zu verschiedensten Themen der Angewandten Wissenschaften, die an der Hochschule Fresenius stattfinden.

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